# taz.de -- Demonstrationen in Berlin: „Sarrazin isst heimlich Döner“ | |
> Groß getrommelt, nichts passiert: Die Rechtspopulisten von Pro | |
> Deutschland bekommen für ihre zweitägige Stadttour nur 50 Anhänger | |
> zusammen. | |
Bild: Viele gegen wenige: Gegenprotest in Berlin. | |
BERLIN taz | Mit verschränkten Armen stehen Mitglieder der Sahaba-Moschee | |
im Wedding vor ihrem Gebetshaus und beobachten die Szenerie auf der | |
Kreuzung. „Wir lassen uns nicht provozieren, auch wenn wir unsere Religion | |
beleidigt sehen“, sagt Burhan Kesici, Generalsekretär des Deutschen | |
Islamrats. 60 Meter weiter schwenken Anhänger der rechtspopulistischen | |
Partei Pro Deutschland hinter einer Polizeiabsperrung die Nationalflagge | |
und zeigen Schilder mit durchgestrichenen Moscheen. | |
Unter dem Motto „Der Islam gehört nicht zu Europa – Islamisierung stoppen�… | |
ist die Splitterpartei am vergangenen Wochenende durch Berlin getourt. Vor | |
drei Moscheen in Wedding und Neukölln und verschiedenen linken | |
Hausprojekten in Kreuzberg und Friedrichshain fanden Kundgebungen statt. | |
Dass die Aktion zum Zuckerfest, einem der wichtigsten islamischen Feiertage | |
stattfand, will Manfred Rouhs, Vorsitzender von Pro Deutschland, aber nicht | |
als Provokation verstanden wissen. Es gelte die Meinungsfreiheit: „Wir | |
erproben, ob die Muslime bereit sind, unsere rechtliche Situation | |
anzuerkennen.“ | |
Direkt vor dem Gebetshaus haben sich antifaschistische Aktionsbündnisse und | |
linke Parteien versammelt. Laute Musik dröhnt aus einem gelben | |
Doppeldeckerbus, der zum Protestbus umfunktioniert wurde. „Hasta la vista, | |
Rassista“ steht auf einem großen Transparent. „Nazis raus“, rufen die | |
Demonstranten den Rechten entgegen. | |
## Von weit her angereist | |
Um die Meinungsfreiheit der rechten Kleinpartei zu gewährleisten, die an | |
beiden Tagen nur mit je rund 50 Leuten auftritt, sind 1.800 Polizisten aus | |
verschiedenen Bundesländern im Einsatz. Sie sollen verhindern, dass sich | |
rechte und linke Demonstranten zu nahe kommen. | |
Verstärkung hatte auch Pro Deutschland nötig: Viele ihrer Anhänger gehören | |
zu Pro NRW oder der German Defence League und laufen sonst in Lübeck, Köln | |
und dem Rhein-Main Gebiet auf. Entsprechend unorganisiert geht es am | |
Samstag an der ersten Station zu. Bundesgeschäftsführer Seidensticker hat | |
Mühe, für jedes Plakat einen Träger zu finden. Dann gibt es Probleme mit | |
der eigens herangekarrten Lautsprecheranlage, die Ansprache des ersten | |
Redners verzögert sich. „Das hätte man wirklich vorher ausprobieren | |
können“, bemerkt ein Pro-NRWler genervt. | |
Vor der Al-Nur-Moschee in Neukölln werden die Rechtspopulisten schon | |
erwartet. Im Industriegebiet an der Grenzallee haben sich etwa hundert | |
Gegendemonstranten versammelt. Diesmal funktionieren die Lautsprecher von | |
Pro Deutschland, doch die Rufe der Gegendemonstranten und Muslime vor der | |
Moschee übertönen die Reden von Seidensticker und seinen Mitstreitern. | |
## „Hauptstadt der Angst, nicht mit uns!“ | |
Die Gegner der Rechtspopulisten sind bunt gemischt – und kreativ: „Sarrazin | |
isst heimlich Döner“, steht auf dem Schild einer 56-Jährigen. „Wir leben … | |
21. Jahrhundert“, sagt sie, „da würde ich mir mehr Toleranz wünschen.“ … | |
der Dar-Assalam-Moschee an der Flughafenstraße machen rund 1.000 | |
Demonstranten ihrem Unmut Luft. Es fliegen Farbbeutel und Flaschen in | |
Richtung der Rechten. „Wir dürfen nicht den Fehler machen, solche | |
Gruppierungen zu unterschätzen“, sagt Peter Schrott vom Bündnis Migration | |
Neukölln. | |
Am Sonntag dann startet Pro Deutschland vor dem Kreuzberger Rathaus. Vor | |
einem Jahr hatten dort Kiezbewohner eine Sitzung der Rechtspopulisten | |
blockiert. Auch heute warten schon 150 Gegner. Ihre Plakate haben die | |
Teilnehmer der von Pro Deutschland angekündigten „Freiheitlichen | |
Stadtrundfahrt“ dem Anlass angepasst: „Hauptstadt der Angst, nicht mit | |
uns!“ ist unter dem Bild eines schwarz Maskierten zu lesen. | |
Von eben jenen vermeintlich Maskierten bekommen sie an den linken | |
Hausprojekten an der Köpenicker, Revaler und Liebigstraße später aber nicht | |
viel zu sehen. Ihre Kundgebungen finden ein gutes Stück entfernt statt. Die | |
Polizei sorgt für Abstand. | |
19 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
E. Gamperl | |
M. Schmude | |
## TAGS | |
Salafismus | |
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