| # taz.de -- Wahlen in der Mongolei: „Jeder Mongole könnte reich sein“ | |
| > Durch den Bergbauboom strömt viel Geld ins Land. Von der am Donnerstag zu | |
| > wählenden Regierung erwarten die Mongolen, die Einnahmen gerecht zu | |
| > verteilen. | |
| Bild: Könnten reich sein, sind es aber nicht: Jurte vor den Toren Ulan-Bators. | |
| ULAN-BATOR taz | Ochirbat Tsendsuren steht mit einem Spachtel in der Hand | |
| zwischen roten Backsteinen, Schubkarren und Eimern mit Mörtel. Über der | |
| Baustelle am Rand der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator hat er die | |
| blau-rot-weiße Flagge der Demokratischen Partei aufgehängt. Für ihn ist | |
| klar, dass er bei der Wahl am Donnerstag für sie stimmt. „Die Demokratie | |
| hat uns die Freiheit gebracht,“ sagt er und wirkt stolz. | |
| Viel erwartet der 40-Jährige nicht von der neuen Regierung: „Nur, dass sie | |
| ihre Versprechen hält und den großen Graben zwischen Arm und Reich | |
| schließt.“ Das wünschen sich viele, vor allem hier in den Jurtenvierteln, | |
| den Armenviertel von Ulan Bator. Kleine Backsteinhäuser und Jurten ducken | |
| sich hinter Holzzäunen. Die ungepflasterten Wege sind voll Schlammlöcher. | |
| Im nur wenige Kilometer entfernten Zentrum wird die Schere zwischen Arm und | |
| Reich, von der Tsendsuren spricht, deutlich. Nahe des Sukhbaatar Platzes, | |
| wo Dschingis Khan überlebensgroß in Bronze vor dem Regierungsgebäude | |
| thront, wird überall gebaut. | |
| Einige gläserne Hochhäuser ragen schon in den Himmel. In einem davon haben | |
| sich Edelboutiquen von Luis Vuitton und Zegna eingerichtet. Dort geht jene | |
| handvoll Mongolen einkaufen, die der wilde Kapitalismus der 90er Jahre | |
| reich gemacht hat. | |
| ## Wirtschaftswachstum von 17 Prozent | |
| Ein paar hundert Meter weiter ist der Sitz von Oyu Tolgoi, einem | |
| Joint-Venture des mongolischen Staates mit der kanadischen Bergbaufirma | |
| Ivanhoe. Es betreibt die Oyu Tolgoi Kupfer- und Goldmine im Süden der Gobi, | |
| ein sechs Milliarden Dollar-Projekt. In der Naähe ist auch die Kohlemine | |
| Tavan Tolgoi voll geschätzter fünf Milliarden Tonnen feinster Kokskohle. | |
| Vor allem diese beiden Minen befeuern das große Wirtschaftswachstum von | |
| zuletzt 17 Prozent. | |
| Der Bergbau entscheidet die Zukunft der Mongolei. Er gilt jetzt als | |
| wichtigster Wirtschaftszweig, nicht mehr die traditionelle | |
| Nomadenwirtschaft. Internationale Investoren haben den Rohstoffreichtum der | |
| Mongolei entdeckt und stehen Schlange für Lizenzen. | |
| Nahe Tsendsurens Baustelle wohnt Gonchig Erdene. Gerade hat die 56-jährige | |
| Rentnerin eine Tüte Mehl gekauft und klettert den steilen Hang zu ihrer | |
| Jurte hinauf. Sie ist guter Dinge und bisher zufrieden, wie ihre Regierung | |
| den Bergbauboom managt. „Jeder soll eine Million Tugrik bekommen,“ sagt sie | |
| – 600 Euro. „Laut Regierung stammt das Geld aus dem Bergbau. Die Hälfte | |
| haben wir schon erhalten.“ | |
| ## 230 Euro im Monat | |
| Aber sie muss zugeben, dass wenn ihre Tochter nicht in Tschechien arbeiten | |
| und Geld schicken würde, sie mit ihrer kleinen Rente und dem, was ihr Mann | |
| als Nachtwächter verdient, kaum über die Runden käme. 230 Euro haben sie im | |
| Monat zusammen. | |
| Der Sohn, der auch als Wachmann arbeitet, steuert weitere 120 Euro bei. | |
| Davon leben sie zu fünft mit zwei Enkeln. „Alles ist so teuer geworden, wir | |
| hoffen das die Preise nicht noch mehr steigen.“ Mehr als das | |
| Wirtschaftswachstum spüren Mongolen wie Erdene die noch höhere Inflation | |
| von 18 Prozent. | |
| „Einfach Geld zu verteilen, ist ganz falsch,“ sagt Phuntsag Zolzaya. „Das | |
| machen sie nur wegen der Wahlen. Ist doch klar, dass so die Inflation | |
| steigt.“ Der 32-jährige Ökonom studierte in Deutschland und arbeitet im | |
| öffentlichen Dienst. Wie viele gebildete Mongolen meint er, dass die | |
| Regierung statt Bargeld auszuzahlen lieber in Bildung und Infrastruktur | |
| investieren sollte. Die stammt zum Großteil noch aus der sozialistischen | |
| Zeit. | |
| Nur wenige Überlandstraßen sind geteert. „Wir müssen eine verarbeitende | |
| Industrie aufbauen“, sagt Zolzaya, „damit wir nicht mehr so sehr von | |
| Importen abhängig sind.“ Und nicht allein abhängig vom Bergbau und | |
| schwankenden Rohstoffpreisen. | |
| Zolzaya glaubt, dass auch die Regierung das mittlerweile erkannt hat. Trotz | |
| seiner Kritik schaut er optimistisch in die Zukunft. „Wir Mongolen haben | |
| Glück, wir haben ein riesiges Land mit vielen Rohstoffen und sind weniger | |
| als drei Millionen Menschen. Eigentlich könnte jeder Mongole reich sein. | |
| Aber das geht eben nicht von heute auf morgen.“ | |
| 28 Jun 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Nicole Graaf | |
| ## TAGS | |
| Mongolei | |
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