# taz.de -- Nachbarn rufen „Ausländer raus“: Anschlag im Morgengrauen | |
> Unbekannte versuchen das Haus einer Einwandererfamilie in Bremen in Brand | |
> zu stecken. Leute von nebenan schlagen ein Loch in die Tür. | |
Bild: Hielt die Flammen gerade noch ab: die Eingangstür der Familie C. | |
BREMEN taz | Die zersplitterte Scheibe der Tür des kleinen Reihenhauses ist | |
notdürftig geflickt. Das Fußball-große Loch im Glas und der schwarze Ruß an | |
der Tür zeugen noch von dem, was in der Nacht zu Samstag in einer | |
Wohnsiedlung im Bremer Stadtteil Woltmershausen passiert ist: Ein | |
Brandanschlag auf das Haus einer Einwanderer-Familie. „Nachbarschaftliche | |
Probleme und ausländerfeindliche Hintergründe stehen im Fokus der | |
Ermittlungen“, schreibt die Polizei. Außerdem schreibt sie von einem | |
„brennenden Lappen“. | |
„Die Flamme war einen Meter hoch“, sagt Fatih C. Der Lappen war ein | |
T-Shirt, getränkt in brennbarer Flüssigkeit. Mindestens sieben Leute seien | |
beteiligt gewesen, hätten auch Knüppel dabei gehabt. | |
Als der 20-Jährige am Samstagmorgen um halb vier vom Feiern nach Hause kam, | |
sei er bereits mit „Ausländer raus“-Rufen begrüßt worden. Die Nachbarn | |
waren nicht allein, sie feierten auf ihrer Terrasse vier, fünf Häuser | |
weiter. Kurz nachdem Fatih das Haus betreten hatte, klingelte es. Schon auf | |
der Treppe sah er die Flammen durch die Scheibe. „Unter der Tür lief das | |
Benzin bis in den Flur“, sagt Fatih. Es habe sich nicht entzündet, weil er | |
das Feuer draußen schnell gelöscht hat. | |
Die Polizei nimmt in der Nachbarschaft drei Männer und eine Frau fest. Nach | |
einem Alkohol-Bluttest kommen sie am frühen Morgen wieder frei. „Wir haben | |
gefragt, ob die Polizei noch ein bisschen da bleibt. Wir hatten Angst, die | |
waren doch noch betrunken“, sagt Fatih C. „Aber die haben nur gesagt: | |
’Stellt doch einfach einen Eimer Wasser neben die Tür.‘“ Der taz sagte d… | |
Polizei, sie nehme den Vorfall sehr ernst und fahre in der Gegend nun öfter | |
Streife. | |
Fatih C. steht vor dem Hauseingang und schimpft nur noch. „Das sind alles | |
Rassisten hier“, sagt er. Die Siedlung ist eine kleine Enklave, umgeben von | |
Industriegebieten und Brachland. Angeordnet sind die Häuser in einem Oval, | |
in einem Garten nahe der Einfahrt prangt ein Mast mit Deutschlandfahne. | |
Es ist keine reiche Gegend. Vor den meisten Häusern stehen Bänke, jeder | |
kennt hier jeden. „Um uns herum wohnen fast nur Deutsche“, sagt Fatih. Er | |
hat die ganze Nacht Wache gehalten. Auch seine kleinen Geschwister haben | |
kein Auge zu drücken können. Das jüngste Kind ist erst drei. Dass jemand | |
Feuer legen würde, hätte er niemals gedacht. „Die Nachbarn sind doch jeden | |
Tag vorbei gegangen und wissen, dass hier Kinder schlafen.“ | |
Ein paar Häuser weiter steht Anja S. an ihrem Gartenzaun. Die 43-Jährige | |
ist eine der vier Tatverdächtigen. Mit dem Brand habe sie nichts zu tun, | |
sagt sie. | |
Anja S. und ihr Nachbar hätten gefeiert, Alkohol getrunken. „Ein paar | |
Parolen sind in der Nacht schon gefallen, ja.“ Was später an der Tür von | |
Familie C. passiert ist, könne sie nicht gut heißen. „Es war idyllisch | |
hier, bis die Ausländer kamen“, sagt sie. | |
So wie sie denken hier viele. Dass Familie C. auch ganz schön krach mache, | |
die Kinder kriminell seien, kommt als erste Antwort auf die Frage nach der | |
Nacht zu Samstag. Und dann, dass es nicht gehe, dort Feuer zu legen. „Das | |
hätte ja auch auf unser Haus übergreifen können“, sagt eine Nachbarin. Sie | |
lebt im Reihenhaus nebenan. | |
30 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
Jean-Philipp Baeck | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
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