# taz.de -- Maaßens umstrittenes Kurnaz-Gutachten: „Falsch, empörend und un… | |
> Professoren und Politiker unterstützen die FU im Streit über die | |
> Personalie Maaßen. Dem neuen Verfassungsschutzchef keine Honorarprofessur | |
> zu geben, sei richtig gewesen. | |
Bild: Der designierte Verfassungsschutz-Chef: Hans-Georg Maaßen. | |
BERLIN taz |In der Debatte über den designierten | |
Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen bekommt die Freie | |
Universität Berlin (FU) Unterstützung von Professoren und | |
Bildungspolitikern. Sie kritisieren Maaßens juristische Arbeit und zweifeln | |
an seiner Eignung nicht nur als Professor, sondern auch als | |
Verfassungsschützer. | |
Vor zwei Wochen hat sich kaum jemand für den Ministerialbeamten und | |
Lehrbeauftragten Hans-Georg Maaßen interessiert. Der Jurist sollte | |
Honorarprofessor an der FU werden, die rechtswissenschaftliche Fakultät | |
wollte ihn ehren und für länger an sich binden. Doch dann verweigerte der | |
Akademische Senat, das höchste Gremium der FU, ihm in einer | |
nichtöffentlichen Sitzung eine Honorarprofessur. | |
Der Grund: seine umstrittene Rolle im Fall des unschuldigen Bremer | |
Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz. Wenige Tage später will das | |
Bundesinnenministerium Maaßen zum neuen Verfassungsschutzpräsidenten | |
machen. Seitdem wird gestritten: Darf einer, dem die Professorenwürde | |
verwehrt wurde, oberster Verfassungsschützer werden? Maaßen wirft der Uni | |
vor, politisch motiviert zu handeln und nicht seine juristischen | |
Fähigkeiten zu berücksichtigen. | |
Der Politikprofessor Peter Grottian lobt die Haltung der Universität: „Ich | |
finde es eine sehr mutige Entscheidung, ein so weit fortgeschrittenes | |
Verfahren zu stoppen.“ Maaßen sei mit seiner Vergangenheit ungeeignet für | |
das Amt. „Es ist ganz klar, dass so jemand nicht Professor werden kann“, | |
betont Grottian. | |
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Anja | |
Schillhaneck, sagt: „Ich denke, dass eine Person über jeden Zweifel erhaben | |
sein muss, wenn sie Honorarprofessor wird. Ich bin sicher, dass die | |
akademische Selbstverwaltung triftige Gründe hat, Herrn Maaßen die | |
Professur nicht zu geben.“ | |
Ähnlich sieht das der bildungspolitische Sprecher der Linkspartei, Wolfgang | |
Albers: „Die Entscheidung ist von einem demokratischen Gremium diskutiert | |
und begründet worden, Herr Maaßen sollte das akzeptieren.“ Wenn er das | |
nicht tue, kämen Zweifel auf, ob er kritisch reflektieren könne. „Aber | |
vielleicht ist er dann beim Verfassungsschutz genau richtig“, sagte Albers. | |
## Uni erinnert an Schweigepflicht | |
So denken viele Angehörige der FU. Doch nur wenige trauen sich, öffentlich | |
zu sprechen – erst recht, seitdem die Berufung von Maaßen zum | |
Verfassungsschutzchef bekannt wurde. Das Unipräsidium verweigert jeden | |
Kommentar. Zudem hat es die Mitglieder des Akademischen Senats per Mail an | |
ihre Schweigeverpflichtung erinnert. Sie dürften nichts über geheime | |
Sitzungen in die Öffentlichkeit tragen. Daran halten sich alle – selbst die | |
Maaßen-Gegner. | |
Zumindest aber einige andere Professoren äußern sich. Zwar nicht direkt zur | |
FU-Personalie, aber wenn es um die Beurteilung des Falls Kurnaz durch | |
Maaßen geht, sprechen sie Klartext. Der Beamte lieferte dem | |
Innenministerium 2002 ein Rechtsgutachten, mit dem begründet wurde, weshalb | |
Murat Kurnaz im Falle einer Freilassung aus Guantánamo nicht mehr ohne | |
Weiteres nach Deutschland einreisen dürfe. | |
Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) – selbst | |
Honorarprofessorin der FU – bezeichnet das Rechtsgutachten als „falsch, | |
empörend und unmenschlich“. Ulrich Battis, Rechtsprofessor an der | |
Humboldt-Universität, hält das Gutachten für zweifelhaft und politisch | |
„völlig daneben“. | |
## Maaßen will trotzdem Professor werden | |
Maaßen selbst geht in die Offensive. Er kann die Entscheidung der | |
Universität nicht verstehen: „Es ist mir schnurz, ob ich Honorarprofessor | |
bin“, sagte er am Donnerstagabend und verteidigte sein Handeln in der | |
Kurnaz-Affäre. Das Ausländerrecht sei nun mal so strikt. Er kritisierte, | |
dass nicht seine wissenschaftliche Reputation als Entscheidungsgrundlage | |
der Honorarprofessurvergabe diene, sondern seine Funktion als leitender | |
Beamter im Sicherheitsapparat. | |
Dem widerspricht Anne Schindler, hochschulpolitische Referentin des | |
FU-Astas. Man könne Maaßens wissenschaftliche Leistung nicht von seinem | |
Beruf trennen: „Eine Honorarprofessur hätte sehr wohl eine politische | |
Auswirkung.“ Deswegen habe der Akademische Senat richtig entschieden. | |
Gegenüber der Frankfurter Rundschau sagte Maaßen, dass er nicht | |
ausschließt, doch noch Honorarprofessor zu werden, wenn sich die | |
Mehrheitsverhältnisse im Akademischen Senat ändern sollten. Die | |
Studierenden wollen in jedem Fall eine Petition einreichen, um ein Zeichen | |
gegen Maaßen zu setzen. | |
20 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
L. Thio | |
S. Erb | |
R. Nguyen | |
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Schwerpunkt Rechter Terror | |
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