# taz.de -- Kommentar Bildungsmonitor-Studie: Oben hui, unten pfui | |
> Angesichts der Bildungsmonitor-Studie muss man fragen: Ist es Zufall, | |
> dass die Kultusminister blind sind für die Nöte vermeintlicher | |
> Schmuddelkinder – oder ist das Absicht? | |
Wie viel Schulberichte braucht dieses Land, um die Bildungsarmut zu | |
bekämpfen? Diese Frage stellt sich umso dringlicher nach der jüngsten | |
Studie. Denn der „Bildungsmonitor“ der Initiative Neue Soziale | |
Marktwirtschaft bringt das Problem des Bildungswesens auf den Punkt: oben | |
hui, unten pfui. Die Bürgerkinder haben ihre Pisaschock-Lektion gelernt, | |
bei den Bildungsverlierern kommen wir nicht weiter. | |
Wenn die Republik imstande ist, ihre Akademiker- und Studentenquote um 12 | |
Prozent zu steigern, dann ist das wichtig und zu begrüßen. Wenn das Land | |
aber gleichzeitig den Wert für Bildungsarmut nur um 2 Prozent verbessern | |
kann, dann ist das mehr als schlecht. | |
Denn bei der Bildungsarmut ist Deutschland genauso Weltmeister wie bei | |
seinen Exportüberschüssen. Geradezu pervers ist es, den Drittmittel- und | |
Naturwissenschaftlerboom Bremens zu zelebrieren – eines Bundeslandes, das | |
nicht weniger als das bildungspolitische Armenhaus der Republik ist. Dort | |
geht trotz 40-jähriger Schulreformerei wenig voran. | |
Es ist für die deutsche Linke zu billig, sich darüber zu mokieren, dass die | |
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft mit ihrer Studie nur Humankapital | |
fördern will. Klar sind Bildungsindikatoren wie „Inputeffizienz“ oder | |
„Ausgabenpriorisierung“ seltsame Begriffe. | |
Was zählt, ist aber doch: Egal, ob es die Bertelsmann-Stiftung ist, die | |
Gutachter des Bundesbildungsberichts oder nun die Marktlobby-Initiative – | |
alle kommen zu dem gleichen empörenden Ergebnis. Die Politik der | |
Kultusminister bevorzugt einseitig die Kinder von Akademikern und | |
Bildungsbürgern. Und sie übersieht die Zuwanderer, die Kinder aus | |
benachteiligten Familien und die verarmenden Alleinerziehenden. | |
Das ist ein Skandal, und man darf elf Jahre nach der ersten Pisastudie | |
fragen: Ist es Zufall, dass die Kultusminister blind sind für die Nöte | |
vermeintlicher Schmuddelkinder – oder ist das Absicht? | |
Keine Gesellschaft kann Bildungsarmut beseitigen, das Problem gewissermaßen | |
aus der Welt schaffen. Aber es ist vollkommen inakzeptabel, dass es | |
bundesweit 20 Prozent Risikoschüler gibt und in Bremen fast ein Drittel der | |
Schüler einfachste Sätze nicht zu lesen imstande sind. Das darf so nicht | |
bleiben – gleichwohl, ob man dagegen bürgerrechtliche Argumente anführt, | |
auf Gerechtigkeit pocht oder den Export anbetet. | |
14 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Füller | |
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