| # taz.de -- Album „… ya know?“ von Joey Ramone: Auf der Terrasse hinterm … | |
| > Ein Album mit unveröffentlichten Songs des 2001 gestorbenen | |
| > Ramones-Sängers Joey Ramone bringt ihn nochmal zurück. Und zeigt seinen | |
| > schwarzen Humor. | |
| Bild: Der Freak auf der Bühne: Joey Ramone. | |
| Punk lebt. Und Joey Ramone auch. In gewisser Weise jedenfalls. Auf seinem | |
| kürzlich veröffentlichten Soloalbum „… ya know?“ können Fans der groß… | |
| Punkikone sich noch mal an Joeys süß-rotziger Stimme erfreuen. Und sie | |
| können die vielfältigen klassischen musikalischen Einflüsse hören, die Joey | |
| den Ramones gebracht hat, von Doo Wop über Brill-Building-Sound, von | |
| Bubblegum-Pop bis zu Girl-Group-Geziepfe. | |
| Sie werden allerdings nicht hören, was Joey selbst aus den Songs gemacht | |
| hätte. So sehr sich die Produzenten auch bemüht haben, Joeys Vorstellungen | |
| zu entsprechen: Sein früher Tod 2001 hat dafür gesorgt, dass die Songs nur | |
| Annäherungen sein können. Dennoch ist „… ya know?“ alles andere als | |
| belanglos. Joeys Stimme ist prägnant und die Texte strotzen nur so von der | |
| bizarren Romantik, die auch die besten Ramones-Songs durchdringen. | |
| Abgesehen von Eddie Vedder, sind auf „… ya know?“ nur Musiker vertreten, | |
| mit denen Joey in der Zeit nach den Ramones zusammengearbeitet hat. Andy | |
| Shernoff von The Dictators, Richie Stotts von The Plasmatics und Holly Beth | |
| Vincent von Holly and the Italians sind dabei und Freunde wie Richie | |
| Ramone, Steven Van Zandt und Joan Jett. Wie bereits bei mehreren | |
| Ramones-Alben saß Ed Stasium bei den meisten Songs am Mischpult. | |
| ## Der Bruder als Retter | |
| Dass es „.… ya know?“ überhaupt gibt, ist einer Person zu verdanken, die | |
| Joey am besten kannte – seinem Bruder Mickey Leigh. Wie dieser in seiner | |
| jüngst veröffentlichten Autobiografie schreibt, standen sich die beiden | |
| Brüder Jeffry und Mitchell Hyman stets sehr nah – auch wenn der Teenager | |
| Joey/Jeffry die Platten seines jüngeren Bruders Mickey/Mitchell gern auf | |
| der Heizung zum Schmelzen brachte. | |
| So war es auch Mickey, der Joey aus der „Klapsmühle“ geholt hat, wohin zu | |
| viel Acid und eine bis dahin noch nicht diagnostizierte Zwangsstörung ihn | |
| im Alter von 21 Jahren gebracht hatten. Und Mickey war es auch, der den | |
| Schlägern aus der Nachbarschaft ein herzliches „fuck off“ entgegenblies, | |
| wenn die seinen fast zwei Meter großen, spindeldürren Bruder einen „Freak“ | |
| nannten. | |
| Jetzt war es wieder Mickey, der sich für Joey eingesetzt hat, indem er | |
| einen zehnjährigen Rechtsstreit ausgefochten hat, um dieses Album | |
| veröffentlichen zu können. „Auch wenn es sich anhört wie ein Klischee: Es | |
| war eine Herzensangelegenheit“, sagt er der taz. „Ich musste mit einem | |
| Typen um Songrechte kämpfen, die ihm gar nicht gehörten. Außerdem hatte mir | |
| Joey zu Lebzeiten das Versprechen abgenommen, dass, wenn einer von uns | |
| stirbt, der andere dessen Arbeit zu Ende bringt.“ | |
| Ähnliches hat Mickey Leigh bereits 2002 mit Joeys erstem postum | |
| veröffentlichten Soloalbum „Don’t Worry About Me“ getan. Während Joey | |
| dieses allerdings fast fertiggestellt hatte, als er starb, war das Material | |
| zu „… ya know?“ nicht ansatzweise so weit gediehen. | |
| ## Seine ganze stilisitische Bandbreite | |
| „Drei Songs („I Couldn’t Sleep“, „Merry Christmas Baby“ und „I Do… | |
| to Fight Tonight“) waren als limitierte Singles herausgekommen, | |
| dankenswerterweise sind sie auf dem Album enthalten. Die anderen sind | |
| unveröffentlichte Demos“, sagt Mickey Leigh. Laut ihm datieren die | |
| Aufnahmen aus den Achtzigern und Neunzigern und waren für die Ramones | |
| gedacht. Einige wenige könnten für zukünftige Soloalben geplant gewesen | |
| sein. | |
| So oder so, die Songs zeigen Joeys stilistische Bandbreite, sagt Leigh. | |
| Deshalb habe er auch mit unterschiedlichen Produzenten zusammengearbeitet. | |
| Während manche das Album deshalb als etwas zerfahren empfinden mögen, | |
| könnte man genauso gut sagen, dass „… ya know?“ Joeys „White Album“ … | |
| Schließlich hatte er sich bei den Ramones oft eingeschränkt gefühlt. Gerne | |
| hätte er seine romantische Seite etwas mehr ausgelebt. Und das tut er hier. | |
| Außerdem war er der Ramone, der am meisten mit anderen Genres geliebäugelt | |
| hat. Mit Doo Wop und Surf Music, was beispielsweise in Songs wie „Sheena Is | |
| A Punk Rocker“ und „Party Line“ eindeutig zu hören ist. „… ya know?�… | |
| beleuchtet Joeys unterschiedliche Talente und lädt die Hörer zu einem „Was | |
| wäre, wenn“-Spielchen ein. | |
| ## Was wäre, wenn? | |
| Was wäre, wenn Phil Spector diesen oder jenen Song produziert hätte – so | |
| wie Mickey es eigentlich angedacht hatte, bevor der berühmte Produzent | |
| wegen Mordes verurteilt wurde. Was wäre, wenn Rick Rubin etwas mit dem | |
| Album zu tun gehabt hätte? Oder Dr. Dre? | |
| Im Gespräch mit Mickey Leigh werden einige Möglichkeiten offensichtlich, | |
| denn sogar zwischen ihm und seinen Produzenten gab es | |
| Meinungsverschiedenheiten. Auf „Waiting for That Railroad“ plädierten sie | |
| beispielsweise für eine opulentere Instrumentierung. Mickey aber, der das | |
| letzte Wort hatte, bestand darauf, den Song so einfach klingen zu lassen, | |
| als „sei er auf der Terrasse hinterm Haus eingespielt“ worden. | |
| Bei „What Did I Do to Deserve You?“ ordnete er sich den Wünschen der | |
| Produzenten unter, die den Song emotional und ernst präsentieren wollten. | |
| „Sie verstanden den Song als klassisches Liebeslied. Ich habe aber immer | |
| den Humor meines Bruders mitschwingen hören, wenn er so was schreibt wie: | |
| ’What did I do to deserve someone as difficult as you? / What did I do to | |
| be cursed with this?‘“ Wenn man bedenkt, dass der Refrain Joeys Klassiker | |
| „Beat on the Brat“ sehr deutlich zitiert, hat Mickey wohl recht. Was kannst | |
| du sonst tun, als die Göre zu vermöbeln? Was hab ich nur getan, dass ich | |
| derart niedergemacht werde? | |
| Abgesehen von diesen kleinen Meinungsverschiedenheiten wirkt das Album | |
| weitestgehend stimmig. Die Musiker ordnen sich dem Stil der Demos unter, | |
| bringen aber auch musikalische Einflüsse mit ein. Das Schlagzeug, mit dem | |
| „Party Line“ beginnt, ist zum Beispiel dem Girl-Group-Klassiker „Be My | |
| Baby“ entlehnt. Und die Calypso-Anleihen von „Make Me Tremble“ beschreibt | |
| Mickey als „Karibik via Donovan“. „21st Century Girl“ kommt mit einem | |
| T-Rex-Vibe daher, und das schon einmal veröffentlichte „I Couldn’t Sleep“ | |
| zitiert sowohl textlich als auch musikalisch die frühen Rock-Klassiker | |
| „Slippin’ and Slidin‘“ und „Tossin’ ’n’ Turnin’“. | |
| ## Stilistisch sehr vielfältig | |
| So stilistisch vielfältig das Album auch klingt: Joeys schwarzer Humor ist | |
| allgegenwärtig. Zeilen wie „Seven days of gloom / If it wasn’t for Sushi my | |
| life would be ruined“ sind typisch Joey. Genauso verhält es sich mit seinem | |
| Achtziger-Blick auf seine Heimatstadt „New York City“. Darin zählt er die | |
| damals angesagten Clubs („The Ritz and the Cat Club, Pyramid, Limelight, | |
| Paul’s Lounge, Save the Robots“) auf, nur um dann zu wiederholen „I like | |
| New York City, I like New York City“. Seine Stimme ist dabei vielsagend, | |
| während der Text im unteren intellektuellen Spektrum rangiert. | |
| Das Soloalbum schließt mit einem Song von „Adios Amigos“, dem letzten Album | |
| der Ramones. Dies könnte ein Hinweis sein, dass „… ya know?“ auch das | |
| Letzte sein wird, was wir je von Joey zu hören bekommen werden. Das mag | |
| zwar traurig klingen. Aber es gibt den Song „Life is A Gas“, und er ist | |
| unplugged aufgenommen. So, als würde Joey ihn nur für sich singen. Mickey | |
| hat dem Song eine Windmaschine untergemischt, was ihn in gewisser Weise | |
| nach einer Segnung klingen lässt. Und die Annahme unterfüttert, dass Joey | |
| Ramone der ultimative Rocker war. Mehr Fan als Star, liebte er Pop eher auf | |
| romantische als auf ironische Weise. Und er machte uns diese Liebe | |
| schmackhaft, indem er sie uns irgendwie als Witz verkaufte. | |
| Anders formuliert, vollführte Joey Ramone zeitlebens einen Drahtseilakt | |
| zwischen der Vergangenheit und der Zukunft des Rock, und er hat sich dabei | |
| so gut wie keinen Fehltritt geleistet. Trägt dieses Album also zu seinem | |
| Vermächtnis bei? Selbstredend. Zumindest, wenn du das Prinzip Rock and Roll | |
| magst, … ya know? | |
| Aus dem amerikanischen Englisch von Sylvia Prahl | |
| ## Joey Ramone: „… ya know?“. Mutated Music/BMG Rights Management/Rough | |
| Trade | |
| 3 Sep 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Steven Lee Beeber | |
| ## TAGS | |
| Punk | |
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