# taz.de -- Absolventenforscher über Studienreform: „Die Politik hat sich kl… | |
> Eine Studie zeigt: 75 Prozent aller Bachelorabsolventen machen | |
> anschließend den Master. Vielen fehlen die persönlichen Vorbilder, meint | |
> Absolventenforscher Briedis. | |
Bild: Kaum ist der Hut in die Luft geworfen, geht's weiter: 75 Prozent der Bach… | |
taz: Herr Briedis, die Kultusminister wollten den Bachelor mal zum | |
Regelabschluss machen. Ihr Institut hat jetzt Zahlen vorgelegt, wonach drei | |
Viertel aller Bachelorstudenten den Master draufsatteln. Ein Misserfolg? | |
Kolja Briedis: Ja, die Politik hat sich klar verkalkuliert. Als die neuen | |
Studiengänge eingeführt wurden, ging man davon aus, dass etwa 30 Prozent | |
der Bachelorabsolventen weiterstudieren werden. Das wird auf absehbare Zeit | |
nicht zu erreichen sein. | |
Dabei haben Sie selbst in früheren Studien festgestellt, dass | |
Bachelorabsolventen problemlos Jobs finden. Warum studieren trotzdem so | |
viele weiter? | |
Das ist kein Widerspruch. Wir sind immer noch in einer Umstellungsphase. | |
Den meisten Studenten fehlen im Moment einfach die positiven Beispiele in | |
ihrem persönlichem Umfeld: Solange ich kaum jemanden kennen, der mit dem | |
Bachelor eine Stelle findet und auch langfristig gut mit seinem Abschluss | |
fährt, gehe ich lieber auf Nummer sicher und mache den Master. | |
Studentenvertreter klagen regelmäßig über einen Mangel an Masterplätzen. | |
Den scheint es bislang nicht zu geben, oder? | |
Nein, auch da deckt sich die Wahrnehmung nicht unbedingt mit der | |
tatsächlichen Lage. Viele Absolventen sind natürlich verunsichert, weil sie | |
nicht frühzeitig wissen, wie und wo es weitergeht; viele Hochschulen | |
schicken ihre Zusagen erst sehr spät raus. Aber unterm Strich zeigt sich: | |
90 Prozent der Studenten bekommen den Masterplatz, den sie sich wünschen. | |
Wer macht den Master, wer macht ihn nicht? | |
Das hängt stark vom Fach ab. In Chemie oder Physik zum Beispiel entscheiden | |
sich fast alle Bachelorstudenten anschließend für ein Masterstudium. Das | |
ist nicht verwunderlich, weil hier bisher die Promotion der Regelabschluss | |
war. In den Wirtschafts- oder in der Ingenieurswissenschaften ist der | |
Anteil derjenigen, die weiterstudieren, mit 65 bzw. 71 Prozent eher | |
niedrig. Der Sog in den Arbeitsmarkt ist hier einfacher stärker. | |
Bachelorabsolventen aus Akademikerfamilien entscheiden sich zu 78 Prozent | |
für den Master. Von diejenigen, die keine studierten Eltern haben, sind es | |
nur 67 Prozent. Ist die Bologna-Reform also schlecht für die | |
Chancengleichheit? | |
Das haben wir uns auch überlegt – und haben diesen Punkt noch einmal genau | |
überprüft. Bologna an sich ist nicht das Problem. Wenn man berücksichtigt, | |
dass Studenten aus Nicht-Akademiker-Familien von vornherein andere Fächer | |
studieren und an anderen Hochschulen, verschwindet der Unterschied. Die | |
eigentliche Selektion findet also viel früher statt. | |
23 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Bernd Kramer | |
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