# taz.de -- Kolumne Ostwärts immer: Ein stinknormales Land | |
> Für die Polen war es kein Sommermärchen. Aber das ist egal. Auch ohne | |
> Fußball bleiben die Polen ein stolzes Volk. | |
Das Spektakel ist vorbei. Es hat Polen 25 Milliarden Euro gekostet. Das war | |
das teuerste Fest, das sie jemals gefeiert haben. Die Polen haben dafür 6,5 | |
Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts ausgegeben, in der Ukraine war der | |
Anteil sogar noch höher. | |
Polen wollte glänzen. Das haben sie sich etwas kosten lassen. Der | |
ökonomische Nutzen ist freilich kaum messbar, das sagen Wirtschaftsprüfer | |
wie das Londoner Institut Capital Economics in regelmäßigen Abständen. Wenn | |
Jobs entstehen, dann nur zeitweise, außerdem sind sie schlecht bezahlt. Von | |
Dauer sind wenigstens die Stadien, die neuen Straßen und Trassen. | |
Der Wert dieser Wahnsinnsinvestition in der Höhe eines Verteidigungs- oder | |
Kulturetats liegt vor allem im Emotionalen. Es geht um Stimmungen, um den | |
Selbstwert einer Nation, um Imagewerte im Ausland. Für Deutschland war die | |
WM 2006 die beste Tourismuswerbung, die es jemals gegeben hat. | |
Und für Polen? Ein Sommermärchen ist aus ihrer EM nicht geworden, dafür war | |
das Wetter zu schlecht, die Mannschaft zu schwach, das Vorrundenaus als | |
Gruppenletzter zu bitter. Dass sie bereit gewesen wären für einen | |
nationalen Fußballrausch, ließ sich in den ersten zwei Wochen dieser | |
Europameisterschaft erahnen, als die Fanzonen bei den polnischen Spielen | |
überquollen, Mädchen auf Autos tanzten und überall der Schlachtruf erklang: | |
„Polska, Bialo czerwony“. | |
## Die Welt kann jetzt wieder gehen | |
Dann erlosch die Begeisterung. Die Fußballkneipen leerten sich. Die Polen | |
hatten ihre Autos mit Fähnchen und Spiegelsocken geschmückt, wie das jetzt | |
woanders auch üblich ist, aber es schien, dass sie das Fußballfantum von | |
Anfang an nicht mit jenem Ernst betrieben wie andere Nationen. | |
Die Polen sind raus? Und wenn schon, davon geht die Welt nicht unter. Das | |
ist ein sympathischer Zug, denn sie brauchen den Fußball ganz | |
offensichtlich nicht, um sich als wertvolles Mitglied der | |
Staatengemeinschaft zu fühlen. | |
Das Nationalteam enttäuscht? Ach was, wir hatten eh nix anderes erwartet | |
von denen. Auch die ständig wachsende Überhöhung des Fußballs konnte vielen | |
Polen wurscht sein. Auch wenn der Ball nicht rollt, sind und bleiben sie | |
ein stolzes Völkchen. Die Welt war bei ihnen zu Gast? Gut und schön, aber | |
die Welt kann jetzt ruhig wieder nach Hause fahren, wir kommen auch ohne | |
sie gut zurecht. | |
Und was hat die Welt in Polen nun gesehen? Vor allem ein stinknormales | |
europäisches Land, das in den angesagten Großstädten so teuer wie Berlin | |
ist, das sich vom Ostblock-Stigma gelöst hat und das fast alle Klischees, | |
die kursierten, widerlegen konnte. Dafür hat jeder Pole direkt oder | |
indirekt etwa 650 Euro gezahlt – mehr als das Doppelte des monatlichen | |
Durchschnittseinkommens. | |
2 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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