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# taz.de -- Direktorin des Busch-Museums über Karikatur: "Eine wunderbare Zeit…
> Gisela Vetter-Liebenow ist Direktorin des Wilhelm-Busch-Museums in
> Hannover. "Karikaturen", sagt sie, "sind angewandte Kunst".
Bild: Unsterblich: Max und Moritz, hier in einer aktualisierten Form in der Aus…
taz: Frau Vetter-Liebenow, woran liegt es, dass Max und Moritz ihre
Popularität nicht verlieren?
Gisela Vetter-Liebenow: Es ist die Fähigkeit von Wilhelm Busch, uns in die
Seele zu schauen. Man findet sich in den Geschichten wieder und kann mit
ihnen auf Abenteuer gehen. Sie erzählen davon, was man gerne gemacht hätte
oder vielleicht auch selber erlebt hat. Es ist auch der Reiz des
Verbotenen: In diesen Geschichten kann man dem Verbotenen mit Lust
begegnen.
Gäbe es da nicht auch andere Kinderbücher, die das leisten?
Sicher. Aber nach wie vor bekommen ganz viele Leute Max und Moritz mit als
erstes Buch in die Hand. Das setzt sich von Generation zu Generation fort.
Und was einen in diesen ersten Erfahrungsschritten begegnet, ist ja
ziemlich nachhaltig.
Nach ihren Streichen werden Max und Moritz zu Korn gemahlen und von Enten
gefressen. Ist die Geschichte nicht eigentlich zu grausam nach heutigen
pädagogischen Vorstellungen?
Der entscheidende Punkt ist: Die Geschichte ist gezeichnet. Sie ist nicht
real. Das böse Ende der beiden ist auch irreal. Das tut nicht wirklich weh.
Und man solidarisiert sich auch nicht mit den beiden. Aber es macht Spaß,
den beiden Bösewichten zuzugucken.
Wie haben Sie Max und Moritz kennengelernt?
Ich bin nicht der typische Fall. Ich komme aus dem Südwesten von
Deutschland. Da hat Wilhelm Busch nicht die Bedeutung wie in Niedersachsen.
Ich habe ihn erst als Jugendliche im Bücherschrank entdeckt.
Wilhelm Busch ist im Norden weiter verbreitet als im Süden?
In Niedersachsen sind die Orte, in denen er geboren wurde, gelebt hat und
gestorben ist. Er hat hier eine andere Präsenz. Das Geburtshaus ist in
Wiedensahl, das Sterbehaus in Mechtshausen. Die Schaumburger Landschaft
feiert ihn als bedeutendsten Sohn ihrer Region. Im Südwesten gibt es diese
Intensität in der Breite nicht.
Wird auch der Humor regional unterschiedlich rezipiert?
Nein. Man kann nur sagen: Wilhelm Busch kommt vom Land und auch die Figuren
und Typen, die er darstellt, kommen vom Dorf und nicht aus der Großstadt.
In Ihrem Museum geht es nicht nur um Wilhelm Busch, sondern generell um
Karikatur und Zeichenkunst. Welche Qualitätskriterien muss eine Karikatur
erfüllen, damit sie es zu Ihnen ins Museum schafft?
Zunächst haben wir einen künstlerischen Anspruch an das Werk. Die Karikatur
muss gut umgesetzt sein. Außerdem muss sie inhaltlich überzeugen. Das Blatt
kann unschlagbar sein in seiner Komik, aber es geht bei Karikatur nicht nur
ums Lachen, sondern auch um Kritik, um die Beschreibung von Zeitumständen
und gesellschaftlichen Ereignissen oder Personen. Das muss einen packen.
Wie sieht die Sammlung des Museums aus?
Unsere Sammlung spannt einen Bogen von der Zeit um 1600, wo man den Beginn
der Karikatur im Umfeld der Brüder Carracci sieht, bis heute. Sie enthält
mehr als 35.000 Arbeiten. Es sind viele Blätter dabei, die hervorragend
gezeichnet sind und einen leisen Humor haben. Oder eine kritische,
drastische Bestandsaufnahme eines historischen Ereignisses leisten.
Politische Karikaturen funktionieren nur, wenn der Betrachter den
zeitgeschichtlichen Kontext kennt. Wie lösen Sie dieses Problem im Museum?
Wir erklären die Hintergründe auf den Bildlegenden der Ausstellung.
Außerdem gibt es den Katalog zur jeweiligen Ausstellung, es gibt Führungen
und mitunter auch einen Audioguide.
Sind Karikaturen Kunst?
Selbstverständlich können Karikaturen Kunst sein. Die Karikatur ist eine
angewandte Kunst. Allerdings sind gerade im 19. Jahrhundert die Originale
bei den Zeitungen abgegeben worden und nach der Veröffentlichung auch schon
mal im Papierkorb gelandet. In dieser Zeit zählte nur das gedruckte Bild.
Aber da hat sich einiges getan. Nehmen wir einen Gerhard Haderer, der für
den Stern seine Karikaturen auch mit großem Zeitaufwand malt. Diese
Zeichnungen sind im Original noch mal schöner.
Gibt es noch Vorbehalte in der Kunstwelt, die Karikatur als Kunst zu
akzeptieren?
Die gibt es. Das erfahre ich, seit ich mich mit der Karikatur beschäftige.
Aber da hat sich schon etwas getan. In den Anfängen hat die Karikatur noch
schwerer um ihren Rang gekämpft. Ihre Kritiker nahmen schlechte Werke und
sagten: „Das ist doch keine Kunst.“ Das könnte man bei der bildenden Kunst
genauso tun. Da gibt es genauso Werke von Amateuren, mit denen man die
bildende Kunst disqualifizieren könnte.
Wie geht es den Zeichnern mit der Bezeichnung „Karikaturist“?
Die Zeichner sind da selbstbewusster geworden. André Françoise zum Beispiel
hatte Schwierigkeiten damit, als Karikaturist bezeichnet zu werden, weil
der Begriff oft auch einen abwertenden Charakter hat. Damit kämpfen die
Zeichner. Und sie kämpfen auch damit, dass man alles unter Karikatur
verstehen kann, was irgendwie mit Zerrbild zu tun hat.
Dafür sind auch die Grenzen zwischen Karikatur und bildender Kunst
fließend.
Ja. Nehmen Sie Friedrich Karl Waechter: Der hat in seinem Werk viele
Bilderzählungen. Die können Sie nicht als Karikatur bezeichnen und dennoch
haben sie Elemente davon. Er ist ein Künstler: Seine Art, Geschichten zu
erzählen, auf die Welt zu schauen, Menschen zu sehen ändert sich ja nicht.
Er verändert nur sein Handwerkzeug ein bisschen.
Wie verhalten sich Karikatur und bildende Kunst im Werk von Wilhelm Busch
zueinander?
Wenn Sie seine Gemälde genau ansehen, finden Sie auch etwas von dem, was
den Karikaturisten auszeichnet. Nämlich das genaue Hinschauen und die
Fähigkeit, das Wesentliche zu erkennen. Das zeichnet seine Karikaturen aus:
den wunden Punkt zu erkennen.
Wo finden Sie anspruchsvolle aktuelle Karikaturen?
Bei den Künstlern selbst oder in Zeitungen und Magazinen. Oft sind es auch
Bücher: Viele Zeichner publizieren ihre Werke in Buchform. Und viele nutzen
Internetplattformen.
Klingt danach, als hätte man finanziell gesehen wenig zu lachen als
Karikaturist.
Einerseits ist es kein leichter Stand. Andererseits ist erstaunlich, welche
Unmengen an Büchern produziert werden. Und natürlich gibt es Abdruckrechte
auch im Internet. Der Bedarf an Bildern ist nach wie vor recht groß: Das
Phänomen, dass Bilder Inhalte viel schneller transportieren können als
viele Worte, hat sich ja nicht verändert.
Hat die politische Karikatur nicht an Bedeutung verloren im Lauf der Zeit?
Das kann man nicht global beantworten. In England ist die Karikatur
unglaublich lebendig. Steve Bell hat es ganz schön gesagt: „Je verrückter
es in der Politik zugeht, je verrückter sich die Politiker über die Medien
inszenieren, umso mehr hat die Karikatur Möglichkeiten, das zu
demaskieren.“ Im Grunde genommen ist es für die Karikatur eine wunderbare
Zeit.
Was unterscheidet die englische Karikatur von der deutschen?
Ihre Härte. Wie zum Beispiel mit Margaret Thatcher in der englischen
Karikatur umgegangen wurde, war heftig. Das wäre in Deutschland im Moment
nicht vorstellbar. Gerald Scarfe, der für die Sunday Times zeichnet, sagte:
„Ich kann es mir nicht anders vorstellen. Diese Zumutungen, die wir als
Bürger von der Politik erleben, sollen wir nicht mit gleicher Münze
heimzahlen dürfen?“ Karikatur ist für ihn ein Ventil. Damit tun wir uns
hier in Deutschland viel schwerer.
Hatten Sie schon den Fall, dass Sie eine Karikatur lieber nicht zeigen
wollten?
Es gibt kaum Tabus, allenfalls beim Thema Religion. Wir hatten einmal den
Fall, dass Besucher gesagt haben: „Das ist für mich zu viel, da gehe ich
raus.“ Aber das Anecken gehört auch dazu. Wenn allerdings auf eine plumpe
Art versucht wird, zu provozieren, und man merkt, dass eigentlich nichts
dahinter steckt, dann würde ich sagen: „Das ist nicht überzeugend.“ Aber
ich kann mich nicht erinnern, dass ich schon mal sagen musste: „Das zeigen
wir nicht.“
Wie sind Sie auf das Thema Karikaturen gekommen?
Im Studium und durch Zufall: Mein Professor machte mich auf den
Simplicissimus und Thomas Theodor Heine aufmerksam. Darüber habe ich meine
Magisterarbeit gemacht. Dann habe ich mich an dieses Museum gewandt, weil
ich promovieren wollte. So bin ich hier reingewachsen.
2 Sep 2012
## AUTOREN
Klaus Irler
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