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# taz.de -- Prozess gegen russischen Blogger: Mit allen Mitteln mundtot machen
> Der russische Oppositionelle und bekannte Blogger Alexej Nawalny soll
> Staatsgelder veruntreut haben. Bei Verurteilung drohen ihm bis zu zehn
> Jahren Haft.
Bild: Alexej Nawalny: Der Blogger könnte für zehn Jahre in den Knast kommen.
MOSKAU taz | Diesmal geht es nicht um Veruntreuung von Öl und Gas, um eine
oppositionelle Stimme mundtot zu machen wie im Verfahren gegen den
Exölmagnaten Michail Chodorkowski. Diesmal geht es um den Rohstoff Holz,
mit dem der Oppositionelle Alexej Nawalny krumme Geschäfte gemacht haben
soll. Die Ermittler erhoben gegen den bekannten Blogger Anklage wegen der
Veruntreuung von Staatsgeldern „in großem Stil“. Der 36-jährige Jurist und
Frontmann der russischen Opposition darf Moskau während der laufenden
Ermittlungen nicht verlassen.
Ob sich die Untersuchungsbehörde „nur aufplustert“, wie Nawalny am Vortag
die Öffentlichkeit beschwichtigte, oder Wladimir Putin endgültig den
Zermürbungskrieg gegen die Opposition eröffnete, werden die nächsten Wochen
zeigen. Sollte Nawalny verurteilt werden, drohen ihm bis zu zehn Jahren
Haft.
2009 soll Nawalny den Holzbetrieb Kirowles zu einem verlustreichen Geschäft
überredet haben. Dem Staat seien dadurch etwa 1,3 Millionen Rubel (33000
Euro) Schaden entstanden, behaupten die Ermittler. Nawalny war 2009 Berater
des Gouverneurs Nikita Belych in der 900 Kilometer östlich von Moskau
gelegenen Region Kirow. Als einziger Vertreter der Opposition war Belych
vom russischen Interimspräsidenten Dmitri Medwedjew zum Gouverneur ernannt
worden. 2010 ermittelten die Behörden schon einmal im Fall „Kirowles“ gegen
Nawalny.
Im Januar 2011 wurden die Ermittlungen eingestellt. Der oppositionelle
Hoffnungsträger hatte darauf bestanden, nicht an dem Schwindel beteiligt
gewesen zu sein. Die strafrechtliche Verfolgung hatte der Exvizegouverneur
der Region Sergej Karnauchow gegen Nawalny angestrengt. Dieser stelle eine
Bedrohung der russischen Staatlichkeit dar, sagte Karnauchow der
Zeitschrift Russkij Reporter.
Moskaus Ermittler hoben die Entscheidung der Kirower Behörde zunächst auf
und nahmen die Nachforschungen wieder auf. Mitte Mai 2012 stellte aber auch
Moskaus Ermittlungskomitee die Arbeit an dem Fall wegen Mangels an Beweisen
ein.
Das behagte dem Leiter der Moskauer Ermittlungsbehörde, Alexander
Bastrykin, nicht. Der Intimus und Studienfreund Wladimir Putins leitete ein
neues Verfahren ein. Daraufhin präsentierte der Blogger Dokumente, aus
denen hervorging, dass Alexander Bastrykin in der Tschechischen Republik
ein Unternehmen unterhält, eine Wohnung besitzt und über eine unbegrenzte
Aufenthaltserlaubnis verfügte. Im Interview mit der Iswestija stritt der
Ermittlungschef die Prager Connection ab.
Die aus Tschechien gelieferten Belege sind erdrückend. Vor dem Hintergrund
der Putin’schen Einschüchterungspolitik, die die Opposition zu
ausländischen Agenten erklärt, ergibt sich ein fragwürdiges Bild, wenn sich
der Lebensmittelpunkt des Chefermittlers in der Kapitale eines Natostaates
befand. Nach dem Verhör beim Ermittlungskomitee bezeichnete Nawalny die
Örtlichkeit als „Höhle des tschechischen Geheimdienstes“.
31 Jul 2012
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Russland
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