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# taz.de -- Gaucks Kritik an Merkel: Der Oberlehrer und die Nüchterne
> Joachim Gauck rüffelt die Kanzlerin: Sie müsse ihre Politik „sehr
> detailliert“ erklären. Doch seine scheinbar bürgernahe Kritik ist ein
> schlecht getarntes Eigenlob.
Bild: Der eine meckert. Der anderen ist es egal.
Joachim Gauck macht mit seiner jüngsten Äußerung einen sehr billigen Punkt.
Indem er der Kanzlerin aus Bellevue den Tipp gibt, sie müsse die Beschlüsse
zur Eurokrise den Bürgern „sehr detailliert“ erklären, rückt er zunächst
vor allem sich selbst in ein gutes Licht. Schließlich klingt die Forderung
nach mehr Erklärung für die BürgerInnen immer gut, weil sie so schön
demokratisch ist. Außerdem inszeniert sich Gauck einmal mehr als
unabhängiger Kopf, der auch dem Konflikt mit der Kanzlerin nicht aus dem
Wege geht.
Und selbstverständlich sagt Gauck im Subtext noch etwas ganz anderes: Er,
der Bundespräsident, der sich – nicht zu Unrecht – für einen begnadeten
Politikerklärer hält, könnte das natürlich viel besser als Merkel. Die
große Erzählung zu Europa entwickeln, den weiten Bogen schlagen, die Leute
begeistern. Joachim Gaucks Kritik ist deshalb also auch ein schlecht
getarntes Eigenlob.
Doch das unangenehm Oberlehrerhafte ist nicht das Einzige, was an seinen
Sätzen stört. Merkel unzureichende Kommunikation vorzuwerfen ist inzwischen
ein Allgemeinplatz, so oft wurde diese Kritik schon während der Eurokrise
geäußert. Gauck wiederholt also mit großer Geste sehr spät, was viele vor
ihm sagten. Mutig ist das nicht, nicht mal originell, und schon gar nicht
präsidial. Doch ist es wenigstens wahr?
Auch da sind Zweifel angebracht. Zwar muss man die Politik von Schwarz-Gelb
inhaltlich scharf kritisieren. Merkels Europapolitik zeichnet sich vor
allem durch zu langes Zögern aus, durch immer neue Kehrtwenden, durch eine
sture Blockade notwendiger Schritte. Doch dass Angela Merkel ihre Motive
und Folgerungen nicht ausreichend offenlege, stimmt schon längst nicht
mehr.
## Das Instrument Regierungserklärung
Eine wichtige Plattform Merkels zur Erklärung der Krise ist die
Regierungserklärung, in der die Kanzlerin, so die Definition, die Grundzüge
ihrer Politik vor dem Parlament offenlegt. Sie nutzt das Instrument gern
und häufiger als zu Beginn der Krise, allein zu dem EU-Gipfel, den Gauck
detaillierter erklärt haben möchte, sprach sie zweimal im Plenum. In diesen
Reden betont sie – in ihrer nüchternen Art und Weise – immer wieder,
welchen großen Wert sie Europa beimisst. Auch auf einem anderen Feld hat
die schwarz-gelbe Regierung viel gelernt. Sie bemüht sich anders als vor
ein, zwei Jahren, das Parlament genau zu informieren und sachgerecht zu
beteiligen.
Vor drei Wochen gab das Verfassungsgericht einer Klage der Grünen statt und
schrieb der Regierung vor, das Parlament besser zu informieren. Zwar
bewertete die Opposition dies pflichtgemäß als „schwere Blamage“ für
Merkel, doch klang die Aufregung etwas künstlich. Hinter vorgehaltener Hand
räumen nämlich auch Sozialdemokraten und Grüne ein, dass die Regierung
inzwischen redlich über Beschlüsse in Brüssel informiert.
Doch wie es mit Allgemeinplätzen so ist, auch Gaucks Kritik trifft
natürlich einen Punkt. Merkel schafft es nicht, die Bürger mit mitreißenden
Reden für Europa zu begeistern. Sie scheitert in schöner Regelmäßigkeit
damit, ihrer Politik emotionale Wärme oder einen großen Überbau zu geben.
Stattdessen klingen ihre Reden, als habe jemand einen Aktenordner vertont.
Und selbst gestandene Agenturjournalisten verzweifeln daran, den
Merkel’schen Schachtelsätzen die Nuance einer Nachricht abzuringen.
Sollte Gauck auf dieses Manko angespielt haben, so wäre dies eine wohlfeile
Analyse. Merkel wird sich in ihrer Kanzlerschaft nicht mehr in eine
mitreißende Rhetorikerin verwandeln, so sehr man dies bedauern mag. Gerade
der emotionale Gauck, der gern mal ein Tränchen verdrückt, müsste um
gewisse Unabänderlichkeiten des eigenen Naturells wissen.
9 Jul 2012
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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