# taz.de -- Aufweichung von Restriktionen: Salamitaktik bei der Pharmawerbung | |
> Weniger Einschränkungen bei der Pharmawerbung, das ist eines der Ziele | |
> des Gesundheitsministers. Vorerst geht es nur um die nicht | |
> verschreibungspflichtigen Medikamente. | |
Bild: Beschränkungen bei der Werbung für Medikamente sollen in Zukunft stufen… | |
Pharmafirmen dürfen künftig fast schrankenlos Reklame für Präparate machen, | |
die nicht verschreibungspflichtig sind. Möglich macht das eine Änderung des | |
Heilmittelwerbegesetzes, die der Bundestag – weitgehend unbeachtet von der | |
Öffentlichkeit – Ende Juni auf Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums | |
(BMG) beschlossen hat. | |
Die Werbemethoden, die womöglich bald auf die Bürger einwirken, sind | |
vielfältig und subtil – eine Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit: | |
Medikamente, die man ohne ärztliches Rezept bekommen kann, dürfen mit | |
Hinweis auf Gutachten, Zeugnisse, wissenschaftliche oder fachliche | |
Veröffentlichungen angepriesen werden. Anzeigen, Plakate und | |
Werbebroschüren dürfen demnach künftig Mediziner in vertrauenswürdiger | |
Berufskleidung zeigen. | |
Zulässig ist auch, dass mit Geschichten von Kranken, die rezeptfreie Pillen | |
einnehmen, geworben werden darf. Die Darstellung von Patienten ist nur noch | |
dann verboten, wenn sie in „missbräuchlicher, abstoßender oder | |
irreführender Weise erfolgt“ oder „zu einer „falschen Selbstdiagnose | |
verleiten kann“. | |
## Medikamente zu gewinnen | |
Zudem werden Preisausschreiben und Verlosungen beim Pharmamarketing bald | |
nicht mehr tabu sein; untersagt, aber nicht näher erklärt wird, dass | |
derartige PR-Mittel einer „unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von | |
Arzneimitteln Vorschub leisten“. | |
Sachverständige warnen eindringlich vor Risiken und Nebenwirkungen der | |
Reform, darunter die Nichtregierungsorganisation Buko-Pharma-Kampagne. Zwar | |
sei das Schadenspotenzial rezeptfreier Präparate im Vergleich zu | |
verschreibungspflichtigen gering, harmlos seien sie aber keineswegs. | |
Buko verdeutlicht das am Beispiel einer Medikamentengruppe: „Alle | |
Schmerzmittel – auch die rezeptfreien – können vereinzelt schwere | |
unerwünschte Wirkungen auslösen, und zwar umso eher, je höher die Dosis ist | |
und je länger das Präparat eingenommen wird.“ Buko befürchtet, gezielte | |
Werbung könne „einem problematischen Schmerzmittelkonsum Vorschub leisten“. | |
Bedenken müsse man außerdem, dass immer wieder Arzneien „aus der | |
Rezeptpflicht entlassen“ wurden und inzwischen frei verkäuflich sind. | |
## Kritik an Aufweichung des Werbeverbots | |
Strikt gegen Lockerungen des Reklameverbots argumentierte auch die | |
Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung | |
und chronischer Erkrankung. Wer zum Beispiel unter akuten Schmerzen leide, | |
sei „in ganz anderem Maße für Werbebotschaften empfänglich“ als Menschen, | |
die vor einer „normalen“ Kaufentscheidung stünden. Schicksale von Kranken | |
mit vermeintlich ähnlichen Symptomen in der Pharmawerbung darzustellen sei | |
„ethisch hochproblematisch“ und abzulehnen. | |
Ähnlich kritisch bewerten die Bundesärztekammer und deren | |
Arzneimittelkommission die Liberalisierung aus dem FDP-geführten | |
Gesundheitsministerium; beide meinen, eine mittelfristige Strategie zu | |
erkennen: Mit der weitgehenden Freigabe der Publikumswerbung bei frei | |
verkäuflichen Präparaten solle schon mal argumentativ der Boden dafür | |
bereitet werden, auch das außerhalb von Fachkreisen geltende generelle | |
Werbeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente aufzuweichen. | |
Noch ist der vom Bundestag veränderte Paragraf 11 des | |
Heilmittelwerbegesetzes nicht in Kraft. Aus dem Bundesrat, der | |
voraussichtlich im September über das Gesetz abstimmen wird, waren bislang | |
keine kritischen Töne gegen die Reform zu hören. | |
10 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Peter Görlitzer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Strenge Regeln für Pharmawerbung: Versteckte Werbung | |
Viele Arzneimittel dürfen nicht beworben werden. Auf Schleichwegen | |
geschieht dies trotzdem. Bei Verstößen gegen den Pressekodex hilft der | |
Presserat. | |
Verscheibungspflichtige Medikamente: Medien wollen mit Medizin verdienen | |
Bisher durften Pharmafirmen in Deutschland nicht für | |
verschreibungspflichtige Medikamente werben. EU-Industriekommissar | |
Verheugen will das ändern. |