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# taz.de -- Olympia und Demokratie: Wenn der Schurke mit dem Sportler
> Sollte Olympia nur noch in demokratischen Ländern stattfinden? Oder haben
> auch Schurkenstaaten ein Recht auf das Sportereignis?
Bild: Während der Olympischen Spiele in London wird gegen Olympische Spiele in…
NUR DEMOKRATIEN HABEN OLYMPIA VERDIENT
Tun wir in puncto Olympische Spiele nicht so, als sei London 2012 nur ein
Glücksfall gewesen nach dem Motto: Ja, the spirit verbreitete sich nur,
weil dieses globale Festival in einem demokratischen, rechtsstaatlichen,
multikulturellen, erwiesenermaßen weltoffenen Land inszeniert wurde. Und
dass man damit leben müsse, wenn die Spiele mal wieder in eine Stadt
gegeben werden, die all diese Gute-Laune-Charakteristika nicht bietet.
London war, gemessen an der Show des schillernden Postkommunismus-Drills
vor vier Jahren in Peking, eine, wenn man so will, Propagandashow des guten
offenen Lebens. Und das sollte jetzt Folgen haben: Metropolen, die sich um
die Spiele bewerben, sollten nicht allein ein logistisches und finanzielles
Konzept vorlegen, auf dass the games möglich werden.
Vielmehr müssen die Kriterien für den Zuschlag um solche der
demokratisch-rechtsstaatlichen Güte erweitert werden. Schließlich ist es
keine Allerweltsauszeichnung, ob ein Ort diese größte der globalen
Veranstaltungen ausrichten und von dieser profitieren darf oder nicht. Wer
Gastgeber von Olympischen Spielen ist, zehrt nach den sportlichen Tagen
viele Jahrzehnte von dem guten Ruf.
Insofern war es ein Fehler vor fünf Jahren, Sotschi zum Platz der
Winterspiele 2014 zu küren – gegen Pyongchang im demokratischen Südkorea.
Städte wie Durban, Accra, Tel Aviv, Bangkok oder Portland/Oregon wären
perfekt – Baku, Odessa, Hanoi oder Teheran nicht. Letztere wären in
touri-olympischer Hinsicht hübsch, aber politisch untragbar. Man mag
einwenden, dass die Sommer- oder Winterspiele, wie sie in Peking waren oder
in Sotschi sein werden, die demokratischen Prozesse dortselbst befördern,
ja, diese Plätze in Horte von Weltzugewandtheit verwandeln.
Glaube ich aber nicht. Man braucht für die sommerliche wie winterliche
Variante der Spiele – die man, aus der Sicht linker oder alternativ
gesinnter Menschen fordern müsste, gäbe es sie nicht – unbedingt den
libertären demokratischen Rahmen: In London lernten mehrere tausend
Delegierte aus über 200 Ländern, wie es sich anfühlt, die Luft von
Meinungsfreiheit zu atmen. Dem Vernehmen nach werden sie dies aus
Britannien in ihre Heimat tragen: Peace & Understanding.
Man nenne das naiv. Es ist ganz einfach, und das IOC sollte es so halten:
Solange Russland und China so sind, wie sie politisch sind, haben sie
Olympische Spiele nicht verdient. Jan Feddersen
OLYMPIA KANN ÜBERALL STATTFINDEN
Spiele finden dort statt, wo sie sich gut vermarkten und in Szene setzen
lassen. Das können Demokratien sein, sie müssen es aber nicht. Das
Internationale Olympische Komitee (IOC) verfolgt neben dieser maßgeblichen
Strategie noch weitere. Es geht, erstens, um den Anschein von
Verteilungsgerechtigkeit: Wenn jetzt die Sommerspiele in London stattfanden
und 2014 die Winterspiele in Sotschi ausgetragen werden, dann muss es 2016
zu einem Wechsel des Kontinents kommen (siehe Rio).
Zweitens gilt es, neue Märkte zu erschließen und dorthin zu gehen, wo das
große Geld ist. So ist Olympia nach China gekommen, und so wird der
olympische Tross bald schon an den Persischen Golf wandern, um dann
irgendwann in Indien Station zu machen. Afrika ist logischerweise außen
vor. Drittens gilt es, mit der Vergabe die Stimmungen und Strömungen unter
den IOC-Mitgliedern auszutarieren. Es geht um Allianzen, Sicherung der
Macht und um Stimmen, die bei der nächsten Wahl zum IOC-Präsidenten wichtig
sein könnten.
Das alles bedeutet: Die Vergabe der Spiele ist kein Akt von Romantikern und
Schwärmern, von Weltverbesserern und Philanthropen. Nein, hier geht es um
eiskalte Sportpolitik. Man ist auch oftmals eher Konzerninteressen
verpflichtet als der olympischen Charta. Sie ist ohnehin schmückendes
Beiwerk.
Die Herren des IOC mögen berechnende alte Säcke sein und die Spiele eine
große Inszenierung zum Zwecke der Volksbelustigung, doch wenn der
Fünf-Ringe-Zirkus in ein autokratisches Land, gar in einen Schurkenstaat
wie zum Beispiel Russland oder Katar zieht, dann darf sich die einheimische
Bevölkerung durchaus freuen. Die einen genießen die Zerstreuung, die
anderen sind froh über Beistand.
Die westliche Presse beschäftigt sich ja für gewöhnlich mit der
Menschenrechtssituation, springt Oppositionellen bei, schildert Dramen der
Unterdrückung – und richtet sich damit gegen die autokratische Führung. Das
Problem dabei: Das kann eine Chance für das Land sein, muss es aber nicht.
Auch ist es kein Verdienst des IOC, sollte sich die Lage für Andersdenkende
im olympischen Schurkenstaat verbessern, denn das IOC hält sich raus. Es
klammert sich an das verlogene Konstrukt, Sport und Politik hätten nichts
miteinander zu tun. Nur aufgrund dieses lächerlichen Postulats werden
Schurkenstaaten überhaupt in den olympischen Kanon aufgenommen. Markus
Völker
13 Aug 2012
## AUTOREN
Jan Feddersen
Markus Völker
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