# taz.de -- Nach dem Urteil gegen Pussy Riot: Neuer Song gegen Putin | |
> Die russische Punkband hat eine „Single zum Urteil“ veröffentlicht. | |
> Derweil wird das harte Urteil gegen die Musikerinnen weiter kritisiert. | |
> Sogar von der russisch-orthodoxen Kirche. | |
Bild: Beim Protest in Toronto gegen das Urteil. | |
MOSKAU taz | Auch am Wochenende nach der Verurteilung sind die drei jungen | |
Punkerinnen von Pussy Riot das beherrschende Thema in Russland. Weitere | |
Bandmitglieder veröffentlichten im Internet eine „Single zum Urteil“, die | |
Präsident Wladimir Putin erneut aufs Korn nimmt. | |
„Das Land geht auf die Strasse mit Mut, das Land sagt dem Regime auf | |
Wiedersehen“ heißt es in dem Stück. „Putin entzündet das Feuer der | |
Revolution“. In einem im Internet veröffentlichten Kommentar kündigten die | |
Frauen an, sie würden weiterkämpfen. Laut der Zeitung Kommersant hat eine | |
maskierte Aktivistin die CD bereits nach dem Urteil vor dem Gerichtsgebäude | |
in die Menge geworfen. | |
Am Freitag waren die Feministinnen vom Moskauer Chamowniki-Gericht wegen | |
„Rowdytums auf Grundlage religiösen Hasses“ [1][zu zwei Jahren Lagerhaft | |
verurteilt] worden. Der Schuldspruch löste in Russland und im Ausland | |
Empörung aus. Beobachter und die russische Opposition halten den Prozess | |
für politisch motiviert. Michail Fedotow, der Menschenrechtsbeauftragte des | |
Kreml, hielt den Schuldspruch für einen „gefährlichen Präzedenzfall“. Au… | |
westliche Politiker, die sich sonst gegenüber Wladimir Putin in | |
Zurückhaltung üben, nannten das Urteil unverhältnismässig. | |
Die russisch-orthodoxe Kirche, die die Punkerinnen zunächst vor Gericht | |
gezerrt hatte und auf einer harten Bestrafung bestand, lenkte unterdessen | |
ein. Auf der Internetseite des Moskauer Patriarchats bat die Kirche um | |
Milde und Gnade für die verurteilten Frauen. „Ohne die Rechtmässigkeit des | |
Gerichtsbeschlusses infrage zu stellen, wenden wir uns an die Staatsmacht | |
mit der Bitte, im Rahmen des Gesetzes Gnade walten zu lassen“, heißt es da. | |
Die Würdenträger verknüpften das mit der Hoffnung, „dass die Frauen künft… | |
von solchen gotteslästerlichen Handlungen lassen werden“. | |
Die Aktionskünstlerinnen hatten vor der Präsidentschaftswahl im Februar in | |
der Christi-Erlöser-Kathedrale in Moskau ein Punkgebet abgehalten und die | |
Gottesmutter um Mithilfe gebeten, Wladimir Putin zu vertreiben. „Heilige | |
Mutter Gottes, verjage Putin“, kreischten die Frauen, deren Auftritt 40 | |
Sekunden dauerte. | |
## Kirche hat bereits vergeben | |
Auch der Leiter des Moskauer Sretenski-Klosters, Tichon Schewkunow, schlug | |
am Samstag im russischen Staatsfernsehen einen versöhnlichen Ton an. | |
Schewkunow ist Präsident Putins Beichtvater und Ratgeber in geistlichen | |
Fragen. Die russisch-orthodoxe Kirche habe den Mitgliedern der Punkband | |
bereits unmittelbar nach deren Aktion in der Kirche vergeben, sagte der | |
Beichtvater. Davon wusste die Öffentlichkeit allerdings nichts. Dass die | |
Aktionskünstlerinnen ein Gnadengesuch an Wladimir Putin richten könnten, | |
hatten deren Anwälte jedoch unmittelbar nach dem Urteil bereits | |
ausgeschlossen. | |
Das Versöhnungsangebot hat offensichtlich mit dem Imageschaden zu tun, den | |
die Kirche erlitten hat. Sehr viele Gläubige haben sich abgewendet, weil | |
sie von der harten unchristlichen Haltung des Klerus enttäuscht sind. Das | |
Patriarchat stützte sich bei der „Operation Pussy Riot“ vor allem auf | |
Obskuranten und marginalisierte Kreise in seinen Reihen. Nun geht es zur | |
Schadensbegrenzung über. | |
„Mir tut es aufrichtig leid, dass dieses Urteil gefällt wurde“, sagte der | |
frühere Pressesprecher des Patriarchats, Wladimir Wigiljanski. Er | |
versicherte überdies, dass die Kirchenführung keinen Druck auf das Gericht | |
ausgeübt habe. Diese Aufgabe dürfte ohnehin der Kreml übernommen haben. | |
## Demonstranten in Gewahrsam | |
Nach dem Urteil waren etwa hundert Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude in | |
Gewahrsam genommen worden. Die meisten wurden noch in der Nacht zum Samstag | |
wieder auf freien Fuß gesetzt. Allerdings sollen 62 unter anderem wegen | |
Verstoßes gegen das Versammlungsrecht belangt werden. Unter den | |
Festgenommenen befand sich auch der Oppositionelle und Ex-Schachweltmeister | |
Garri Kasparow. Nach Angaben der Agentur Interfax drohen Kasparow bis zu | |
fünf Jahre Haft, weil er einen Polizeibeamten in den Finger gebissen haben | |
soll. Kasparow streitet das ab. | |
Offensichtlich sei der Polizist von seinem Hund gebissen worden, sagte er. | |
Nach seiner Freilassung schrieb er auf Twitter, er sei auf dem Weg in die | |
Notaufnahme, „um meine Verletzungen untersuchen zu lassen und zu beweisen, | |
dass ich nicht betrunken bin und niemanden gebissen habe“. | |
Auch Russlands Vizeministerpräsident Dmitri Rogosin schaltete sich ein, | |
nachdem er von dem Biss erfahren hatte: „Ich bitte das Innenministerium | |
darum, den gebissenen Beamten gegen Tollwut zu impfen“, twitterte der | |
rechtspopulistische Falke, der für den Rüstungssektor zuständig ist. | |
19 Aug 2012 | |
## LINKS | |
[1] /Pussy-Riot-verurteilt/!99880/ | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Russische Oppositionelle verurteilt: Acht Jahre ins Lager | |
Die offizielle Anklage gegen Taisia Osipowa lautete auf Drogenhandel. Aber | |
der Prozess in Smolensk war voller Merkwürdigkeiten. | |
Kreml vs. Pussy Riot: Verteidigung legt Berufung ein | |
Gegen die Verurteilung zu zwei Jahren Haft gehen die Anwälte der drei | |
„Pussy-Riot“-Musikerinnen in Berufung. Andere Bandmitglieder sollen im | |
Ausland sein. | |
Nach Urteil in Russland: Was Pussy Riot im Straflager erwartet | |
Zwei Jahre Straflager – das Urteil gegen drei Musikerinnen von Pussy Riot | |
ruft immer noch Proteste hervor. Und was genau erwartet sie in einem | |
Straflager? | |
Prozess gegen Pussy Riot: Die Gerechtigkeit der kurzen Leitung | |
Machte Richterin Syrowa absichtlich Verfahrensfehler im Prozess gegen Pussy | |
Riot? Sollte dem Kreml so ein Hintertürchen geöffnet bleiben? Überraschend | |
wäre das nicht. | |
Kommentar Pussy Riot: Schwäche, nicht Stärke | |
Mit dem harten Urteil gegen die Musikerinnen von Pussy Riot zeigt sich der | |
Kreml nicht als starken Staat, sondern als Papiertiger, der vor drei jungen | |
Frauen zittert. | |
Pussy Riot verurteilt: Rebellinnen müssen ins Straflager | |
Zwei Jahre Haft bekommen die Musikerinnen von Pussy Riot. Sie sind des | |
„Rowdytums“ aus religiösem Hass schuldig gesprochen worden. Ihre Anwälte | |
kündigen Revision an. | |
Prozess gegen russische Musikerinnen: Wie viel Punk steckt in Pussy Riot? | |
Am Freitag fällt in Moskau das Urteil im Prozess gegen Pussy Riot. | |
Musikerinnen sind sie nur am Rande, viel mehr haben sie mit der russischen | |
Aktionskunst zu tun. |