# taz.de -- Eichenprozessionsspinner: Ein Insekt zum Haare raufen | |
> Deutschland hat ein neues Problemtier: den Eichenprozessionsspinner. | |
> Warum die Raupen so gefährlich sind und was gegen sie getan werden kann. | |
Bild: Gefährliches Gewimmel: Eichenprozessionsspinner tummeln sich nicht nur a… | |
BERLIN taz | „Betreten verboten, Eichenprozessionsspinnerraupen“. Solche | |
Schilder sieht man in diesem Sommer immer öfter. Die Warnungen sollen | |
verhindern, dass Menschen mit einem winzigen Tier in Berührung kommen, das | |
bis vor Kurzem noch kaum jemand kannte. | |
Die wenige Zentimeter große Raupe mit den langen Haaren ist das neue | |
Problemtier Deutschlands. Sie taucht im Süden auf, im Westen, in | |
Berlin-Brandenburg, Sachsen-Anhalt und in Hamburg. Betroffen sind nicht | |
nur, wie früher, Eichenwälder, sondern zunehmend auch innerstädtische | |
Parks, Gärten und Siedlungen. | |
Dabei gelten die Raupen, deren Name darauf zurückgeht, dass sie sich in | |
großen Gruppen an der Baumrinde entlang bewegen (siehe Video unten), nicht | |
als Problem für die Bäume – solange sie die Kronen nicht wiederholt | |
komplett kahl fressen, sondern vor allem für den Menschen. Der Grund sind | |
die feinen Haare der Insekten, die – als Schutz vor Fressfeinden – ein | |
Nesselgift enthalten. Kommt das mit der Haut oder mit Schleimhäuten in | |
Kontakt, führt es häufig zu allergischen Reaktionen, im schlimmsten Fall zu | |
einem allergischen Schock. | |
Nicht nur Menschen sind gefährdet: Halter berichten, dass auch Hunde und | |
Pferde nach dem Kontakt erkrankten. Der Zeitraum, in dem die Brennhaare in | |
der Umwelt sind, beschränkt sich keineswegs auf die Zeit, in der sich die | |
Tiere im Raupenstadium befinden. | |
Bis in den November hinein warnen die Behörden vor Kontakt. Dass die | |
Raupen, die noch vor zehn Jahren vor allem in Südeuropa zu finden waren, | |
nun auch hier heimisch werden, führen Wissenschaftler auf den Klimawandel | |
zurück. Die Tiere gelten als wärmeliebend: je milder die Frühjahre, desto | |
stärker die Verbreitung, so die Schlussfolgerung. | |
2006 habe man erstmals Exemplare des Eichenprozessionsspinners entdeckt, | |
sagt Bernd Roser, Abteilungsleiter im Grünflächenamt von Frankfurt am Main. | |
Mittlerweile sei das Insekt flächendeckend zu finden. Die Behörden | |
versuchen, der Raupe mit zwei unterschiedlichen Methoden den Garaus zu | |
machen: Im Stadtwald setzt die Stadt ein Biozid ein, 125 Hektar werden | |
damit besprüht. | |
## Der Spinner geht, die Haare bleiben | |
Bei einzeln stehenden Eichen, etwa auf Schulhöfen, gehen die | |
Schädlingsbekämpfer anders vor: Sie versehen die Nester erst mit | |
Klebemittel, um ein Ausbreiten der Raupenhaare zu verhindern und saugen sie | |
dann ab. Ein aufwendiges, teures Unterfangen: Ein Spezialist für | |
Schädlingsbekämpfung muss in Spezialkleidung anrücken, meist eine Hebebühne | |
mitbringen, um überhaupt an die Nester zu kommen. | |
Und selbst wenn diese entfernt sind – die Haare sind damit noch nicht weg. | |
„Man sollte den nächsten Regenguss abwarten“, sagt der Biologe und | |
Schädlingsbekämpfer Björn Kleinlogel. Laut Roser müssen in Frankfurt | |
jährlich etwa 300 bis 600 Bäume so behandelt werden. | |
Doch den Einsatz des Biozids kritisiert der Naturschutzbund (Nabu). | |
Schließlich gehe es bei dem Gifteinsatz vor allem um wirtschaftliche | |
Interessen, weil das Holz der befallenen Bäume nicht mehr genutzt werden | |
könne. „Man könnte das Absterben der Eichen auch einfach tolerieren“, sagt | |
Waldreferent Stefan Adler. | |
Wirklich gegen die Nester vorgehen müsse man seiner Meinung nach nur da, wo | |
es eine akute Gefährdung des Menschen gebe – etwa in Parks. „Durch die | |
Bekämpfung mit Gift aus dem Hubschrauber wird der Eichenprozessionsspinner | |
nicht dauerhaft an einer Ausbreitung gehindert“, kritisiert Adler. | |
Abgesehen davon schädige die Substanz nicht nur den Spinner, sondern auch | |
andere Lebewesen. | |
## Teures Teufelszeug | |
„Es wirkt natürlich auch auf andere Schmetterlingsraupen“, sagt auch | |
Amtsmann Roser über das Biozid. Doch habe man bei einem Vergleich zwischen | |
behandelten und nicht behandelten Flächen keine signifikanten Unterschiede | |
festgestellt. „Die Auswirkungen sind nicht so erheblich, dass zum Beispiel | |
die Vögel keine Nahrung mehr finden.“ | |
Wenn Schädlingsbekämpfer Kleinlogel über den Eichenprozessionsspinner | |
spricht, klingt es mitunter, als gehe es um seinen persönlichen Feind. | |
„Teufelszeug“, sagt er über das Insekt. „Wir ziehen an, was wir können,… | |
trotzdem kriegt man immer wieder etwas ab.“ Das größte Problem gebe es nach | |
der Beseitigung der Nester: „Zieht man dann die Kleidung aus, kommt man mit | |
den Brennhaaren in Kontakt, setzt man sich damit ins Auto, ist das Fahrzeug | |
kontaminiert.“ | |
Mittlerweile lagere sein Unternehmen sämtliches Material für die | |
Beseitigung des Spinners in einem Extracontainer. Es gebe Autos, die nur | |
für die Fahrten zu diesen Einsätzen verwendet werden. Der | |
Schädlingsbekämpfer plädiert für Gift vorher, statt hinterher abzusaugen – | |
obwohl ihn das einen Teil seiner Aufträge kosten würde. „Aber für die | |
Kommunen ist das wirtschaftlich viel sinnvoller.“ | |
Denn die Beseitigung kostet: 130 Euro pro Stunde verlangt Kleinlogel. | |
Manchmal reicht das für einen Baum, meistens nicht. „Im Extremfall arbeiten | |
zwei Mann einen Tag lang mit einer Arbeitsbühne.“ Die Aufträge kämen vor | |
allem von Städten und Gemeinden. „Der Privatmann kann eher mal sagen, dann | |
nutzt er eben das Grundstück nicht, wenn ihm die Beseitigung zu teuer ist“, | |
sagt Kleinlogel. Bei einem Kindergarten sei das nicht so einfach. | |
28 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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