# taz.de -- Turing-Test zum Turing-Jahr: Zu einem knappen Drittel menschlich | |
> Immer wieder werden Chatbots dem Turing-Test unterzogen. Sie werden dabei | |
> zunehmend besser, menschliche Kommunikation nachzuempfinden. | |
Bild: Funfact: Nicht wenige Menschen aus der Kontrollgruppe werden beim Turing-… | |
Ende Juni jährte sich der 100. Geburtstag des Computerpioniers Alan Turing, | |
der unter anderem die Verschlüsselungsmaschine „Enigma“ der Nazis | |
austrickste und 1954 im Alter von nur 41 Jahren Selbstmord beging, weil die | |
britische Regierung ihn aufgrund seiner Homosexualität verfolgte und er mit | |
einer Östrogentherapie entstellt wurde. | |
Auf den genialen Frühinformatiker geht auch der sogenannte Turing-Test | |
zurück: Mit diesem im Jahre 1950 erdachten Verfahren soll sich prüfen | |
lassen, wie nah ein System der künstlichen Intelligenz menschliches | |
Denkvermögen emulieren kann. | |
Dabei kommen sogenannte Chatbots zum Einsatz, die möglichst naturgetreu auf | |
ein Frage- und Antwort-Spiel eines menschlichen Gegenübers reagieren | |
sollen. Anschließend muss der Juror bewerten, ob er nun mit einem Menschen | |
oder mit einem Computer kommuniziert hat. | |
## 150 Testgespräche | |
Pünktlich zum [1][Jubiläum] fand nun auch der bislang größte Turing-Test | |
statt: An historischem Ort, in Bletchley Park in der Nähe der britischen | |
Stadt Milton Keynes, wo Alan Turing während des Zweiten Weltkrieges den | |
„Enigma“-Code knackte. 30 Juroren um die Forscherin Huma Shah von der | |
University of Reading prüften insgesamt fünf besonders gute | |
Chatbot-Programme in 150 einzelnen Gesprächen. | |
Zum Vergleich: Beim Loebner Prize, der regelmäßig 5000 US-Dollar und eine | |
Wandermedaille vergibt, nehmen normalerweise nur vier menschliche Juroren | |
an, die vier Chatbots bewerten müssen. | |
Als Testgruppe nahmen auch noch 25 menschliche Chatpartner teil. Laut | |
Turings Regeln legt eine Maschine den Test erfolgreich ab, wenn es ihr in | |
30 Prozent der Fälle gelingt, ihrem Gegenüber weiszumachen, dass es sich um | |
einen Menschen handelt. Einem der fünf Chatbots, [2][Eugene Goostman] des | |
Anbieters Princeton AI, gelang dies zu erstaunlichen 29 Prozent. | |
## Eine festgelegte Persönlichkeit als Trick | |
Vermutlich liegt dies an einem Trick, den sein Erfinder Vladimir Veselov | |
aus New Jersey, anwendete: Während andere der teilnehmenden Chatbots sich | |
an dem orientierten, was Menschen früher gesagt haben (einer der Bots | |
durchforstet sogar den Kurznachrichtendienst Twitter), wurde für Eugene | |
Goostman eine genaue Persönlichkeit festgelegt. | |
Es handelt sich um einen 13jährigen Jungen aus der ukrainischen Stadt | |
Odessa, dessen Vater ein Arzt ist. Diese Rolle gibt dem Chatbot die | |
Möglichkeit, den Nutzer emotional zu packen – ihm wird eine Geschichte | |
erzählt, während das Frage- und Antwort-Spiel läuft. Die beiden zweit- und | |
drittplatzierten Konkurrenten, der [3][Jfred-Chat-Server] und der | |
[4][Cleverbot], versuchen dagegen, „alles für alle“ zu sein. | |
Man mag sich fragen, ob ein Chatbot wirklich „intelligent“ sein kann. Für | |
Turing hatte das stets mit der Fähigkeit zu tun, Menschen davon zu | |
überzeugen, dass „man“ keine Maschine ist. Der IT-Pionier glaubte daran, | |
dass es bis zum Jahr 2000 gelingen könnte, die 30-Prozent-Quote zu | |
erreichen. | |
Mit 29 Prozent und 12 Jahren Verzögerung lag er knapp daneben. Allerdings | |
muss nun noch getestet werden, wie gut Eugene Goostman abschneiden würde, | |
wenn man dem Chatbot seine Persönlichkeit nähme und er allein anhand der | |
Erkennungs- und Antwortroutinen überprüft würde. Einer der Juroren zeigte | |
sich überzeugt, dass die Persönlichkeit durchaus dabei geholfen habe, die | |
Jury zu überzeugen. | |
Ein Gewinner des „großen“, also vollständigen, Turing-Tests dürfte | |
unterdessen noch länger auf sich warten lassen. Dabei soll der Computer | |
nicht nur auf Texteingaben korrekt und menschenartig reagieren, sondern | |
auch auf die Mimik und Gesichtszüge des per Videobild zugeschalteteb | |
Gegenübers. Gearbeitet wird schon längst daran: Mittlerweile werden | |
Laborroboter getestet, die Emotionen erkennen und ihr Verhalten der | |
Stimmung des Benutzers anpassen können. | |
4 Jul 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.turing100.manchester.ac.uk/ | |
[2] http://www.princetonai.com/bot/bot.jsp | |
[3] http://www.robitron.com | |
[4] http://cleverbot.com/ | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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