| # taz.de -- Reaktionen auf Monti-Interview: Das Gesicht des Nationalismus | |
| > Will Italiens Premier Mario Monti den Bundestag entmachten? So scheint | |
| > es, wenn man die Reaktionen deutscher Politiker auf ein Interview im | |
| > „Spiegel“ liest. | |
| Bild: „Wovon reden diese Deutschen bloß?“ – Der italienische Ministerpr�… | |
| Wird Italien wieder zur Diktatur? Will sich Premier Mario Monti zum | |
| Alleinherrscher aufschwingen? Diesen Eindruck erweckt jedenfalls | |
| CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. „Die Gier nach deutschen | |
| Steuergeldern treibt bei Herrn Monti undemokratische Blüten“, erklärte der | |
| Bayer. „Herr Monti braucht offenbar die klare Ansage, dass wir Deutsche | |
| nicht bereit sein werden, zur Finanzierung der italienischen Schulden | |
| unsere Demokratie abzuschaffen.“ | |
| Aber nicht nur der CSU-Generalsekretär sieht schon eine neue Unkultur in | |
| Italien heraufziehen. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß weiß ebenfalls, dass | |
| dort in den „unsäglichen Berlusconi-Jahren das Parlamentsverständnis | |
| gelitten“ habe. Und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle befand, man müsse | |
| „aufpassen, dass Europa ausreichend demokratisch legitimiert bleibt“. Auch | |
| Sahra Wagenknecht von den Linken ist besorgt, dass man „demokratische | |
| Entscheidungsprozesse abschaffen“ wolle. | |
| Was ist geschehen, dass plötzlich deutsche Politiker parteiübergreifend | |
| glauben, sie müssten Monti verwarnen? Er hat ein Interview im Spiegel | |
| gegeben. Es ist normalerweise nicht üblich, gleich ganze Passagen aus einem | |
| anderen Blatt zu zitieren. Aber offenbar ist es diesmal nötig, damit sich | |
| keine Legenden bilden. | |
| ## Eigenen Verhandlungsspielraum bewahren | |
| Wörtlich hat Monti gesagt: „Natürlich muss sich jede Regierung nach den | |
| Entscheidungen des Parlaments richten. Aber jede Regierung hat auch die | |
| Pflicht, das Parlament zu erziehen. Hätte ich mich ganz mechanisch an die | |
| Vorgaben meines Parlaments gehalten, hätte ich den Beschlüssen des jüngsten | |
| Brüsseler Gipfels nicht zustimmen können.“ | |
| Spiegel: Warum nicht? | |
| Monti: „Ich hatte den Auftrag erhalten, auf dem Gipfel Eurobonds | |
| durchzusetzen. Wenn sich Regierungen vollständig durch die Entscheidungen | |
| ihrer Parlamente binden ließen, ohne einen eigenen Verhandlungsspielraum zu | |
| bewahren, wäre das Auseinanderbrechen Europas wahrscheinlicher als eine | |
| enge Integration.“ | |
| So weit, so harmlos. Monti hat eigentlich nur beschrieben, wie die Eurozone | |
| zu Kompromissen findet. Die Länder haben unterschiedliche Interessen und | |
| Vorstellungen – und am Ende steht eine gemeinsame Vereinbarung, die von den | |
| Regierungen einstimmig getragen wird. Italien wollte Eurobonds, hat aber | |
| keine Eurobonds bekommen, weil die Deutschen dagegen sind. Dies muss Monti | |
| nun seinem Parlament erklären. Umgekehrt verlangt er aber, dass sich auch | |
| die Finnen und Deutschen an die Absprachen halten. | |
| ## Banale Erkenntnis | |
| Nirgendwo steht, dass er die Abgeordneten entmachten will. Monti stellt nur | |
| fest, dass die Eurozone nicht funktionieren kann, wenn sich die Regierungen | |
| von gemeinsamen Beschlüssen hinterher distanzieren. | |
| Diese Erkenntnis ist banal, doch gerade deutsche Politiker verstoßen | |
| permanent dagegen. Monti deutet dies nur zwischen den Zeilen an. Viel | |
| vehementer war da vor einer Woche Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, | |
| der in der SZ geradezu explodierte: „Wieso eigentlich erlaubt sich | |
| Deutschland den Luxus, andauernd Innenpolitik in Sachen Eurofragen zu | |
| machen? Warum behandelt Deutschland die Eurozone wie eine Filiale? Wenn das | |
| alle 17 Regierungen machten, was bliebe dann übrig von dem, was uns | |
| gemeinsam ist. Warum ist das so?“ | |
| Junckers Wut war nicht übertrieben, wie die Diskussion um Monti zeigt. | |
| Parteiübergreifend wird ein Spiegel-Interview inhaltlich verzerrt, damit | |
| man dann wie Dobrindt raunen kann, dass „bald italienische Verhältnisse in | |
| ganz Europa“ drohen. So sieht Nationalismus aus. | |
| 6 Aug 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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