# taz.de -- Trimediales Projekt gegen Rechts: Blick auf die Nazis von nebenan | |
> Mit dem trimedialen Projekt „Der Norden schaut hin“ zeigen Journalisten | |
> vom NDR und von Radio Bremen den rechtsradikalen Alltag in ihren | |
> Sendegebieten. | |
Bild: „Der Norden schaut hin“ bei Aktionen gegen Rechtsextremismus. | |
Die besten Ideen sind bekanntlich oft so simpel, dass man sich fragt, warum | |
nicht schon längst jemand darauf gekommen ist. Zu dieser Kategorie zählt | |
das Projekt „Der Norden schaut hin“, das Journalisten vom NDR und von Radio | |
Bremen vor Kurzem ins Leben gerufen haben. | |
Der Grundgedanke: Abseits von den großen schlagzeilenträchtigen Geschichten | |
soll kontinuierlich über die alltäglichen Aktivitäten von Rechtsradikalen | |
in Norddeutschland berichtet werden – und auch vom Engagement dagegen. | |
Dafür wird länder- und ressortübergreifend gearbeitet, Hörfunk-, TV- und | |
Onlinejournalisten sind beteiligt. Alle Beiträge werden im Internet unter | |
[1][www.ndr.de/dernordenschauthin] präsentiert. | |
Den Geistesblitz hatte der NDR-Journalist Kuno Haberbusch, ehemals Leiter | |
von „Panorama“, „extra 3“ und „Zapp“, als die Aktivitäten des | |
Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) bekannt wurden. „Politikern und | |
Behördenvertretern wird in diesem Fall von Journalisten zu Recht Versagen | |
vorgeworfen“, sagt Haberbusch. „Aber es stellt sich die Frage: Haben wir | |
Journalisten nicht auch irgendwie gepennt? Ich selbst habe zum Beispiel als | |
Redaktionsleiter auch schon mal Beiträge zum Rechtsradikalismus abgelehnt, | |
weil dieses Thema meiner Meinung nach nicht auf der Agenda stand.“ | |
Jetzt steht es bei ihm und vielen anderen ganz oben und soll dort auch | |
bleiben: „Ich habe zunächst Kollegen in der Kantine und auf dem Flur von | |
meiner Idee erzählt, und alle waren begeistert. Alles Weitere war dann fast | |
ein Selbstgänger. Man trifft ja manchmal den Nerv der Zeit – und das war | |
hier wohl der Fall.“ | |
Anfang Juni traf sich erstmals eine 20-köpfige Projektgruppe, in der | |
Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen vertreten sind – von der Redaktion | |
Zeitgeschehen bis zum Sport. Manche der dort entwickelten Ideen landen als | |
Beiträge in Regelprogrammen wie dem „Hamburg Journal“ oder dem | |
„Schleswig-Holstein Magazin“. Andere Texte und Filme werden ausschließlich | |
für den Onlineauftritt der Initiative produziert. Die Finanzierung der | |
Beiträge erfolgt über Umschichtungen bestehender Etats der beteiligen | |
Redaktionen. | |
## „Wir wollen Mut machen" | |
Eine derartige Kooperation ist nicht alltäglich in einer Institution wie | |
den manchmal etwas schwerfälligen NDR, und sie hat einen positiven | |
Nebeneffekt: Bei den Beteiligten führt die Zusammenarbeit zu Einblicken in | |
die Arbeit der Kollegen. „Wir Fernsehmenschen mussten zum Beispiel lernen, | |
dass ein Onlinevideo maximal fünf Minuten lang sein darf, sonst sieht es | |
sich kaum jemand komplett an“, sagt NDR-Redakteur Olav Jacobs. Er sagt, | |
dass auch ausführlich über Aktionen gegen rechts berichtet werden soll: | |
„Wir wollen Mut machen und zeigen, dass sich Engagement lohnt. Vielleicht | |
gelingt es uns, die Bürgergesellschaft ein bisschen zu stärken.“ | |
Noch ist das Angebot auf der Website nicht besonders üppig, aber das soll | |
sich bald ändern. Unter anderem plant die Projektgruppe als Strukturelement | |
eine detaillierte digitale Landkarte, auf der man sich gezielt über | |
Aktivitäten in bestimmten Orten und Regionen informieren kann. | |
Voraussichtlich im November berichtet das NDR Fernsehen in einer | |
90-minütigen Dokumentation über das Projekt, dessen wichtigste Reportagen | |
und Erkenntnisse. | |
Möglicherweise ist das dann auch schon der Schlusspunkt des gesamten | |
Projekts. „Wir werden Ende des Jahres einen Augenblick innehalten, ein | |
Fazit ziehen – und dann mit allen Beteiligten darüber sprechen, wie es | |
weitergeht“, sagt Olav Jacobs. Es wäre schade, wenn dieses | |
vielversprechende Projekt schon nach kurzer Zeit nur auf Sparflamme oder | |
gar nicht weitergeführt würde, denn schon jetzt dient es als Vorbild. „Es | |
gibt einige Anfragen von anderen ARD-Anstalten, die unser Modell auf ihr | |
Sendegebiet übertragen wollen“, sagt Haberbusch. | |
9 Aug 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ndr.de/dernordenschauthin | |
## AUTOREN | |
Sven Sakowitz | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
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