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# taz.de -- Comedykünstler Tedros Teclebrhan: Der verhakt sich im Hirn
> Tedros Teclebrhan mach sich über den Integrationstest lustig und erneuert
> den deutschen Humor. Am Freitag geht er auf Tournee. Zeit für einen
> Besuch.
Bild: „Umfrage zum Integrationstest“ wurde zu einem Internethit.
Es gibt Geschichten, die sind wie für Journalisten geschrieben: Ein Junge
flüchtet vor dem Bürgerkrieg in Eritrea, landet mit seiner Mutter in einem
deutschen Asylbewerberheim und schließlich in Mössingen, einer schwäbischen
Kleinstadt. Ein schwarzer Junge, der Ärger macht auf der Hauptschule, für
ein Jahr ins Heim geht und irgendwann mit abgebrochener Ausbildung dasteht.
„Ich habe viel Quatsch gemacht“, sagt Tedros Teclebrhan. Mehr will er dazu
nicht sagen.
Er besucht seine Tante in Kanada, ein Moment der Erkenntnis, „es macht
klick“, als sie ihm vom Bürgerkrieg erzählt: wie seine Mutter gekämpft hat,
um ihn nach Deutschland zu bringen. Nach diesem Gespräch will Teclebrhan
klarkommen im Leben. Zurück in Deutschland lässt er sich „Tesfa“ auf den
Arm tätowieren, das heißt Hoffnung auf Tigrinya.
Ein Jahrzehnt später hat er seine eigene Show auf ZDFneo, „Teddy’s Show“.
Die erste Staffel ist inzwischen zu Ende, über eine zweite wird bis Ende
September entschieden. Die Menschen erkennen ihn auf der Straße,
Jugendliche wiederholen seine Sätze ehrfürchtig wie Gebete: „Was laberscht
du?“
Seine Tournee dürfte ihn noch berühmter machen. Am 31. August startet
Teclebrhan in Ludwigsburg, Baden-Württemberg. Und Lohan Cohan, der
amerikanische Superstar mit dem affektierten Lachen, ein Charakter aus
„Teddy’s Show“, bringt bald seine neue Single heraus: „Who Wants to Bor…
my DicKtionary?“
## Mit Youtube zum Comedystar
Bekannt wurde Tedros Teclebrhan mit der [1][„Umfrage zum Integrationstest“]
vor einem Jahr. Innerhalb von fünf Tagen hatte das YouTube-Video eine
Million Klicks. Heute sind es fast 17 Millionen. Wer schafft das schon?
Das Video erschien in einer Zeit, als alle über Migranten sprachen,
Sarrazins Thesen waren erst vor ein paar Monaten erschienen. Teddy alias
Antoine Burtz tauchte im Internet auf wie der Albtraum eines
Integrationsbeauftragten: breitbeinig, blondierter Schnurrbart, weißes
Feinripp-Shirt. Was er dafür tut, um sich zu integrieren? „Boah, ich hab
viel gemacht, ey. Bei uns is normal, isch schlag mei Frau. Ich hab die
nicht mehr jetzt geschlagen – seit zwei Monate!“ Ist das echt, fragen die
User. Oder Quatsch?
Die Frage, wann denn die Mauer gefallen ist, reizt Antoine zum Lachen. „Was
fürn Fall, Alter? Was laberscht du?“
Tedros Teclebrhan sollte dieses Video oft erklären. Vor kurzem erst in
einer Talkrunde mit Giovanni di Lorenzo, als die Schauspielerin Barbara
Rütting, die lange bei den Grünen war, mit ernstem Gesicht erklärte, dass
man so etwas mit Humor nehmen muss, auch wenn es bedrückend ist. Und Tedros
Teclebrhan sitzt inmitten des Bildungsbürgertums, das ihn verblüfft
begutachtet, als er erklärt, dass er als Jugendlicher nie im Theater war
und trotzdem Schauspieler werden wollte, und sagt geduldig, dass es ihm gar
nicht um politische Satire ging. „Ich finde nur die Situation lustig, wenn
jemand etwas falsch beantwortet und sich dann irgendwie retten will.“
## Originell und geheimnisvoll
Belgisches Viertel, Köln. Tedros Teclebrhan sitzt im „Salon Schmitz“,
grauer Hut, weißes T-Shirt, lässig. „Ich finde Antoine so geil, weil er zu
sich steht“, sagt Teclebrhan. „Er macht alles falsch, ist aber irgendwie
sympathisch. Was ist denn so schlimm, wenn jemand was Falsches sagt?
Natürlich darf man Fehler machen.“
Was ist mit den anderen Figuren? Der Schwabe Ernst Riedler, der Tag für Tag
in der Weinstube sitzt und über Ausländer lästert? Was ist das für ein Typ?
„Ernschtrhittler“, sagt Teclebrhan. Soll das klingen wie Hitler? „Nein.“
Teclebrhan verzieht keine Miene. Und dann: „Es gibt ja auch die Stadt
Riedlingen.“
Kryptisch? Ja. Teclebrhan erklärt seine Witze nicht; fragt man nach,
antwortet er freundlich, man weiß aber trotzdem nicht, ob er einen gerade
verspottet. Nein, die Figur Ernst Riedler sei keine Rache an den Schwaben,
sagt Teclebrhan. Er ahme einfach gerne Menschen nach. „Ich gehe nicht mit
Zeigefinger an Figuren, überhaupt nicht“, sagt er. „Ich erzähle nur das,
was mir widerfährt, was ich mag, und was ich nicht mag.“
Damit erfindet er gerade die deutsche Comedy ein wenig neu – nicht nach dem
Offensichtlichen haschend, weniger laut, cooler. Auf ZDFneo führt er so
entspannt durch seine Show, als käme er gerade aus der Sauna. Seine
Videoclips, die er zwischendurch einspielt, mit Antoine, Ernst Riedler und
den anderen, sie wirken, als hätte er an einem langweiligen Nachmittag mit
einem Kumpel und einer Kamera herumgealbert.
## Lachen über kleine Dinge
Eigentlich sind diese Filme nicht besonders lustig. Jedenfalls nicht nach
den klassischen Regeln des Humors. Wo ist die Fallhöhe, der Bruch? „Was ist
denn lustig?“, fragt Teclebrhan. Kalauer? Witze, die knallen? „Flanke und
Tor?“ Tedros Teclebrhan schaut zum ersten Mal während des Gesprächs so, als
sei es ihm wirklich ernst. „Nein.“
„Es gibt so viele lustige Momente im Leben. Blicke von Menschen, die dich
umhauen. Es muss nicht immer nur Sprache sein.“
Worüber lacht man also, wenn man einen Clip von Tedros Teclebrhan anschaut?
Manche Videos dauern 17 Minuten, „Antoine’s Traum“ zum Beispiel, und
bekommen trotz dieser Längen drei Millionen Klicks auf YouTube. Antoine
zeigt dem Zuschauer sein Kücheneck, die Kaffeemaschine („Hier kommt Wasser
rein, weischt, hier Bohnen, glaub ich“). Vielleicht entsteht die Fallhöhe
dadurch, dass sich Antoine, mit Pelz und blondiertem Schnurrbart, mit der
Kücheneinrichtung beschäftigt. Oder dass er den Kameramann ermahnt: „Bissle
Kopf anmachen, weischt?“, wobei er selbst nicht gerade der Hellste ist.
Oder einfach durch dieses unerschütterliche Selbstbewusstsein der Figuren.
Beim ersten Mal Teddy schauen, denkt man sich: Was für ein Quatsch. Beim
zweiten Mal wird es schon lustiger, irgendwie hat sich dieser absurde Humor
im Gehirn verhakt. Und beim dritten Mal, wenn man diese 17 Minuten gesehen
hat, beim dritten Mal heult man vor Lachen.
## Ein talentierter Schauspieler
„Ich setz mich nicht unter Druck“, sagt Teddy. „Ich spiele nur. Es geht
nicht um Pointen, nicht um Knaller, ich spiele einfach nur.“
Und das gut. Teclebrhan hat sein Handwerk gelernt. Er war auf der
Schauspielschule in Stuttgart. Die Gebühr musste er von der Miete
abzweigen. Seine Mutter, mit der er damals zusammenlebte, blieb gelassen,
als die Stadtwerke den Strom abstellten. Dann kam ein Stipendium und es
ging nur noch aufwärts. Teclebrhan spielte für die SWR-Serie „Laible und
Frisch“ Peter Gesesse, einen schwarzen, schwäbelnden Tankstellenwart. Die
perfekte Rolle für ihn.
Die blonde, zickige Bäckerstochter Lena Frisch fährt bei ihm vor.
„Volltanken!“ Er guckt blöde. Sie, überdeutlich: „Sprechen Sie kein
Deutsch?“ Als sie schließlich eigenhändig getankt hat, sagt er lässig:
„Wenn Se mit Karte zahle wellet, müsset Se neigange.“ Sie, außer sich: �…
dachte, Sie sprechen kein Deutsch?“ „Tu ich aunedd. I schwätz Schwäbisch!…
Tedros Teclebrhan hat seine Fans zumeist mit Rollen gewonnen, in denen er
eher bildungsferne Migranten spielt. Antoine, der Held des
Integrationstests, der mit Pelzmantel in seiner Wohnung posiert. Percy, der
Gedichte von Heinrich Heine vorliest und sich nach jeder Zeile kaputtlachen
muss. Und selbst Ernst Riedler hält man erst einmal für einen gealterten
Gastarbeiter, der die rassistische Attitüde der Schwaben übernommen hat.
„Du siehst nur die Hautfarbe“, sagt Tedros Teclebrhan vorwurfsvoll. Ernst
Riedler ist nämlich Ur-Deutscher.
## Mehr als ein Comedian
Tedros Teclebrhan macht sich gerne über Rassismus in Deutschland lustig.
Aber man tut ihm Unrecht, wenn man ihn auf diese Rolle reduziert, so wie
das gerade häufig passiert. In Gesprächen muss er öfter auf seine
Schauspielausbildung hinweisen. Dabei spielt er unaufdringlich und
pointiert, er kann singen, tanzen, er ist Profi. Er war ein Jahr lang beim
Musical „Hairspray“ und stand jede Woche acht Mal auf der Bühne. Seitdem,
sagt Tedros Teclebrhan, kann er Müdigkeit und schlechte Laune ignorieren.
Seine gut gelaunte Selbstironie lässt auch Kollegen steif aussehen, die
schon viel länger im Geschäft sind. Als Tedros Teclebrhan im Juni in der
Show von Stefan Raab sitzt, fragt der herablassend, welche Perspektive es
denn für ihn beim ZDF gebe. „Ich krieg erst mal ne Aufenthaltsgenehmigung“,
sagt Teclebrhan.
Wie bleibt man so cool? „Es ist wichtig, sich selbst nicht ernst zu nehmen.
Dein Gegenüber kocht auch nur mit Wasser.“ Kurze Pause. „Und natürlich vi…
Marihuana.“
29 Aug 2012
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=vcAN-Efb57I&feature=related
## AUTOREN
Steffi Unsleber
Steffi Unsleber
## TAGS
Kanada
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