| # taz.de -- Songwriterin Eleni Mandell: Mit einer Extraportion Hall | |
| > Nicht überragend, aber doch solide genug für eine Empfehlung klingt das | |
| > sechste Album Eleni Mandells. Da wäre durchaus mehr Potential drin | |
| > gewesen. | |
| Bild: Sechs Alben schon und noch nicht in der Werbung angekommen: Eleni Mandell. | |
| Nachdem es schon mehrmals in der Vergangenheit so ausgesehen hatte, als ob | |
| die Spezies der singenden Songwriterin ausstürbe, kann man jetzt vermelden, | |
| dass sich die Bestände gut erholt haben. Fast zu gut, könnte man meinen, | |
| angesichts all der jungen Damen, die einem mit Kleinmädchenstimme aus | |
| Telefonie- oder Trinkjoghurt-Reklamefilmen zu zarter Ukulelebegleitung ihre | |
| Erkenntnisse zu den letzten Dingen oder die neuesten Nachrichten aus ihrem | |
| dramatischen Privatleben zuzwitschern. | |
| Man könnte daraus die Konsequenz ziehen und die Schonzeit aufheben: | |
| Singende Songschreiberinnen, ab jetzt wird gemeckert! Erstes Opfer: Eleni | |
| Mandell. Aus Kalifornien, wo ihre Genossinnen in den siebziger Jahren die | |
| ideale ökologische Nische fanden und sich über die Welt auszubreiten | |
| anschickten. | |
| Schon sechs Alben schwer, aber noch nicht in der Werbung gelandet. Das | |
| macht sie sympathisch, gibt aber auch Anlass zur Sorge. Droht das | |
| Karriereende aus materiellen Gründen? Neues, siebtes Album in den | |
| Schlitten, erster Song – schon kommt die Meckermaschine auf Touren. | |
| Dur-Akkord im sattsam bekannten Fingerpicking-Muster, unschuldig-reine | |
| Hauchstimme, ein schwebender Sound im Hintergrund, der so verhallt ist, | |
| dass man nicht weiß, ob es eine Steelgitarre oder ein Keyboard ist, und | |
| dann der erste Satz: „I want to fall in love again“ – Na, das hätte auch | |
| Ingrid Michaelson banaler und klischeehafter nicht hinbekommen. Es scheint, | |
| als hätte … – Aus, Meckermaschine! Test bestanden. Ja, der erste Song ist | |
| schwach. Es ist auch noch der Titelsong „I can see the Future“. | |
| Vor allem blöd produziert, als wäre der Produzent in die bekannte Falle | |
| getreten, einen schwachen Song mit einer Extraportion Reverb retten zu | |
| wollen. Also blöder Produzent? Nun ja, Joe Chiccarellis CV ist | |
| durchwachsen: Tori Amos, Beck, Jamie Cullum, Oingo Boingo … Hinreißender | |
| Produzent: Song 2 hat er ganz exquisit hinbekommen. Spätestens mit dem | |
| Einsatz der von Nathaniel Walcott (Bright Eyes) arrangierten Streicher geht | |
| in „Magic Summertime“ die Sonne auf. | |
| Das lässige Gepolter von Schlagzeuger Joey Waronker harmoniert exzellent | |
| mit Elenis laszivem Gesang, das Vibrafon, die twangige Rhythmusgitarre und | |
| die Chor-Harmonien geben zusammen mit dem C-a-d7-G-Akkordschema dem Ganzen | |
| einen leicht vernebelten Retro-Charme. Damit könnte man den Text schon fast | |
| beenden. | |
| Die restlichen Songs verunglücken weder so schwer wie der Eröffnungssong, | |
| noch entschweben sie in solche Höhen wie der zweite. Sie sind irgendwie | |
| dazwischen. Ganz schön. Grundsätzlich sind die arrangierteren Titel die | |
| besseren, immer wieder kommt eine nicht ganz fassbare Erinnerung an die | |
| frühen Sechziger auf, Patsy Cline, aber auch Jackie DeShannon, gar Helen | |
| Shapiro oder The Fleetwoods. | |
| Wenn Elenis Stimme und ihr Songwriting auf sich gestellt sind, zeigen sich | |
| die Grenzen ihrer Kunst und Suzanne Vega und Nanci Griffith blicken um die | |
| Ecke. Positiv formuliert: Alles erblüht aufs Prächtigste, wenn die | |
| Streicher, die Bläser, der Backgroundchor, die twangigen Gitarren und die | |
| Vintage-Keyboards dazukommen und sich so ein üppig-spätsommerlicher | |
| luxuriös-melancholischer Sound aufschichtet. | |
| Werden Eleni und Chiccarelli jedoch zu nassforsch, etwa mit der | |
| ultraverzerrten Gitarre in „Crooked Man“ oder dem Blech-Snare-Sound in „B… | |
| In The Oven“, kann’s auch mal albern werden. Und man möge ihnen das | |
| Hallgerät wegnehmen. | |
| Übrigens, Eleni Mandell hat für schlechte Zeiten ein zweites Eisen im | |
| Feuer: das Trio The Living Sisters mit ihren kalifornischen Kolleginnen | |
| Becky Stark und Inara George. Letztere, Tochter von Lowell George, dem 1979 | |
| verstorbenen Gründungschef der immer noch aktiven Jam-Band-Legende Little | |
| Feat, hat sogar drei Eisen im Feuer: besagtes Trio, ein Duo namens The Bird | |
| And The Bee, das immerhin bei Blue Note unter Vertrag ist, und ihre | |
| Solokarriere. Im Jahr 2008 veröffentlichte sie das Album „An Invitation“, | |
| das ihr der Maestro Van Dyke Parks komplett mit Orchesterarrangements | |
| ausstattete. An diese Höhen ragt Eleni Mandell aber nicht heran. So viel | |
| Meckern muss gestattet sein. | |
| Eleni Mandell: „I Can See The Future“ (Make My Day Records/Alive) | |
| 19 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Detlef Diederichsen | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Kalifornien | |
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