# taz.de -- Birma schafft Vorzensur ab: Endlich frei schreiben | |
> Birmas Regierung lockert seine strengen Pressegesetze und schafft die | |
> Vorzensur ab. Zumindest für Texte. Trotz Verbesserungen bleiben viele | |
> Journalisten skeptisch. | |
Bild: Können einen kleinen Erfolg feiern: Journalisten auf einer Demonstration… | |
BANGKOK taz | Jahrzehntelang haben Birmas Machthaber kaum eine Regelung so | |
streng angewandt wie die drakonischen Pressezensurgesetze. Alle Medien des | |
Landes mussten bis zuletzt fast alle Texte, die sie veröffentlichen | |
wollten, staatlichen Zensoren vorlegen. Damit soll jetzt Schluss sein: Das | |
Informationsministerium hat am Montag die staatliche Zensur beendet. | |
Die Abteilung für Pressekontrolle und Registrierung erklärte, Journalisten | |
müssten ihre Texte nicht länger vor der Veröffentlichung Zensoren vorlegen. | |
„Die Zensur hat am 6. August 1964 begonnen und endet 48 Jahre und zwei | |
Wochen später“, sagte Tint Swe, Leiter der Abteilung. | |
Er fügte jedoch hinzu, dass Filme weiterhin zensiert würden. | |
Fernsehjournalisten wiederum würden sich weiterhin „selbst zensieren“, | |
indem sie bei heiklen Themen das Ministerium um Handlungsanweisungen fragen | |
würden, sagte Tint Swe. Schon im Oktober 2011 hatte sich Birmas oberster | |
Zensurchef für ein Ende der Zensur ausgesprochen, da diese nicht mit | |
„demokratischen Praktiken“ vereinbar sei. | |
Ein Redakteur in der ehemaligen Hauptstadt Rangun sagte einer | |
Nachrichtenagentur: „Das ist ein großer Tag für Journalisten in Myanmar, | |
die viel zu lange Jahre unter diesen abscheulichen Einschränkungen arbeiten | |
mussten.“ | |
Bereits im vergangenen Jahr haben die Behörden die Zensur abgeschwächt. So | |
durften seitdem unverfängliche Texte – etwa Sportberichte, | |
Klatschgeschichten und der Wetterbericht – gedruckt werden, ohne dass | |
Zensoren zuvor ihr Einverständnis geben mussten. | |
## Journalisten testen Grenzen | |
Doch auch so hat sich viel getan, seit Präsident Thein Sein vor anderthalb | |
Jahren den Posten des Staatschefs übernommen hat: Berichte über | |
Demokratieführerin Aung San Suu Kyi waren noch vor Kurzem in Birmas Medien | |
undenkbar. Seit einigen Monaten ist es dagegen vollkommen normal, Suu Kyi | |
ist sogar auf den Titelseiten vieler Wochenmagazine und Tageszeitungen zu | |
sehen. Birmas Journalisten haben schnell die Grenzen ihrer neuen Freiheit | |
ausgetestet. Immer öfter haben die Zensoren sie gewähren lassen. | |
Auf dem Papier hat Birma damit jetzt sogar eine freiere Presse als | |
Thailand, wo selbst milde kritische Kommentare über führende Mitglieder des | |
Königshauses mit bis zu 15 Jahren Haft geahndet werden können. | |
In der Praxis wird sich jedoch erst zeigen müssen, wie frei Birmas Medien | |
wirklich arbeiten können. Erst kürzlich haben die Behörden zwei Magazine | |
verboten, weil sie Geschichten gedruckt haben, ohne diese zuvor von den | |
Zensoren absegnen zu lassen. Dutzende Journalisten gingen daraufhin in | |
Rangun auf die Straße. | |
## Angst vor Presserat | |
Sorge bereitet vielen Journalisten in Birma auch die kürzlich angekündigte | |
Einrichtung eines Presserats. Dieser soll aus Journalisten, einem | |
ehemaligen Richter des Obersten Gerichts und Akademikern bestehen und | |
Fragen der Medienethik klären sowie bei Streits schlichten. Viele | |
Medienschaffende befürchten, dass der Presserat die Arbeit der | |
Zensurbehörde ersetzen und Strafen für allzu kritische Berichte verhängen | |
könnte. | |
Eine weitere Frage ist, wem in Zukunft die Medien des Landes gehören | |
werden. Bislang sind alle Tageszeitungen in staatlicher Hand. Private | |
Medienhäuser dürfen nur Wochenzeitungen und Zeitschriften veröffentlichen. | |
Bei einer Podiumsdiskussion in Bangkok vor wenigen Wochen äußerten | |
birmesische Journalisten die Sorge, dass es sich im Fall einer Lockerung | |
dieser Regelung nur hochrangige Geschäftsleute leisten könnten, neue | |
Zeitungen auf den Markt zu bringen. Damit wären die Medien in der Hand | |
jener Leute, die jahrzehntelang mit den Militärherrschern gemeinsame Sache | |
gemacht haben. | |
Auch in Fragen der Medienethik herrscht dringender Handlungsbedarf. Als es | |
Anfang Juni zu schweren Ausschreitungen gegen muslimische Rohingya im | |
Westen des Landes gekommen ist, sind viele Redakteure, die für private | |
Medienhäuser arbeiten, auf den nationalistischen Zug aufgesprungen. Viele | |
Artikel und Kommentare aus dieser Zeit enthielten erschreckend abfällige | |
Passagen über Mitglieder dieser Minderheit. Manche Journalisten haben offen | |
rassistische Hasstexte verfasst. | |
20 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Sascha Zastiral | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Myanmar | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Etnische Konflikte im Grenzgebiet: Mehr als 100 Tote in Birma | |
Bei Zusammenstößen zwischen Buddhisten und Muslimen sind in Birma über 100 | |
Menschen getötet worden. Ethnische Konflikte sollen Hintergrund der Gewalt | |
sein. | |
Birmas Oppositionsführerin: Suu Kyi von Obama geehrt | |
Mit der Goldenen Ehrenmedaille wird Suu Kyi die höchste zivile Ehre der USA | |
zuteil. Sie wird damit für den Kampf gegen das Militärregime in Birma | |
ausgezeichnet. | |
Reformen in Birma: Moderate Kräfte gestärkt | |
Mit einer Kabinettsumbildung will Thein Sein den Reformkurs in Birma weiter | |
voranbringen. Von Demokratie und Frieden ist das Land noch weit entfernt. | |
Birmesischer Kabarettist in Berlin: Witze als Waffe | |
Weil er regimekritische Witze wagte, steckte ihn die Militärjunta für elf | |
Jahre ins Gefängnis. Jetzt macht der Kabarettist Zarganar mit Michael | |
Mittermeier Scherze über das Regime. | |
Gewalt zwischen Buddhisten und Muslimen: Kriegsrecht in Birma | |
Nach Gewalt zwischen Buddhisten und Muslimen mit 17 Toten hat der Präsident | |
Birmas den Notstand verhängt. Hintergrund ist die Vernachlässigung der | |
muslimischen Minderheit. | |
„The Lady“ porträtiert Aung San Suu Kyi: „Diese Männer sind nicht kompl… | |
In Luc Bessons Film „The Lady“ spielt Michelle Yeoh die birmesische | |
Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Ein Gespräch über Einsamkeit, | |
Herrschaft und mütterliche Pädagogik. |