# taz.de -- Junge Spanierin über ihre Generation: „Wir sind bescheiden“ | |
> Die spanische Jugend ist arbeitslos und verwöhnt, ihre einzigen Vorbilder | |
> sind die erfolgreichen gleichaltrigen Sportler. Denn die Politiker sind | |
> verhasst. | |
Bild: Sie gehen demonstrieren und zeigen die Farben ihres Vereins: junge Spanie… | |
taz: Frau Guelfi, die Hälfte der jungen Erwachsenen in Spanien hat keine | |
Arbeit. Zugleich feiert sie die Erfolge ihrer gleichaltrigen | |
Nationalspieler. Wie fühlt sich das an? | |
Natalia Guelfi: Die jungen Leute sind ja nicht nur arbeitslos, ihnen fehlt | |
es oft auch an Berufserfahrung. Die vergangenen Jahrzehnte waren ökonomisch | |
so gut, dass die Jugendlichen die Möglichkeit hatten, zu studieren, aber | |
nicht die Notwendigkeit sahen, zu arbeiten. Dieses Paradox zeigt sich jetzt | |
in der Krise: Um einen Job zu bekommen, musst du studiert haben und | |
Erfahrungen mitbringen. Und die wurden vernachlässigt. | |
Ging es ihnen zu gut, um sich auf die jetzige Situation vorzubereiten? | |
Viele haben nicht gelernt, wie man Geld verdient. Geld und Konsum werden | |
sehr geschätzt, aber es fehlt am Willen, das selber zu erreichen. Genauso | |
ist es mit der Politik. | |
Wie meinen Sie das? | |
Die Jugend war über Jahrzehnte unpolitisch, was auch allen recht war. Jetzt | |
ändert sich das, die Jugend geht auf die Straße, hat im Internet ihre | |
eigenen Wege gefunden, sich zu informieren und zu kommunizieren, und stellt | |
Forderungen. Das wird nicht aufhören, im Gegenteil – sie haben ja Zeit. | |
Welche Rolle spielt der Sport? | |
Der Sport insgesamt ist sehr gut entwickelt, wirklich viele Jugendliche | |
treiben Sport. Und der Reichtum der vergangenen Jahre hat das zugelassen, | |
viele wohlhabende Eltern haben ihre Kinder Sport treiben lassen, es gab | |
viel Förderung. Und die Nationalmannschaft ist ein Vorbild für viele. Unter | |
unseren Nationalspielern ist kein arroganter Ronaldo, sie sind bescheiden | |
und solidarisch – das freut sehr viele hier. Es geht um den sportlichen | |
Erfolg, aber auch um das Bild, das Xabi Alonso, Andres Iniesta und die | |
anderen vermitteln. Hier finden sie Vorbilder. | |
Die fehlen sonst? | |
Ja, die Jugend hasst die Politik und die Politiker. Sie sieht die | |
Korruption und diese Haltung, die sie jahrelang vorgelebt bekommen hat: | |
dass es so einfach sei, sich einen BMW oder einen Audi leisten zu können. | |
Ihnen wurde immer vermittelt, dass alles ganz einfach ist. Aber immer auf | |
dem kurzen Weg, der wichtige Werte und Normen umgeht. Das wollen sie nicht | |
mehr. | |
Was wird aus der Bewegung? | |
Ich glaube, das wird noch explodieren. Es gibt schon jetzt viele, denen es | |
schlecht geht. Die spanische Gesellschaft ist sehr ruhig, manchmal wirkt | |
sie eingeschlafen. Dann heißt es immer, es wird schon gut gehen, wir werden | |
schon durchkommen. Aber wenn es so ans Fundament geht und die Leute merken, | |
was es heißt, dass die nächsten zwei Generationen verschuldet sein werden, | |
also die jetzige Jugend und deren Kinder, dann werden sie wollen, dass sich | |
etwas grundlegend ändert. | |
30 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Frauke Böger | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Tribüne | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Eloge auf Spaniens EM-Sieg: Finale grande | |
Spanien ist Europameister und damit hat der Fußball gewonnen. Die Spanier | |
schaffen es, dass alle Welt nur einzig und allein über ihr Spiel redet – | |
zur Krise kein Wort. | |
Spanien ist Europameister: Spanien, wer sonst? | |
Ein großartiges Finale endet mit einem verdienten Sieger. Denn dort, wo | |
andere das Limit erreicht haben, kann Spanien immer noch eins drauflegen. | |
Und ein Ende ist nicht in Sicht. | |
Experte über spanische Immobilienblase: „Endlich platzt die Blase“ | |
Bislang haben die Spanier jahrzehntelang gespart, um die eigene Wohnung | |
abzubezahlen. Das lohnt jetzt nicht mehr - und das ist gut so. |