# taz.de -- Rechtsextremismus-Forschung in Jena: Die Terrorzelle als akademisch… | |
> Ein Zentrum gegen Rechtsextremismus sollte nach dem NSU-Skandal an der | |
> Uni Jena eingerichtet werden. Doch die Gründung wurde auf unbestimmte | |
> Zeit verschoben. | |
Bild: Soll über Rechtsextremismus forschen, tut es aber noch nicht: Uni Jena. | |
LEIPZIG taz | Im Februar dieses Jahres wollte die Universität Jena ein | |
Zeichen setzen. Gerade war bekannt geworden, dass die Mitglieder des | |
Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) samt Unterstützern aus der Jenaer | |
Naziszene hervorgegangen waren. Deshalb dürfe auf die Uni nicht „der | |
Schatten zu geringen Engagements gegen Rechtsradikalismus fallen“, erklärte | |
die Hochschule damals. Ein Kompetenzzentrum solle die | |
Rechtsextremismusforschung in Jena bündeln. | |
Was daraus geworden ist? Tja. Einen Monat, nachdem dieses Zentrum seine | |
Arbeit aufnehmen sollte, kann die Universitätsleitung immer noch keine | |
Angaben zur inhaltlichen Ausrichtung sowie zur personellen und finanziellen | |
Ausstattung machen – und geht sogar einen Schritt rückwärts. In einer | |
aktuellen Presseerklärung heißt es, die Gründung des Zentrums werde auf | |
unbestimmte Zeit verschoben, bis alle „organisatorischen Fragen geklärt | |
sind“. | |
Denn die Forschung zum Thema sei an der Uni „wesentlich umfangreicher als | |
angenommen“ ließ Uni-Rektor Klaus Dicke formulieren. Was er damit meint, | |
steht dahin. Die Internetseiten der Hochschule verraten Folgendes: Das | |
Projekt „Rechtsextremismus(-potenzial) im lokalen Kontext“ wurde im April | |
am Institut für Soziologie unter der Leitung von Klaus Dörre neu gestartet. | |
Der Extremismusforscher Eckhard Jesse war im Juni einmal mit einem Vortrag | |
zum NPD-Verbot zu Gast. Klaus Dörre, Professor für Soziologie, verteidigt | |
den Forschungsstandort Jena: „Wir können sehr nah an der Basis forschen, | |
schließlich wurden die NSU-Mörder in der hiesigen Naziszene politisiert.“ | |
Doch kam der Vorstoß der Friedrich-Schiller-Universität für viele | |
Rechtsextremismus-Experten überraschend. Gemessen an den bisherigen | |
Aktivitäten wäre der Standort Jena kaum die erste Adresse für ein | |
Kompetenzzentrum. Zudem hatte die Universitätsleiter Dicke die Einrichtung | |
eines Lehrstuhls für Rechtsextremismus und Demokratieforschung schon | |
zweimal abgelehnt: 2010 und Ende 2011, kurz nachdem die Taten der Zwickauer | |
Terrorzelle aufflogen. | |
Ein Lehrstuhl wäre ebenso wie ein Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus in | |
Deutschland ein Novum. Bisher gibt es bundesweit sehr wenige Hochschulen | |
und Institute, an denen die diesbezügliche Forschung fest verankert ist. | |
Die Fülle wissenschaftlicher Publikationen verdankt sich vor allem dem | |
Engagement einzelner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus | |
Soziologie und Politikwissenschaft. | |
## Zwei „Schulen“ konkurrieren | |
Auch an der Uni Jena konkurrieren dabei die zwei unterschiedlichen | |
„Schulen“. Auf der einen Seite wird die „Extremismusforschung“ maßgebl… | |
vom Chemnitzer Politikwissenschaftler Eckhard Jesse und von Uwe Backes vom | |
Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung beeinflusst. | |
Sie sucht nach Gemeinsamkeiten der sogenannten Extreme links wie rechts. | |
Das Forschungsdesign des Projekts (LiRex) zu links- und rechtsextreme | |
Einstellungen an der Universität Jena orientiert sich an dieser | |
Denkrichtung, befindet sich laut dessen Leiter Michael Edinger aber seit | |
2010 in der Auswertung. | |
Auf der anderen Seite untersucht die soziologische | |
Rechtsextremismusforschung Einstellungsmuster in der Breite der | |
Bevölkerung. Der Bielefelder Forscher Wilhelm Heitmeyer hat in diesem | |
Zusammenhang den Begriff der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit | |
geprägt. Gemäß diesem Ansatz erforscht in Jena auch Klaus Dörre | |
Rechtsextremismus-Potenziale. | |
Andrea Huebler von der Opferberatung RAA Sachsen würde es begrüßen, wenn | |
die Wahrnehmung und Besonderheiten rechter Gewalt kontinuierlich durch | |
„unabhängige Forschung“ untersucht würden. „Wir sammeln im Alltag jede | |
Menge Information von rechten Übergriffen bis zur strafrechtlichen | |
Verfolgung der Täter.“ Gelegentlich würden diese Daten in Diplom- oder | |
Doktorarbeit verwertet, erzählt Hübler. „Letztlich ist die Forschung aber | |
von glücklichen Zufällen abhängig.“ Jena gehört bislang nicht dazu. | |
13 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Jennifer Stange | |
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