# taz.de -- Ökoenergie macht's möglich: Stromfresser herein! | |
> Der Aluminiumkonzern Norsk Hydro freut sich über günstige Preise. Im | |
> Neusser Werk soll sich die Produktion verdreifachen. | |
Bild: Verbraucht jährlich 2,2 Milliarden Kilowattstrom: Aluhütte Norsk Hydro … | |
FREIBURG taz | Im ersten Moment klingt die Nachricht paradox, aber der | |
Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien macht Deutschland für | |
energieintensive Industrie offenbar attraktiv: Der Alukonzern Norsk Hydro | |
will seine Produktion im Werk in Neuss im Jahr 2013 von 50.000 auf 150.000 | |
Tonnen erhöhen. | |
Dies werde möglich, weil man mit Vattenfall einen fünfjährigen | |
Bezugsvertrag zu günstigen Konditionen habe abschließen können, teilte das | |
Unternehmen mit. Dieser Kontrakt umfasst eine jährliche Lieferung von 2,2 | |
Milliarden Kilowattstunden – so viel, wie 600.000 Haushalte im Jahr | |
verbrauchen. Im Gegenzug soll eine Aluhütte des Konzerns in Australien | |
geschlossen werden. | |
Allerdings knüpft der Alukonzern seine endgültige Entscheidung noch daran, | |
dass er gemäß einer EU-Leitlinie Kompensation für die Kosten der | |
CO2-Emissions-Rechte erhält. Mit seiner Mitteilung will der Konzern den | |
Druck auf die Bundesregierung erhöhen, diese Kompensation zu gewähren. | |
Trotz dieser Beweggründe passt die Meldung so gar nicht zu den Szenarien, | |
die Kritiker des deutschen Atomausstiegs in der Vergangenheit zeichneten. | |
Nach der Entscheidung hatten zum Beispiel EU-Energiekommissar Günther | |
Oettinger wie auch der damalige Chef des Energiekonzerns RWE, Jürgen | |
Großmann, von einer drohenden Deindustrialisierung gesprochen. | |
Heute jedoch zeigt ein Blick auf die Strommärkte, dass Deutschland die | |
Abschaltung von acht Atomreaktoren gut verkraftet hat: Grundlaststrom für | |
2013 wird an der Leipziger Börse EEX seit Monaten für weniger als 50 Euro | |
je Megawattstunde gehandelt. Und auch für die Folgejahre gehen die | |
Marktakteure nicht von einer Stromverknappung aus. | |
## Über 90 Euro je Megawattstunde | |
Längst ist der Strom im Großhandel billiger als vor dem deutschen | |
Ausstiegsbeschluss. In den vergangenen fünf Jahren waren an der EEX | |
mitunter Preise über 90 Euro je Megawattstunde bezahlt worden. Zwar ist der | |
gesunkene Börsenstrompreis auch eine Folge gebremster wirtschaftlicher | |
Erwartungen, doch auch eine zweite Ursache ist unverkennbar: Weil sich mit | |
dem Ausbau erneuerbarer Energien das Angebot spürbar erhöht, drückt der | |
Ökostrom den Börsenpreis – das kommt nun den Unternehmen zugute. | |
Entscheidend dabei: Die energieintensiven Unternehmen profitieren zwar vom | |
gesunkenen Börsenpreis, sind im Unterschied zu den Privathaushalten aber | |
von den Kosten des Ökostroms weitgehend befreit. | |
Eine Studie der Berliner Arepo Consult hatte im Februar die Vergünstigungen | |
taxiert, die der energieintensiven Industrie in Deutschland durch Nachlässe | |
bei der Ökosteuer, bei den Umlagen für erneuerbare Energien und | |
Kraft-Wärme-Kopplung, bei den Netzentgelten und durch kostenlose | |
Emissionszertifikate gewährt werden: über 9 Milliarden Euro jährlich. | |
So offen wie Norsk Hydro sprechen aber nur wenige Unternehmen über die | |
attraktiven Standortbedingungen in Deutschland. Ein Sprecher des Verbandes | |
der Chemischen Industrie (VCI) – dessen Mitglieder sind oft große | |
Energieverbraucher – sagte, ihm seien keine Unternehmen in der Branche | |
bekannt, die aufgrund gefallener Strompreise ihre Produktion ausweiten | |
wollten. | |
Den Eindruck, Profiteur der Energiewende zu sein, will niemand erwecken. | |
Schließlich sind die Begünstigungen für die Industrie angesichts | |
Preissteigerungen für Private zuletzt erheblich in die Kritik geraten. | |
5 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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