| # taz.de -- ZEHN JAHRE WATERGATE: Der schmale Grat der Clubbetreiber | |
| > Obwohl der Kreuzberger Club ein Aushängeschild ist, hadert der Gründer | |
| > Steffen Hack mit der Ballermannisierung. | |
| Bild: Wenn Tanzen nichts mit dem Ballermann zu tun hat: An einem 1. Mai in Berl… | |
| Steffen Hack, der sich schon beim ersten Kontakt mit seinem Spitznamen | |
| Stoffel vorstellt, redet sich sofort in Rage. „Ich will hier eigentlich | |
| einen Club machen“, sagt er, während er in seinem Kreuzberger Club | |
| Watergate durch die großen Panoramafenster die vorbeifahrenden Schiffe auf | |
| der Spree sehen kann. „Aber inzwischen bin ich nur noch mit dem Gema-Thema | |
| beschäftigt.“ Damit also, dass die Verwertungsgesellschaft die Musikabgaben | |
| von Clubs exorbitant erhöhen will. Das Watergate würde dann jährlich statt | |
| auf rund 10.000 auf etwa 130.000 Euro kommen. Hack ist fassungslos. | |
| Eigentlich ist man ja gekommen, um über freudigere Dinge zu reden. Über | |
| zehn Jahre Watergate. Über die sensationelle Erfolgsgeschichte eines | |
| Berliner Clubs, der sich weltweit zu einem Aushängeschild Berlins | |
| hochgespielt hat. Den junge Menschen in Barcelona, Tel Aviv und New York | |
| unbedingt besuchen wollen, der sie mehr interessiert als das Brandenburger | |
| Tor oder der Berliner Fernsehturm. Aber Hack will kein Selbstmarketing | |
| betreiben. Der Ärger über die Gema muss raus. | |
| Hack ist eine echte Type. Er trägt ein Holzfällerhemd über dem T-Shirt, | |
| dazu zerknitterte Jeans und Vintage-Sneakers. Nicht wie ein Hipster, | |
| sondern einer, dem es nicht so wichtig ist, wie er rumläuft. Wie schön doch | |
| alles ist, wie wichtig der eigene Club für den Berlin-Boom ist, das wird | |
| man von ihm nicht hören. Hack will nichts verkaufen, das hat er nicht | |
| nötig. Die Marke Watergate, sagt er, sei unkaputtbar. In diversen Foren | |
| würde inzwischen zwar viel über die vielen Touristen und die unfreundlichen | |
| Türsteher im Club gemeckert – aber jedes Wochenende bilden sich doch wieder | |
| schier endlose Schlangen davor. | |
| Hack lebt eigentlich einen Traum. Der ehemalige Hausbesetzer hat vor zehn | |
| Jahren auf der Kreuzberger Seite der Oberbaumbrücke einen Club eröffnet, | |
| obwohl es zu jener Zeit rund ums Schlesische Tor noch recht ruhig war. „Vor | |
| zehn Jahren war die ganze Club- und Ausgehszene noch in Mitte“, sagt Hack. | |
| „Es hat fünf Jahre gedauert, bis wir schwarze Zahlen geschrieben haben.“ | |
| Anfangs war der Club eine der führenden Spielstätten für Drum & Bass in | |
| Berlin, Hort einer Subkultur. Doch mit dem Niedergang des Genres zog | |
| Minimaltechno ein, der bis heute als Kernkompetenz des Watergate und | |
| überhaupt als der typische „Sound of Berlin“ gilt. | |
| Bekanntlich zog Berlins Ausgehkultur auf der Flucht vor steigenden Mieten | |
| in Mitte wieder nach Kreuzberg zurück, das Schlesische Tor entwickelte sich | |
| zur Feiermeile und das Watergate wandelte sich zu einem Fixstern der | |
| Berliner Partykultur. 17 feste Mitarbeiter beschäftigt Hack heute, dem | |
| Watergate angeschlossen ist eine Booking-Agentur und ein eigenes | |
| Plattenlabel. Außerdem veranstaltet Hack einmal im Jahr die „Berlin Music | |
| Days“, eine Art Schaulaufen der Berliner Clubs, das in diesem Jahr Ende | |
| Oktober stattfindet. Aus dem freakigen Clubbetreiber ist ein erfolgreicher | |
| Unternehmer geworden. | |
| Und trotzdem sagt er: „Der Traum Berlins, so wie wir ihn gelebt haben, ist | |
| zu Ende. Wir sind auf dem Weg, Ibiza zu werden. Wie reden von der Gegend | |
| rund ums Schlesische Tor selbst vom Technostrich oder vom Ballermann. | |
| Manchmal denkt man schon: Vielleicht sollte man den Club nächstes Jahr | |
| schließen.“ Es kann eben auch so etwas wie zu viel Erfolg geben, gerade bei | |
| einem Club. Kommen zu viele Touristen, bleibt irgendwann das Stammpublikum | |
| weg. Dann kann man zwar die Touristen melken, fragt sich irgendwann aber, | |
| warum man überhaupt noch einen Club betreibt, wenn es dabei vielleicht | |
| nicht ausschließlich ums Geldverdienen gehen soll. An diesem Punkt ist Hack | |
| nun angelangt. | |
| Beim Thema Berlin-Boom und Touristenschwemme kommt er ähnlich in Fahrt wie | |
| bei der Gema-Problematik. „Der internationale Feiertourismus bedrängt | |
| einen, man kommt sich hier wirklich langsam vor wie im Zoo.“ Das Watergate | |
| gehört sogar schon zum Programm von Stadtführungen. | |
| Hacks Angst vor der Ballermannisierung Berlins ist recht eigenwillig für | |
| einen, der finanziell davon profitiert, dass Berlin sich zur Kulisse für | |
| Spaßtouristen verwandelt. Normalerweise halten Berliner immer andere für | |
| schuldig, Gentrifizierungsprozesse ausgelöst zu haben, aber nie sich | |
| selbst. Hack jedoch sagt: „Wir arbeiten mit an der Verdrängung, das ist uns | |
| bewusst.“ Und jetzt hocken da diese Politiker, von denen Hack durch die | |
| Bank weg nichts hält, wie er sagt, Wowereit und Henkel und all die anderen, | |
| und würden gar nicht mehr versuchen, irgendwo gegenzusteuern. „Die | |
| Entwicklung Berlins hat die Stadtplaner völlig überrannt“, sagt er. | |
| 16 Aug 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
| ## TAGS | |
| Klaus Wowereit | |
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