# taz.de -- Medizinstudium in Österreich: Klagen gegen Aufnahmetests | |
> Um mehr Frauen ein Medizinstudium zu ermöglichen, brauchen sie im | |
> Aufnahmetest an der Uni Wien in diesem Jahr weniger Punkte als Männer. | |
> Die fühlen sich diskriminiert. | |
Bild: Begehrte Ausbildung: BewerberInnen vor dem Eignungstest zum Medizinstudiu… | |
WIEN taz | Eine Flut von Klagen kommt auf die Medizinische Universität Wien | |
zu. Viele Studenten, die Anfang Juli den Aufnahmetest absolvierten, sehen | |
sich ungerecht behandelt. Denn Frauen schafften die Hürde mit einer | |
geringeren Punktezahl. | |
Erstmals seit Einführung der Studienplatzbeschränkung in Österreich 2006 | |
wurden weibliche Kandidaten getrennt bewertet. Für sie wurde ein geringerer | |
Mittelwert festgelegt. Um wie viel geringer, darüber hüllt sich die Uni in | |
Schweigen. Hintergrund ist die Erfahrung vergangener Jahre. Da waren | |
jeweils um die 55 Prozent Frauen angetreten, aber nur rund 45 Prozent der | |
Aufgenommen waren weiblich. | |
Karin Gutiérrez-Lobos, Vizerektorin für Lehre, Gender & Diversity, empfahl | |
Abhilfe durch getrennte Auswertung. Sie sieht die Frauen durch Fragen, die | |
räumliches Vorstellungsvermögen oder höhere Mathematik voraussetzen, | |
benachteiligt. Das Ergebnis des diesjährigen Tests gibt ihr recht. Von den | |
4.400 Bewerbern um die 740 Studienplätze waren 56 Prozent weiblich. Der | |
gleiche Prozentsatz der von Frauen abgegebenen Tests wurde als bestanden | |
gewertet. | |
Bei der HochschülerInnenschaft (ÖH) gingen nach Bekanntgabe der | |
Testergebnisse letzte Woche um die 100 Beschwerden ein. Die Zeitung Kurier | |
zitiert einen Oliver K. aus Wien, der es knapp nicht schaffte: „Hätte ich | |
den Test als Frau gemacht, hätte ich jetzt einen Studienplatz.“ | |
## Uni hält Nachteilsausgleich für gerechtfertigt | |
Die Verfassungsjuristen sind uneins, ob eine Verletzung des | |
Gleichheitsgrundsatzes vorliegt. Das Rektorat beruft sich auf Professor | |
Theo Öhlinger, der von einem gerechtfertigten Nachteilsausgleich spricht. | |
Johannes Angerer, Pressesprecher der Medizinuni, gibt sich zuversichtlich. | |
Man habe sich rechtlich abgesichert. | |
Die männlichen Studenten werden auch von zahlreichen Kolleginnen | |
unterstützt, die nicht als Quotenfrauen dastehen wollen. Auch die | |
Studentenvertretung hat sich gegen die getrennte Auswertung ausgesprochen. | |
ÖH-Vertreterin Birgit Ludwig: „Frauenförderung ist für die ÖH ein sehr | |
wichtiges Thema, muss sich jedoch im rechtlich abgesichertem Rahmen bewegen | |
und darf keine Diskriminierung von Männern darstellen.“ | |
Der EMS-Test, der an den Medizinischen Unis in Wien und Innsbruck seit 2006 | |
angewandt wird, wurde in Deutschland entwickelt und wird in der Schweiz | |
seit 1998 eingesetzt, ohne dass es dort zu genderbedingten Verzerrungen | |
gekommen wäre. Johannes Angerer glaubt, dass dort das Schulsystem anders | |
vorbereite. | |
Nächstes Jahr soll alles besser werden. Bis dahin wollen die drei | |
österreichischen Medizinunis Wien, Graz und Innsbruck einen gemeinsamen | |
Test ausarbeiten, der den österreichischen Gegebenheiten besser entspricht. | |
Eine getrennte Auswertung wird es dann nicht mehr geben. | |
7 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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