# taz.de -- Olympiaboxen soll härter werden: Ein Schlag direkt ins Gesicht | |
> Das olympische Boxen ist dabei sein Gesicht zu verändern. In den nächsten | |
> Jahren soll der Kopfschutz verschwinden. Es sollen Helden kämpfen, keine | |
> Amateure. | |
Bild: Kopfschutz ade, hoffentlich ohne Kopfweh. Es soll die Boxsportler bekannt… | |
LONDON taz | Ein großer Mann im blauen Outfit der italienischen | |
Olympiamannschaft schlendert an den Tribünen der Boxhalle im Londoner | |
Ausstellungszentrum ExCel entlang. Er zieht die Blicke auf sich. Er | |
schreibt ein paar Autogramme, bevor er sich auf die Tribüne setzt und ein | |
paar Minuten lang den Kampf der Halbschwergewichtler Damien Hooper | |
(Australien) und Marcus Browne (USA) verfolgt. Dann steht er auf, sieht | |
sich um, scheint die Blicke zu genießen, die ihn treffen und verlässt die | |
Halle. | |
Man kennt den Mann in der Szene. Clemente Russo heißt er. Er ist Boxer und | |
eine der ganz wenigen großen Nummern, die das olympische Boxturnier zu | |
bieten hat. 2007 ist er Amateurweltmeister geworden, vor vier Jahren in | |
Peking hat er Silber geholt, in London ist der Schwergewichtler der ganz | |
große Favorit und in Rio soll er noch einmal die Blicke auf sich ziehen. | |
Die Aiba, der Internationale Amateurboxsportverband will alles dafür tun, | |
dass Russo dem olympischen Boxen erhalten bleibt. Der 29-Jährige, der für | |
Modemagazine und seine Werbepartner so gerne seine nackte Brust zeigt, ist | |
in Italien längst ein Star. In einem Film über seinen Aufstieg im | |
süditalienischen Mafialand spielt er sich selbst. Nun soll er zum Weltstar | |
werden. Am Montag war er zusammen mit Landsmann Domenico Valentino, der | |
erste Boxer, den der Amateurverband als Profi unter Vertrag genommen hat. | |
Das olympische Boxen ist dabei, sein Gesicht zu verändern. Unter der | |
Führung des Taiwanesen Wu Ching-Kuo, der die Aiba seit 2006 anführt, soll | |
ein eigener Profiverband mit dem Namen APB (Aiba Professional Boxing) | |
etabliert werden. Ching-Kuo will, dass man die Boxer kennt, die bei Olympia | |
in den Ring steigen. Er will Helden im Ring. | |
## Amateure sollen ohne Kopfschutz kämpfen | |
Dafür soll auch der Kopfschutz geopfert werden. Ab 2014 sollen sich die | |
Sportler wieder direkt ins Gesicht schlagen dürfen. Schon bei diesen | |
Spielen marschieren die Athleten ohne Kopfschutz ein. Man soll ihr Gesicht | |
sehen können. Gekämpft wird indes mit dem Boxerhelm – noch. | |
Schon seit zwei Jahren promotet die Aiba eine Art Weltliga, in der Amateure | |
mit nacktem Oberkörper und ohne Kopfschutz boxen. In der World Series of | |
Boxing (WSB) hat in der abgelaufenen Saison auch eine deutsche Staffel | |
gekämpft. | |
Unter dem Namen Leipzig Leopards sind vor allem deutsche Auswahlboxer | |
angetreten. Einer von ihnen war Stefan Härtel. Der Berliner, der in London | |
am Donnerstag im Mittelgewichts-Achtelfinale gegen den Iren Darren O'Neill | |
kämpft, hat keine besonders guten Erinnerungen daran. Er kann sich sogar | |
vorstellen, mit dem Boxen aufzuhören, wenn der Kopfschutz abgeschafft wird. | |
„Die Gefahr, sich nach einen Kopfstoß einen Cut einzufangen und rausgehen | |
zu müssen, ist viel zu groß“, meint er. | |
Michael Bastian, Diagnostiktrainer und Sportchef der deutschen | |
Olympiaboxer, winkt ab. „Daran wird man sich schnell gewöhnen, wenn auf | |
allen Ebenen ohne Helm geboxt wird.“ Er steht voll hinter den Reformplänen | |
der Aiba. Er rechnet auch nicht mit einer größeren Zahl von Verletzungen. | |
„Die Handschuhe, mit denen wir boxen sind mittlerweile so gut gepolstert. | |
Die kann man nicht mit denen von vor 20 Jahren vergleichen“, sagt er. | |
In zwei Jahren WBS habe man gerade einmal ein geplatztes Trommelfell zu | |
beklagen gehabt. Aber das ist für ihn Nebensache. Die Reformpläne der Aiba | |
sieht er beinahe als Heilsprogramm. Das klassische Amateurboxen, dem er | |
immer verbunden war, bleibt erhalten. Daneben boxen die besten ehemaligen | |
Amateure eine Profi-WM aus und bewahren sich das Recht, bei Olympischen | |
Spielen starten zu können. | |
## Profiboxen ist in Deutschland tot | |
Für Bastian ist das nicht nur die Rettung des Amateurboxens, da auch die | |
Verbände von Fernsehgeldern der APB-Serie profitieren sollen. Er sieht in | |
der Reform auch eine goldene Zukunft für das Profiboxen. Das sei in | |
Deutschland tot, meint er: „Sat.1 zeigt Kickboxen, Universum ist nach dem | |
Ende des Fernsehvertrags tot, RTL zeigt nur die Klitschkos und auch | |
Sauerland wird es in zwei Jahren nicht mehr geben.“ | |
Ein gut geführter Weltverband mit fixen Kampfbörsen, die dann auch wirklich | |
ausgezahlt werden, das sei eine ganz neue Perspektive für die Boxer. | |
Außerdem gebe es einen Weg zurück. Wer nach im ersten Jahr als Aiba-Profi | |
nicht zurechtkommt, darf zu den Amateuren zurückkehren. Über diese | |
Möglichkeit würden sich viele freuen, die in der Vergangenheit zu schnell | |
Profi geworden sind. Er erinnert an Vitali Tajbert, der 2004 in Athen | |
Bronze im Federgewicht gewonnen hat. | |
„Den kennt doch keiner mehr.“ Tajbert ist 30 Jahre alt. „Er könnte hier … | |
Olympia antreten“, sagt Bastian, während in der Boxhalle, der nächste Kampf | |
aufgerufen wird. Der Ukrainer Olexandr Gvosdyk und Michail Dauhaliavets aus | |
Weißrussland werden von 8.000 Menschen begeistert empfangen. Die meisten | |
von ihnen verfolgen den Kampf hochkonzentriert und beklatschen jede | |
gelungene Aktion. Das Amateurboxen lebt in London – mit Kopfschutz und mit | |
bedecktem Oberkörper. | |
31 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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