# taz.de -- Im Wald lauert die Gefahr: Vorsicht, Rauptiere! | |
> Im Wald warnen längst Plakate vor der Raupe des | |
> Eichenprozessionsspinners. Nun rücken die Tiere mit den Gifthaaren in die | |
> ganze Stadt vor. | |
Bild: Sehen kuschelig aus, sind es aber nicht: Eichenprozessionsspinner. | |
Ein Gespinst geht um in Berlin. Es ist das Gespinst des | |
Eichenprozessionsspinners, einer kleinen Raupe, die sich wollige Nester aus | |
Spinnfäden in den Berliner Eichen baut. Die rund fünf Zentimeter langen, | |
über und über mit giftigen Haaren bewachsenen Tiere treiben momentan viele | |
Bezirksämter zur Verzweiflung. | |
Bisher befielen die pelzigen Raupen hauptsächlich Eichen im Südwesten | |
Berlins. Dieses Jahr sind so gut wie alle Stadtteile betroffen. Brennpunkte | |
sind Steglitz-Zehlendorf, Spandau und Treptow-Köpenick, Bezirke mit großen | |
Waldflächen. „So schlimm wie in diesem Jahr war es wirklich noch nie“, sagt | |
Peter Boas, Experte des Pflanzenschutzamts Berlin. „Normal sind es bei | |
starkem Befall sieben bis zehn Nester pro Eiche. Im Plänterwald gab es | |
letzte Woche einen Baum mit 56 Nestern. Das ist | |
Guinness-Rekord-verdächtig.“ | |
## „Da fühlt er sich wohl“ | |
Boas und sein Team beobachten seit 2004 einen Anstieg der Population des | |
Eichenprozessionsspinners. Der Falter ist hier durchaus heimisch, in der | |
Vergangenheit gab es aber so wenige Tiere, dass sie nicht weiter störten. | |
Als Grund für die jüngst starke Vermehrung vermutet Boas das immer milder | |
werdende Klima: „Das mag er gern, da fühlt er sich wohl.“ Der | |
Pflanzenschützer nimmt an, dass die Raupenplage die BerlinerInnen auch in | |
den kommenden Jahren beschäftigen wird: „Ein Einknicken der Population ist | |
nicht abzusehen, da kann der Winter noch so hart sein. Die Eier überleben | |
das gut.“ Im Herbst wird er den Hochzeitsflug der entwickelten Falter | |
beobachten. Dann kann er Aussagen über die für den Sommer 2013 zu | |
erwartenden Raupenzahlen machen. | |
Abgesehen davon, dass die Raupenhorden die Eichen kahl fressen, | |
beschäftigen sie die Behörden auch wegen ihrer flauschigen Haare, die ein | |
Nesselgift enthalten: Sie sind für den Menschen nicht ungefährlich. | |
Manchmal fallen die winzigen Härchen aus, und der Wind trägt sie fort – | |
schlimmstenfalls ins Gesicht eines Spaziergängers. Die Folge: juckende, | |
rote Quaddeln. Allergiker reagieren mit Atemnot, schlimmstenfalls mit einem | |
allergischen Schock. | |
Die Bekämpfung der Raupen ist schwierig. Im Siedlungsgebieten dürfen sie | |
nicht mit Gift ausgerottet werden. Spezialfirmen müssen mit Schutzkleidung | |
und Atemmaske anrücken, um die Nester mit Saugern zu entfernen und Reste | |
abzuflammen. Das kostet. Auf dem regelmäßig befallenen Südwestkirchhof in | |
Stahnsdorf denkt man in diesem Jahr daher erstmals über den Einsatz | |
biologischer oder chemischer Mittel nach, um der Plage Herr zu werden. „Die | |
alljährliche finanzielle Mehrbelastung ist langfristig nicht vertretbar“, | |
sagt Friedhofsleiter Olaf Ihlefeldt. | |
Die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Umwelt sowie für Gesundheit | |
und Soziales warnen derzeit in Zusammenarbeit mit den Bezirken mit Plakaten | |
und Infobroschüren vor der flauschigen Gefahr. Außerdem riefen sie am | |
vergangenen Dienstag die Bevölkerung auf, befallene Eichen in ihrer | |
Umgebung den Bezirksämtern zu melden. Nur: Die wissen gar nicht, wie sie | |
der Masse Herr werden sollen. „Von den rund 12.000 Eichen, die wir in | |
Spandau haben, ist die Hälfte befallen“, weiß der Leiter des Spandauer | |
Grünflächenamts Stefan Pasch. „Die können wir einfach nicht alle absaugen.… | |
Die meisten Bezirksämter werden nur tätig, wenn Menschen akut gefährdet | |
sind, etwa beim Befall von Bäumen auf dem Gelände öffentlicher Kitas oder | |
Schulen. Die meisten Nester hängen freilich in den Berliner Forsten. | |
Christa Markl-Vieto, grüne Umweltstadträtin von Steglitz-Zehlendorf, | |
fordert deshalb Unterstützung durch die Senatsverwaltung: „Aus unserem | |
Budget ist das einfach nicht zu leisten. Es ist unfair, Bezirke mit einem | |
großen Waldbestand mit dem Problem alleinzulassen.“ | |
## Berühren ist tabu | |
Bisher wird nicht erfasst, in wie vielen Fällen BerlinerInnen tatsächlich | |
an Reaktionen auf die Raupenhaare des Eichenprozessionsspinners litten. | |
Dennoch sollte man sich der Gefahr beim nächsten Waldspaziergang bewusst | |
sein und sich schützen. Das geht am besten, indem man sich von den | |
Gespinsten und den Raupen fernhält, die ihrem Namen alle Ehre machen und in | |
pelzigen Zügen durch den Wald marschieren: Berühren ist tabu. Zu Hause | |
sollte man trotzdem die Kleidung wechseln und sich waschen. Und wer Nester | |
sichtet, sollte sie den Bezirken melden. | |
Die Gesundheit mancher Menschen gefährdet der Eichenprozessionsspinner | |
sogar aus der Ferne: „Die Raupe beschäftigt jetzt seit drei Wochen drei | |
meiner Mitarbeiter nonstop“, berichtet Spandaus Grünflächenamtsleiter | |
Pasch. „Am Ende der Saison brauche ich eine Kur.“ | |
21 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Miriam Hauft | |
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