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# taz.de -- Globale Folgen der Ernteausfälle: Die Dürre-Profiteure
> Die Ernte in den USA fällt mies aus, global wird Nahrung teuer,
> Spekulanten sahnen ab: 4 Perspektiven auf ein Problem.
Bild: Mark Bergkamp, Farmer aus Kansas steht inmitten seines vertrockneten Mais…
WASHINGTON taz | Am Ende der zwölf heißesten und trockensten Monate, die je
in den USA gemessen worden sind, zeichnen sich massive Ernteausfälle bei
Mais, bei Soja und bei Weizen ab. Bauern quer durch den Mittleren Westen
stehen vor miserablen Ernten und finanzieller Sorge. Und Verbraucher –
nicht nur in den USA, sondern weltweit – müssen sich auf steigende
Lebensmittelkosten im nächsten Jahr einstellen.
Doch Spekulanten dürfen hoffen. Sie haben nicht nur in den vergangenen
Dürrewochen enorme Gewinne mit Futures am Getreidemarkt gemacht, sondern
können in den nächsten Monaten weitere Kursanstiege bei ihren Aktien in den
verschiedenen Bereichen des Landwirtschaftsbusiness erwarten.
An der Getreidebörse von Chicago, die über die Preise für
landwirtschaftliche Produkte im Mittleren Westen entscheidet, sind die
Futures für Mais von Juni bis Mitte August um mehr als 50 Prozent in die
Höhe geschnellt.
Auch die Werte für Weizen und Soja sind bis Juli rasant gestiegen –
befinden sich seit Anfang August allerdings in einem langsamen
Abwärtstrend. „Aus der Sicht von Investoren ist Knappheit interessant“,
erklärt Don Coxe, der einen Global Agribusiness Income Fund betreibt, der
Nachrichtenagentur Reuters.
Die Erfahrung zeigt, dass in den Jahren, die auf katastrophale Ernten
folgen, die Bereitschaft steigt, mehr Düngemittel einzusetzen und neue
Anbaumethoden auszuprobieren. Optimistisch in die Zukunft schauen in den
USA auch die Hersteller von großen Bewässerungsanlagen. Die Nachfrage nach
Sprinklern, die jeweils über 100.000 Dollar kosten, ist in den vergangenen
Jahren gestiegen. In diesem Sommer boomt die Branche.
Während das US-Landwirtschaftsministerium befürchtet, dass die steigenden
Lebensmittelpreise – durchschnittlich 3 Prozent im Jahr 2013 – einen
inflationären Schub auslösen könnten, sehen Anlageberater „Chancen für
Investoren“. Richard Davis, Portfoliomanager des BlackRock World Resources
Income Fund, verspricht dank der Preisanstiege bei Mais und und Soja „hohe
Profite“. DOROTHEA HAHN
## Getreidebauern sahnen ab
BERLIN taz | Auch wenn sie auf der Gewinnerseite stehen: Bauern jubeln
nicht. Schließlich sitzen sie immer an irgendeinem Verhandlungstisch, an
dem es um Subventionen oder die Preise für ihre Waren geht. Darum muss der
neue Bauernpräsident Joachim Rukwied schon sehr zufrieden sein, wenn er bei
den Preisen von Agrarrohstoffen „äußerst feste Tendenzen“ beobachtet und
feststellt: „Das sind ordentliche Preise.“ Soll heißen: Wer in diesem Jahr
Weizen, Gerste oder Roggen angebaut hat, der verdient richtig Geld. Bis zu
240 Euro pro Tonne Weizen bekommt der Landwirt, vor einem Jahr waren es
nicht mal 200 Euro.
Auch die Biobauern profitierten derzeit vom „weltweiten
Verknappungsszenario“ auf den Getreidemärkten, sagt Michael Wimmer,
Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau
Berlin-Brandenburg. Ihren Weizen oder Roggen können sie zu guten Preisen
verkaufen, zudem wartet eine stetig wachsende Käuferzahl auf ihre Produkte.
Eine Ausweitung der Anbaufläche gibt es aber trotzdem nicht. Zum einen gehe
es den konventionell wirtschaftenden Bauern derzeit so gut, dass sie keinen
Grund zur Umstellung sähen. Zum anderen leiden Bauern unter dem
Erneuerbare-Energien-Gesetz, das über die Subventionen für Biogas auch den
Anbau von Mais fördert.
„Landwirte, die Mais für Biogasanlagen anbauen, die zahlen Pachtpreise
jenseits von Gut und Böse“, sagt Wimmer. Er schätzt, dass Mais mit um die
tausend Euro pro Hektar subventioniert wird. Mit Mais ließen sich daher
Erlöse erwirtschaften, die mit Brotweizen oder Roggen unerreichbar seien.
Kauf- und vor allem Pachtpreise für Ackerland steigen stetig. Davon
profitieren die Landwirte, die auf Bioenergie setzen, solche, die
Nahrungsmittel pflanzen, bringt das Preisgefüge in arge Bedrängnis.
Vor allem Betriebe, die auf Pachtland angewiesen sind – wie traditionell
Biobauern in Brandenburg – sind betroffen. Auch die Tierhalter stöhnen,
viele können sich die Flächen nicht mehr leisten, die sie pro Tier
vorhalten müssen, um die anfallende Gülle darauf zu verteilen. Gewinner
sind derzeit also vor allem die Besitzer von Ackerland. HEIKE HOLDINGHAUSEN
## Futtermittel teurer
BERLIN taz | „Aktuell dringend Schlachtschweine für kurzfristige
Vermarktung gesucht“, heißt es auf der Internetseite der
Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands. Kein Wunder,
beobachtet die Agrarmarkt-Informationsgesellschaft im August so deutliche
Preissteigerungen wie seit Einführung des Euros nicht mehr. 1,83 Euro pro
Kilo bekommt ein Mastbetrieb derzeit, 23 Cent mehr als noch vor einem
Monat. Das ist Rekord. Allerdings: Nicht nur die Einnahmen steigen rasant,
sondern auch die Ausgaben für Futtermittel und Energie werden sehr viel
teurer.
75 Prozent über dem Vorjahresniveau liegt derzeit der Preis für Soja. Das
mischen die Landwirte ihren Schweinen als Eiweißlieferanten unters Futter,
und zwar nicht die ganze Bohne, sondern nur das „Sojaextraktionsschrot“,
einen Rückstand aus der Ölgewinnung. Insofern treibt nicht nur die
schlechte Ernte, sondern auch der steigende Preis für Erdöl die Kosten für
das Tierfutter in die Höhe.
Während Schweinefleisch frei gehandelt wird und die Preise dafür
dementsprechend stark schwanken können, werden Hähnchen und Puten meist
aufgrund langfristiger Lieferverträge ge- und verkauft. Darum liegen die
Preise pro Kilogramm Geflügel etwa auf Vorjahreslevel, rund 98 Cent pro
Kilo Hähnchen und 1,40 Euro pro Kilo lebende Pute. Die Geflügelhalter
können die enormen Preissteigerungen beim Futter nicht einfach
weiterreichen. „Bei der augenblicklichen Kostensituation kann kein
deutscher Putenhalter auskömmlich wirtschaften“, teilt der Zentralverband
der deutschen Geflügelwirtschaft mit.
Die Geflügelzüchter appellieren darum an die Verbraucher, mehr für
Geflügelfleisch zu bezahlen, sonst stehe die Existenz von Betrieben auf dem
Spiel. Damit würde die Dürre in den USA wohl einen längerfristigen Trend
verstärken. Seit Jahren halten in Deutschland immer weniger Betriebe immer
mehr Tiere. So leben laut Statisches Bundesamt 99 Prozent der Hähnchen in
Mastbetrieben mit mehr als 10.000 Tieren, in den meisten Ställen leben
sogar mehr als 50.000 Tiere. Auch die Zahl der Schweinehalter geht zurück.
HEIKE HOLDINGHAUSEN
## Nigeria: Düstere Prognosen
ABUJA taz | Tomaten glänzen hellrot in der Sonne, die Orangen sind im
Moment besonders süß, und die Frühkartoffeln haben in diesem Jahr eine gute
Qualität. Dabei steht die Erntesaison erst bevor, die Nigerias Kornkammern
reichlich füllen soll. Noch herrscht keine Angst vor steigenden
Lebensmittelpreisen aufgrund der Dürre in den USA – das könnte sich ändern.
Nigerianer müssten sich mittelfristig auf höhere Lebensmittelpreise
einstellen, meint Chinedum Nwajiuba, Agrarwissenschaftler und Leiter des
Teams für Nigerianische Umweltstudien (Nest) in Ibadan. „Denn viele
westafrikanische Länder sind abhängig von den USA. Sie bekommen
Lebensmittelhilfe oder importieren Güter.“
Treffen wird ein Preisanstieg in Nigeria anders als in vielen anderen
afrikanischen Ländern vor allem die Stadtbevölkerung. Denn laut Nwajiuba
führt das Land hauptsächlich Reis und bereits verarbeitete Weizenprodukte
wie Nudeln ein, aber auch Zucker, Geflügel, Rindfleisch und Milch. Es sind
klassische Nahrungsmittel der Städter. Und deren Zahl steigt rasant an.
Alleine in der Hafenstadt Lagos sollen mittlerweile 18 Millionen Menschen
leben. Für sie sind die Bauernhöfe von Familien und Verwandten
unerreichbar. Lebensmittel müssen schlichtweg gekauft werden, obwohl der
Lohn oft nur für eine Schlafstelle in einem schmuddeligen Mehrbettzimmer
reicht. „Daher werden höhere Preise zu mehr Armut, Hunger und Unsicherheit
innerhalb der Stadtbevölkerung führen“, sagt Nwajiuba. Weniger betroffen
sei die Landbevölkerung, die traditionelle Nahrungsmittel wie Mais, Bohnen
und Yams selbst anbaut.
Doch schon aufgrund der steigenden Nachfrage wird Nigeria in Zukunft
stärker von Lebensmittelimporten abhängig sein, davon geht Nwajiuba aus.
Denn die Bevölkerung steigt rasant an. Nach Schätzungen der Vereinten
Nationen könnten bereits in 100 Jahren 720 Millionen Menschen in dem
westafrikanischen Staat leben. Bereits heute sollen es 160 Millionen sein.
„Wir brauchen dringend ein Programm für eine neue Bauerngeneration“,
fordert er. Nur so könne man mittelfristig für die steigende
Stadtbevölkerung sorgen. KATRIN GÄNSLER
23 Aug 2012
## AUTOREN
D. Hahn
H. Holdinghausen
K. Gänsler
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