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# taz.de -- Kommentar Medizinertest: Richtiges Ziel, falsche Methode
> An der medizinischen Fakultät in Wien will man den Frauenanteil erhöhen
> und trennt die Geschlechter kurzerhand bei der Eignungsprüfung. Das ist
> absurd.
Das geringere räumliche Vorstellungsvermögen von Frauen habe dazu geführt,
dass diese bei den Aufnahmetests an die Medizinuni Wien schlechter
abschnitten als ihre männlichen Mitbewerber. Das war zumindest die Analyse
von Karin Gutiérrez-Lobos, Vizerektorin für Lehre, Gender & Diversity der
Wiener Medizinischen Universität. Denn im vergangenen Jahr hatten sich zwar
mit 56 Prozent deutlich mehr Frauen dem fünfeinhalbstündigen Test gestellt,
unter den Zugelassenen betrug der Anteil der Frauen aber nur 43,1 Prozent.
2010 war es ganz ähnlich gewesen.
Bei den Anfang Juli abgehaltenen Tests wurden daher erstmals Frauen und
Männer getrennt bewertet. Tatsächlich konnten sich daraufhin 55,9 Prozent
Frauen und 44,1 Prozent Männer für einen der 740 Studienplätze
qualifizieren, wie vor wenigen Tagen nach der Auswertung bekannt wurde.
Gutiérrez-Lobos spricht aber nicht von Bevorzugung der Frauen, sondern von
einem „Nachteilsausgleich“.
Die Argumentation klingt einleuchtend. Denn warum sollte man eine
schlechtere Kinderärztin, Anästhesistin oder Gynäkologin sein, nur weil man
den Kegelschnitt schlecht beherrscht oder bei der Integralrechnung patzt?
Die Regelung wirft aber jede Menge neue Probleme auf. Dass Ärztinnen
bestimmter Jahrgänge künftig unter dem Generalverdacht der Quotenfrau
stehen könnten, ist dabei noch das geringste. Verfassungsjuristen wetzen
schon ihre Messer. Erste Klagen wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes
stehen an. Auf die Urteile darf man gespannt sein. Vor allem in Hinblick
auf die Präzedenzwirkung für andere Studienfächer. Es stellt sich nämlich
die Frage, wie künftig an anderen Fakultäten zu verfahren ist, wenn dort
eines Tages auch Aufnahmelimits eingeführt werden. Sollen Männer beim
Dolmetsch- oder Linguistikstudium bevorzugt werden, nur weil sie –
Vorsicht, Kalauer – nicht zuhören können?
Das Problem wurzelt offenbar im von der Schweiz übernommenen Eignungstest
EMS, der dort bereits seit 1998 angewandt wird. Fragestellungen, die für
die Eignung zur Praxis der Medizin wenig relevant sind, verzerren das
Ergebnis. Eine Lösung, die sowohl verfassungskonform, als auch
gendergerecht ist, scheint man an der Medizinuni Graz gefunden zu haben.
Dort wurde ein eigener Test entwickelt, der offenbar Frauen nicht
benachteiligt. Vielleicht sollte man einfach von der Steiermark lernen,
statt durch gut gemeinte Notlösungen alte Klischees zu bedienen.
6 Aug 2012
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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