# taz.de -- Kommentar Leiharbeit: Verhandlungen reichen nicht | |
> Verdi führt derzeit Gespräche über Tarifzuschläge für Leiharbeiter. Aber | |
> die Gewerkschaft droht, an ihrem eigenen Anspruch zu scheitern. | |
Ver.di hat am Montag mit den Leiharbeitsverbänden erste Gespräche über | |
Tarifzuschläge für Mietarbeiter geführt. Die Sondierungen sind Teil der | |
langsam voranschreitenden Reregulierung der Leiharbeit: Erst im Mai hatte | |
die IG Metall den Arbeitgebern Zuschläge abgerungen. | |
Es ist ein Erfolg der Gewerkschaften: Ohne ihren beharrlichen Druck und | |
öffentliche Kampagnen wäre es nicht gelungen, der boomenden | |
Beschäftigungsform wieder gewisse Grenzen aufzuzwingen. Denn | |
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat trotz Bekenntnissen zu | |
fairer Arbeit nur den wildesten Missbrauch à la Schlecker – heute gefeuert, | |
morgen als Leiharbeiter wieder eingestellt – untersagt. Der Mindestlohn, | |
der seit 2011 existiert, war hingegen ein Kompromiss, den ihr die | |
Opposition in einem Paket mit dem neuen Hartz-IV-Regelsatz abrang. | |
Viel mehr wird von der Ministerin auch nicht kommen: Sie betont immer | |
wieder, Leiharbeit dürfe nicht überreguliert werden, beispielsweise durch | |
eine zeitliche Beschränkung. Ihre Zurückhaltung lässt sich nicht nur durch | |
die Lobbyarbeit der immer wichtiger gewordenen Branche erklären, die ihr | |
Geld mit knapp 900.000 Beschäftigten verdient. Es ist auch Ergebnis einer | |
kühlen Marktanalyse. Neben all den Lohndumpingmotiven, die etliche der über | |
17.000 Verleiher antreibt, sind Leiharbeiter in der Exportindustrie längst | |
als Flexibilitätspuffer systematisch eingeplant. | |
So kann man der IG Metall kaum vorwerfen, ihre Verhandlungsmacht dafür | |
genutzt zu haben, Zuschläge durchzusetzen. Denn auf eine geläuterte | |
Ministerin, die „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ vorschreibt, wartet man | |
bisher vergeblich. | |
Für die Gewerkschaften Ver.di, Nahrung-Genuss-Gaststätten und ihre | |
Leiharbeiter ist das Ganze trotzdem unerfreulich. Denn gerade sie werden am | |
Anspruch scheitern, dass es die Tarifparteien richten könnten. Zu | |
zersplittert ist die Branchenlandschaft, zu vielschichtig sind die | |
Arbeitgeberinteressen, zu schwach die Gewerkschaften. Hier stößt die | |
Tarifautonomie an Grenzen: Wenn die Schwächsten aus eigener Kraft das | |
Machtungleichgewicht mit den Arbeitgebern nicht abmildern können, muss die | |
Politik eine Schutzfunktion übernehmen. Das hat der Gesetzgeber zum Glück | |
festgelegt. | |
20 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
## TAGS | |
EU | |
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