# taz.de -- Mehr Macht für die Großaktionäre: Praktiker-Baumarkt beginnt San… | |
> Die Anteilseigner haben sich geeinigt, damit kann der Umbau der | |
> Baumarktkette Praktiker beginnen. Das Ziel: „weg vom Preisaktionismus“ | |
> hin zum „dauerhaft niedrigen Regalpreis“. | |
Bild: Praktiker: trotz absolut brillianter Preispolitik in Schieflage geraten. | |
HAMBURG dpa | Die angeschlagene Baumarktkette Praktiker will nach der | |
Abwendung einer drohenden Insolvenz ihre Sanierung vorantreiben. Im August | |
sollen die ersten sieben Märkte der aktuell 234 blauen Filialen auf die | |
prestigeträchtigere Marke Max Bahr umgestellt werden. Das kündigte | |
Vorstandschef Kay Hafner an. Außerdem muss er einen für das Überleben | |
notwendigen Darlehensvertrag mit den US-Investoren Anchorage Capital Europe | |
unter Dach und Fach bringen. | |
Die Aktionäre hatten in der Nacht zum Donnerstag auf der Hauptversammlung | |
nach kontroverser Debatte schließlich grünes Licht für die Kapitalspritze | |
gegeben. Sie sieht eine Kapitalerhöhung im Umfang von 60 Millionen Euro | |
vor. Diese ist Voraussetzung für das Darlehen von 85 Millionen Euro. Die | |
Vorstände hatten vor einer Pleite gewarnt, sollten die Aktionäre ihre | |
Zustimmung verweigern. Praktiker schrieb 2011 im Konzern rund eine halbe | |
Milliarde Euro Verlust. Die Börse honorierte die positive Abstimmung am | |
Donnerstag zunächst mit einem kräftigen Kursaufschlag des SDax-Papiers. | |
„Wir werden genau schauen, was nun wirklich passiert“, sagte Dirk Unrau von | |
der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz am Donnerstag der | |
Nachrichtenagentur dpa. Mit den Erklärungen der Vorstände zeigte sich der | |
DSW-Vertreter insgesamt unzufrieden, besonders damit, dass der | |
Anchorage-Darlehensvertrag zur Hauptversammlung noch nicht ausverhandelt | |
war. Darum will er auch die Beschlüsse der Sitzung prüfen und falls | |
notwendig klagen. | |
Die Kehrtwende auf dem turbulenten Aktionärstreffen wurde eingeleitet, als | |
die Großaktionäre einlenkten. Deren Fondsmanagerin Isabella de Krassny | |
stimmte der Kapitalspritze zähneknirschend zu. „Ich habe mich zu dem | |
Kompromiss entschlossen, damit der Fortbestand des Unternehmens auf keinen | |
Fall gefährdet ist.“ Sie vertritt den zypriotischen Finanzfonds Maseltov | |
(zehn Prozent Anteil) sowie die österreichische Privatbank Semper | |
Constantia mit rund fünf Prozent. | |
Auf jeden Fall sieht de Krassny die Großaktionäre gestärkt. Denn sie setzte | |
den Rücktritt von zwei Praktiker-Aufsichtsratsmitgliedern durch und | |
bestückt das Gremium nun mit eigenen Kandidaten. Namentlich sind dies der | |
Handelsmanager Armin Burger vom Aufsichtsrat der Vivatis AG in Linz | |
(Österreich) sowie der Aufsichtsratschef der Privatbank Semper, Erhard | |
Grosnigg. Dafür scheidet Kay Hafner aus dem Kontrollgremium aus, der an die | |
Praktiker-Spitze delegiert worden war. Ebenso geht das Mitglied Ebbe Pelle | |
Jacobsen. | |
## Miserable Zeugnisse für die Führungskräfte | |
Auch Interims-Vorstandschef Hafner soll nach de Krassnys Willen ersetzt | |
werden - vom früheren Obi-Baumarktchef in Deutschland, Andreas Sandmann. | |
„Er ist vom Fach“, sagte de Krassny. Der gesamte Aufsichtsrat wurde von den | |
Aktionären für das Geschäftsjahr 2011 nicht entlastet. Auch die früheren | |
Vorstände fielen bis auf einen durch. Für die aktuelle Unternehmensführung | |
sollen weitere Mitglieder gesucht werden, für die Sparten Einkauf sowie | |
Vertrieb. | |
Praktiker braucht nach Angaben des Vorstands insgesamt mehr als 200 | |
Millionen Euro Finanzmittel. Interimschef Hafner sagte: „Es geht um die | |
Zukunft, oder noch konkreter: Es geht ums Überleben.“ In die geplante | |
Finanzierung der Sanierung hat der Vorstand auch 70 Millionen Euro | |
eingerechnet, die aus Veräußerungen sowie einer Kreditlinie über 40 | |
Millionen Euro kommen sollen. | |
Hafner plant, 120 der 234 Praktiker-Märkte auf die angesehenere | |
Schwestermarke Max Bahr umzuflaggen, 27 allein in diesem Jahr. Max Bahr | |
(aktuell 78 Filialen) soll zur „Hauptvertriebslinie in Deutschland“ | |
weiterentwickelt werden. Auch die Marke Praktiker soll - mit der Strategie | |
„weg vom Preisaktionismus“ hin zum „dauerhaft niedrigen Regalpreis“ - | |
zukunftsfähig werden. Spätestens 2014 will Hafner mit der | |
Zwei-Marken-Strategie schwarze Zahlen schreiben. | |
Aktuell hat Praktiker rund 7700 Arbeitsplätze, Max Bahr knapp 2.900. Rund | |
8.300 kommen im Ausland hinzu, wo 111 Filialen ebenfalls auf den Prüfstand | |
stehen. Der Interimschef denkt sogar schon über 2014 hinaus und will nach | |
dem „Turnaround“ wieder maßvoll expandieren. Falls sein Konzept dann noch | |
Bestand hat. | |
5 Jul 2012 | |
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Praktiker | |
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