# taz.de -- Kommentar Korruption bei der Fifa: Kein Kalif anstelle des Kalifen | |
> Sepp Blatter ist ein unangenehmer Zeitgenosse. Aber es reicht nicht, ihn | |
> durch einen anderen Funktionär zu ersetzen. Das Problem hat System – und | |
> reicht bis in die deutsche Provinz. | |
Reinhard [1][Bütikofer] hat eine Idee: Wegen der erheblichen | |
[2][Bestechungsvorwürfe] soll Joseph Blatter das Bundesverdienstkreuz | |
aberkannt werden. Ähnlich wie der grüne Europapolitiker sehen es Thomas | |
[3][Oppermann] von der SPD, Wolfgang [4][Neskovic] von der Linkspartei und, | |
wenngleich etwas verklausuliert formulierend, Wolfgang [5][Bosbach] von der | |
CDU. | |
Nimmt man für einen Moment an, dass das Bundesverdienstkreuz tatsächlich | |
eine Auszeichnung für ehrenwerte Taten ehrenwerter Menschen ist und | |
vergisst, was es jahrzehntelang war, nämlich ein Stück Blech, mit dem | |
vormalige Parteigenossen in den Ruhestand verabschiedet wurden, möchte man | |
einwenden: Wie zum Teufel ist Blatter überhaupt zu diesem Orden gekommen? | |
Wusste man nicht, was das für einer ist? | |
Man wusste es, natürlich. Aber das zählte im Sommer 2006, als ihn Angela | |
Merkel zum [6][Dank] für das „Sommermärchen“ auszeichnete, nicht. Gern | |
übersah man, dass Blatters Weg spätestens seit seiner – mutmaßlich mit | |
gekauften Stimmen erfolgten – [7][Wahl] zum Fifa-Präsidenten im Juni 1998 | |
von etlichen aktenkundigen Skandalen (wie den Vorgängen um den | |
Rechtevermarkter ISL) oder vermuteten Anrüchigkeiten (wie der Vergabe der | |
Weltmeisterschaften 2018 bzw. 2022 an [8][Russland und Katar]) | |
[9][begleitet] ist. | |
## Noch dreister, noch hässlicher | |
Dabei ist Blatter nicht der Schurke, der einen zuvor anständigen Verband | |
ruiniert hätte. Auch unter dessen Vorgänger João Havelange, der Ende | |
vergangenen Jahres wegen erwiesener Korruption aus dem Internationalen | |
Olympischen Komitee [10][zurücktreten] musste, stand es um die Kassen der | |
Fifa glänzend und die Sitten lausig. Unter Blatter wurde alles nur noch | |
dreister, noch hässlicher – und noch [11][offensichtlicher]. | |
Wie er sich dennoch so lange halten konnte? Weil es im Weltfußball keine | |
Mechanismen gibt, die einem solchen Zampano irgendwann den Garaus machen | |
würden. | |
Die Fifa ist ein Monopol, und um die Kontinentalverbände ist es nicht viel | |
besser bestellt als um den Weltverband. Und vielleicht nicht unbedingt in | |
Sachen Korruption und [12][Vetternwirtschaft], wohl aber im Hinblick auf | |
die innere Verfasstheit sieht es in den Mitgliedsverbänden ähnlich aus. | |
Auch der Deutsche Fußball-Bund wird von einer kleinen | |
[13][Funktionärsclique] geführt; Transparenz und Demokratie sind dem DFB | |
ebenfalls fremd – ebenso dessen fünf Regionalverbänden und deren zwanzig | |
Landesverbänden. So betrachtet ist der Fußballverband Niederrhein, der seit | |
1989 vom selben Präsidenten geführt wird, auch nur eine Fifa im Kleinen. | |
Und eben weil der organisierte Fußball bis in seine Kapillare derart | |
autoritär verfasst ist, kann Blatter mit einer aristokratischen | |
Gelassenheit sagen: „Rücktrittsforderungen sind wie meteorologische | |
Ereignisse, die gibt es immer wieder.“ | |
Dass er sich immer wieder gegen interne Widersacher durchsetzen musste, | |
widerspricht diesem Befund nicht, im Gegenteil. Denn diese Konkurrenten – | |
2002 der Kameruner Issa Hayatou, [14][2011] der Katarer Mohammed bin Hammam | |
– waren vormalige Weggefährten, die selbst unter [15][Korruptionsverdacht] | |
standen. | |
Mit dem Uefa-Präsidenten [16][Michel Platini] könnte sich bald der nächste | |
Ex-Zögling finden, der Kalif anstelle des Kalifen werden will. Etwas ändern | |
würde sich im Weltfußball freilich erst, wenn keiner Kalif anstelle des | |
Kalifen wird, sondern das Kalifat ganz abgeschafft wird. Und das beginnt | |
zum Beispiel beim DFB. Oder beim Fußballverband Niederrhein. | |
17 Jul 2012 | |
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## AUTOREN | |
Deniz Yücel | |
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Fußball-WM 2014 | |
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