# taz.de -- Trivial Pursuit: Die Elbphilharmonie: Es geht voran, irgendwie | |
> Nach Monaten des Stockens und der Streitereien soll das Konzerthaus am | |
> Hamburger Hafen nun weitergebaut werden. Vielleicht - denn sicher ist das | |
> nicht. Die taz beantwortet die wichtigsten Fragen | |
Bild: Soll - nach derzeitigem Stand - im August 2015 fertig sein: die Baustelle… | |
HAMBURG taz | Nach dem Ablauf zweier Ultimaten, etlichen Verzögerungen, | |
Klagen und mehr oder weniger öffentlichen Anfeindungen haben die Stadt | |
Hamburg und der Baukonzern [1][Hochtief] sich auf einen Neuanfang geeinigt: | |
Die Elbphilharmonie soll weitergebaut werden und die Kommunikation unter | |
den Beteiligten besser werden. Soll. Die wichtigsten Fragen haben wir – | |
nebst Antworten – zusammengetragen. | |
Warum stockt der Bau seit acht Monaten? | |
Weil sich der Baukonzern Hochtief weigert, das Dach des großen Konzertsaals | |
abzusenken. Ohne das kann nicht weitergebaut werden, weil darauf Pfosten | |
des darüber liegenden Gebäudeteils ruhen sollen. Grund für die Weigerung: | |
Hochtief befürchtet, dass die Statik nicht hält und will deshalb | |
zusätzliche Stahlstützen anbringen, die die Stadt zahlen soll. Die Stadt | |
dagegen hält die Statik für sicher, will Hochtief aber nicht die | |
entsprechenden Pläne geben und für Zusatz-Stützen zahlen schon gar nicht. | |
Wie fand die Stadt den Stillstand? | |
Gar nicht gut. Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) forderte | |
mehrmals: „Keine Spielchen mehr“, und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) | |
stellte Hochtief zwei Ultimaten für die Absenkung des Dachs. Andernfalls | |
wollte er den Vertrag kündigen und die Elbphilharmonie durch die städtische | |
Realisierungsgesellschaft zu Ende bauen lassen. Das erste Ultimatum | |
verstrich zum 31. Mai ohne Wirkung, das zweite – bis zum 4. Juli – war | |
erfolgreich: Hochtief will jetzt weiterbauen. | |
Was ist jetzt anders als vorher? | |
Hochtief baut das Dach auf eigene Verantwortung zu Ende. Der Konzern kann | |
also nach Gutdünken Zusatz-Stützen einbauen. Die Stadt mischt sich nicht | |
ein, – zahlt aber auch nicht dafür. | |
Und wenn das Dach doch nicht hält? | |
Um das gegebenenfalls rechtzeitig zu bemerken, wird während des Absenkens | |
ständig die Lastenverteilung gemessen. Sollte es irgendwo knirschen, | |
informiert Hochtief die Stadt und trifft Verstärkungsmaßnahmen, die dann | |
aber die Stadt bezahlen müsste – schließlich hält sie die Statik ja für | |
unfehlbar. | |
Welche neuen Termine gibt es? | |
Hochtief wird die Gebäudehülle – Fassade und Dach – bis Juli 2013 fertig | |
bauen. Die Gesamt-Elbphilharmonie soll im August 2015 fertig sein, das wäre | |
fünf Jahre später als ursprünglich geplant. | |
Bekommt Hochtief zur Belohnung fürs Weiterbauen frisches Geld von der Stadt | |
– so wie 2008, als 30 Millionen „Einigungssumme“ flossen? | |
Nein. Die Stadt stellt Hochtief im Gegenteil 40 Millionen Euro Strafzahlung | |
wegen zweijährigen Bauzeitverzugs in Rechnung. Hochtief seinerseits wird | |
vermutlich rund 100 Millionen Euro Mehrkosten einfordern, die aber noch | |
nicht konkretisiert wurden. Welche davon gerechtfertigt sind, klärt ein | |
Schiedsgericht, auf das sich Stadt und Hochtief jetzt geeinigt haben. | |
Was sagen eigentlich die Architekten [2][Herzog & de Meuron] zu dem neuen | |
Deal? | |
Offiziell gar nichts. Insgeheim finden sie ihn aber bestimmt gut, weil ihr | |
Renommier-Projekt jetzt doch noch in absehbarer Zeit zu Ende gebaut wird. | |
Damit das leichter geht, werden sie künftig ihre Pläne nicht mehr über die | |
städtische Realisierungsgesellschaft an Hochtief weiterleiten, sondern | |
direkt. Das ist auch deshalb gut, weil Hochtief wiederholt klagte, um | |
weiterbauen zu können, fehlten Architektenpläne. Das müssen die beiden | |
künftig untereinander austragen. Damit das möglich ist, muss der bestehende | |
Vertrag zwischen der Stadt und Hochtief geändert werden. | |
Nochmal zur Sicherheit: Ist die soeben erzielte Einigung rechtsverbindlich? | |
Nein, Bauherrin und -konzern haben sich nur auf „Eckpunkte für eine | |
Neuordnung“ geeinigt. Damit diese juristisch verbindlich wird, muss der | |
Vertragstext teils geändert, teils ergänzt werden. | |
Was ist, wenn Stadt und Hochtief sich nicht auf einen neuen Vertragstext | |
einigen können? | |
Dann drohen weitere Verzögerungen. Das Zittern um die Elphi-Fertigstellung | |
ist also noch nicht zu Ende. | |
Was sagt eigentlich der 2007 engagierte Intendant der Elbphilharmonie, | |
Christoph Lieben-Seutter, zu alldem? | |
Er nimmt es inzwischen mit Humor und plant für keinen fixen | |
Eröffnungstermin mehr. Seine seit drei Jahren laufende Reihe | |
„Elbphilharmonie-Konzerte“ findet derweil in der Laeiszhalle – der frühe… | |
Hamburger Musikhalle –, auf der Experimentierbühne Kampnagel, in Clubs und | |
Schulen statt. Und: Je später die Elphi kommt, desto mehr Zeit hat der | |
Intendant, ein Abo-Publikum zusammenzubekommen. | |
Wie findet die Öffentlichkeit das alles? | |
Die ist längst ermattet und schreckt allenfalls hoch, wenn von | |
Verteuerungen in dreistelliger Millionenhöhe die Rede ist. Abgesehen davon: | |
Das Etikett „Elite-Projekt“ klebt fest. Andererseits ist die halb fertige | |
Ruine längst ein Insignium von Lächerlichkeit und städteplanerischem | |
Größenwahn geworden. Oder auch zum geflügelten Wort: Immer öfter ist | |
inzwischen vom „Elphi-Effekt“ die Rede, wenn sich irgendwo ein öffentliches | |
Projekt verteuert. | |
Wird die Elbphilharmonie eigentlich das „Haus für alle“, von dem Politiker | |
gerne reden? | |
Offiziell schon, und es wird ja auch Eintrittskarten zu moderaten Preisen | |
geben. Wie viele Menschen allerdings zeitgleich auf die verwinkelte Plaza | |
zwischen Sockel und Oberbau passen – und ob da jeder sofort drauf kann, | |
wenn er will, wird sich zeigen müssen. | |
19 Jul 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.Hochtief.de | |
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Herzog_&_de_Meuron | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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