# taz.de -- Konzert New Order: Wie ein CSU-Parteitag | |
> Die große Popband New Order trat in Berlin auf. Eine Ausstellung im HBC | |
> zeigt zudem die schön coolen Plattencover ihrer langjährigen | |
> Bandgeschichte. | |
Bild: An der Weiterentwicklung der Musik nicht interessiert: Bernard Sumner bei… | |
BERLIN taz | Eine Ausstellung, ein Konzert. Die Musiklegende New Order | |
wurde präsentiert von Electronic Beats, dem überhaupt nicht unabhängigen | |
Musikmagazin der Deutschen Telekom. Für Deutschland wurde New Order sogar | |
exklusiv präsentiert. New Order hat sich also verkauft, die neue Ordnung | |
ist nun ein Werbeträger. Warum nicht? Die Musikerinnen und Musiker müssen | |
ja auch von etwas leben. | |
Damit wurde ihre Deutschlandauftritt zu einem Großevent, zu einem Konzert | |
mit Ausstellung. Die Ausstellung kann man bis zum 4. Juli im HBC Berlin | |
besuchen, gezeigt werden Bandfotos von Kevin Cummins und zudem die von | |
Peter Saville gestalteten Plattencover – man sieht die wunderbaren, | |
reduzierten und coolen Plattencover von New Order, klare Gestaltung, genaue | |
Typografie. Über die Jahre sind diese Plattencover noch eindrücklicher | |
geworden. Man war seiner Zeit voraus. | |
Auf den Fotos sieht man zumeist die noch relativ jungen Bandmitglieder, | |
junge Leiber, schön, schwitzend. So sieht es aus bei uns zuhaus, sagen die | |
Fotos, sie zeigen scheinbar intime Situationen. Daneben sind die | |
Plattencover etwas sehr lieblos an der Wand aufgereiht, auf einem Cover | |
klebt sogar noch das Preisschild vom Plattenladen. Aber es geht in dieser | |
Ausstellung ja auch nicht darum, etwas zu zeigen, es geht darum, etwas zu | |
präsentieren. Etwas ist in diesem Falle New Order. | |
## Am Marsch orientiert Discomusik | |
Und New Oder lassen sich präsentieren wie ein Zirkuspferd. Denn sie ist ein | |
besonderes Ding. Die Gruppe ist aus der Band Joy Division hervorgegangen, | |
nach der Selbsttötung des Sängers Ian Curtis. Die Restband, nun um die | |
Keyboarderin Gillian Gilbert verstärkt, formierte New Order und hatte 1983 | |
mit dem Song „Blue Monday“ nicht nur einen sehr großen kommerziellen | |
Erfolg, sondern schuf damit zugleich auch eine neue, weiße, europäische, | |
heterosexuelle und am Marsch orientierte Form der Discomusik. Aus dieser | |
ging später unter anderem Techno hervor. | |
New Order also setzten Maßstäbe, waren zugleich ständige Gäste in den | |
Charts, Stars eben. In den vergangenen Jahren allerdings verwalteten sie | |
eher ihren Nachlass, als dass sie noch durch überraschende Kompositionen | |
hervorgetreten wären. Das aber genügt, um große Hallen zu füllen. Das | |
genügt, um Werbeträger der Telekom zu sein. | |
Auf dem einzigen Deutschland-Konzert ihrer diesjährigen Tournee, das am | |
Donnerstag im Berliner Tempodrom gegeben wurde, zeigten sie allzu deutlich, | |
dass sie an einer Fortentwicklung ihrer Musik desinteressiert sind. „True | |
Faith“ spielten sie, „Age Of Consent“, „586“, die Hitmaschine lief un… | |
lief allzu gut. | |
## Vorher festgelegtes Ergebnis | |
Das Publikum störte sich wenig daran, dass der Sound ziemlich matschig war, | |
die älteren Semester erkannten sich wieder in den Songs, und wer schon zu | |
vergesslich oder zu betrunken war, bekam vorsorglich via Visuals | |
mitgeteilt, dass der Song, den man jetzt an seinem Basslauf erkannte, | |
wirklich „Blue Monday“ war. | |
Es war kurzum eine Oldie-Show mit einer guten Band, die nicht mehr bereit | |
ist, etwas zu wagen. Es war wie ein CSU-Parteitag, das Ergebnis war vorher | |
festgelegt worden, und alle wollten das Ergebnis feiern. Bernard Sumner, | |
der Sänger, animierte bereitwillig zum Mitklatschen. Ein Fest für die ganze | |
Familie. | |
Nur einen kurzen Moment der Irritation gab es. Vor der Zugabe trat ein Mann | |
im blauen Anzug auf, der den Applaus steigern sollte, er rief, als dies | |
gelang, im Scherz, „Joy Division“ zurück auf die Bühne. Die Band kam. „… | |
are not Joy Division“, sagte Sumner, sichtlich verärgert. Das zweite und | |
letzte Stück der Zugabe war dann allerdings „Love Will Tear Us Apart“. | |
Lebende Legenden sind Gefangene ihrer Geschichte, manche genießen das, New | |
Order genießen es nicht. Sie tun aber auch nichts dagegen. | |
22 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Jörg Sundermeier | |
## TAGS | |
Manchester | |
Pop | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neues Buch zu Joy Division: Betonpanorama in Schwarz-Weiß | |
Das Sachbuch „Sengendes Licht“ schildert, wie Manchester den Sound von Joy | |
Division prägte. Deren Alben wurden zuletzt neu remastered. | |
Debütalbum von „Drangsal“: Ein Disco-Wolpertinger | |
Auf seinem Debütalbum „Harieschaim“ huldigt Drangsal dem Sound der | |
80er-Postpunk-Jahre und spielt dabei in einer Liga mit alten Helden. |