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# taz.de -- Der letzte Tag: Schlecker macht dicht
> Die letzten Filialen sind zu, nun sind weitere 379 Mitarbeiterinnen ohne
> Job. Von ihren im März entlassenen Kolleginnen haben nur wenige neue
> Arbeit.
Bild: Schotten dicht. Seit Donnerstag ist Schlecker Geschichte.
Eigentlich sollten die Schlecker-Filialen bis zum heutigen Freitag um 15
Uhr geöffnet haben. Angebote von bis zu 90 Prozent Preisnachlass haben die
Regale jedoch schneller geleert als erwartet. Die Filiale am Mariendorfer
Damm schloss schon am Dienstag die Pforten. In den restlichen Läden gingen
Mittwoch die Lichter aus, nachdem vorher alle Produkte ohne Preisbindung
für 20 Cent verramscht worden waren.
Damit ist ein großer Teil der ehemals 714 Berliner Schlecker-Verkäuferinnen
arbeitlos. Den ersten 335 von ihnen wurde im März gekündigt – überwiegend
Vollzeitbeschäftigte. Bereits im Januar dieses Jahres hatte das 1975 von
Anton Schlecker gegründete Unternehmen Insolvenz angemeldet, verhandelte
jedoch weiter mit den Gläubigern. Anfang Juni scheiterten die Verhandlungen
endgültig. Bundesweit hat die insolvente Drogeriekette etwa 2.800 Filialen
betrieben. Die verbliebenen 13.200 Verkäuferinnen werden ab kommenden
Montag freigestellt und später gekündigt. Berlins Justizsenator Thomas
Heilmann (CDU), der als Vermittler der Bundesregierung an der
Karstadt-Rettung beteiligt war, sagte im taz-Interview, dass „man
vielleicht auch einen Kern von Schlecker“ hätte erhalten können, wenn die
Verantwortung auf viele Schultern verteilt worden wäre.
Laut Senatsverwaltung für Arbeit hätten 130 der im März gekündigten
Schlecker-Mitarbeiterinnen aus Berlin wieder einen Job gefunden oder nehmen
an einer Weiterbildung teil. Jetzt kommen 379 Entlassungen hinzu, daher
gelte es, „am Ball zu bleiben, um allen Frauen den Weg in eine neue
berufliche Zukunft zu ermöglichen“, so Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD).
Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der
Bundesagentur für Arbeit, fordert Geduld: „Wir haben den Beschäftigten
nicht nur ein Arbeitsangebot gemacht, sondern mitunter zwei oder drei, die
sie nun prüfen“, sagte er der taz. „Rein vom Arbeitsmarkt her sind die
Aussichten aber gut, einen Job im Einzelhandel zu finden.“
Aktuell sind bei der Arbeitsagentur in Berlin 1.153 offene Stellen im
Einzelhandel gemeldet. Auch Kolat zeigte sich optimistisch: „In diesem
Bereich besteht nach wie vor eine hohe Dynamik, so dass die Chancen auf
eine Vermittlung in Berlin grundsätzlich positiv zu bewerten sind.“ Zuletzt
habe sie mit den Geschäftsführern der Bäcker- und Konditoreninnungen über
mögliche Beschäftigungsmöglichkeiten gesprochen. Angesichts des
Fachkräftemangels in der Kindererziehung oder Altenpflege seien auch
Umschulungen eine Alternative. Kolat forderte daher die Bundesregierung
auf, Umschulungen auch im dritten Ausbildungsjahr zu fördern.
Erika Ritter, Ver.di-Fachbereichs Leiterin für Handel, schätzt die
Situation anders ein: „Der Arbeitsmarkt ist katastrophal. Die offenen
Stellen sind entweder Minijobs oder schlecht bezahlt.“ Statt den 13 Euro
pro Stunde, die bei Schlecker gezahlt wurden, liege der Lohn im
Einzelhandel bei 7 bis 8 Euro. Vollzeitstellen gäbe es kaum. „Umschulungen
sind prinzipiell nichts, dass man schlecht reden sollte“, sagte Ritter. Die
Agenturen hätten aber die Anweisung, primär zu vermitteln statt
umzuschulen. Drei Monate haben die Schlecker-Mitarbeiterinnen nun Zeit,
sich zu entscheiden. Danach ist das Gehalt kein Grund mehr, einen Job
abzulehnen.
Die Zukunft der beiden Tochter-Unternehmen Ihr Platz und Schlecker XL ist
weiterhin offen. Die Drogeriemarkt-Kette dm erklärte, dass sie bis auf die
neun Ihr-Platz-Filialen keine weiteren Läden des insolventen Konkurrenten
übernehmen werde. „Wir wissen nicht, wie es weitergeht“, sagte eine
Schlecker-XL-Verkäuferin der taz. Eigentlich sollte bis Ende Juni eine
Entscheidung auf dem Tisch liegen.
28 Jun 2012
## AUTOREN
Vincent Streichhahn
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