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# taz.de -- Religion: Schnippeln nicht strafbar
> Wenn sie steril und möglichst schmerzfrei durchgeführt wird, ist
> Beschneidung in Berlin vorerst erlaubt. Bundestagsvizepräsident Thierse
> kritisiert dies scharf.
Bild: Die religiöse Beschneidung ist für Thomas Heilmann keine Straftat.
Die religiöse Beschneidung von Jungen wird in Berlin nicht als Straftat
angesehen, wenn sie unter bestimmten Bedingungen durchgeführt wird. Diese
Rechtspraxis stellte Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) gemeinsam mit
Generalstaatsanwalt Ralf Rother am Mittwoch bei einer Pressekonferenz im
Roten Rathaus vor. Heilmann wies zudem die rund 300 Berliner Staatsanwälte
an, auf eine strafrechtliche Verfolgung zu verzichten.
## Rechtssicherheit für Eltern
Eltern und Ärzte in Berlin haben damit Rechtssicherheit, nachdem das Kölner
Landgericht im Mai die religiöse Beschneidung von Jungen grundsätzlich als
strafbare Körperverletzung bezeichnet und so für Verunsicherung gesorgt
hatte. Bis der Bundestag ein eigenes Gesetz zur religiösen Beschneidung
verabschiedet, ist die Strafverfolgungspraxis in diesem Fall Ländersache.
„Jüdisches und muslimisches Leben ist in Berlin gewollt, deshalb muss auch
die freie Religionsausübung möglich sein, zu der die Beschneidung gehört“,
sagte Heilmann.
Nach Baden-Württemberg ist Berlin das zweite Bundesland, das die religiöse
Beschneidung trotz des Kölner Urteils straffrei ermöglicht. Durch die große
Anzahl jüdischer und muslimischer Bürger sei das Thema in Berlin besonders
relevant, erklärte Heilmann die schnelle Reaktion der Senatsverwaltung für
Justiz.
Voraussetzungen für die Straffreiheit des Eingriffs sind nun die
schriftliche Einwilligung beider Eltern sowie der Nachweis der religiösen
Motivation. Darüber hinaus muss die Beschneidung fachgerecht durch einen
approbierten Arzt vorgenommen werden. „Sterilität, größtmögliche
Schmerzfreiheit und eine blutstillende Versorgung“ nannte Heilmann als
Kriterien.
Im Jüdischen Krankenhaus waren nach dem Kölner Urteil keine religiösen
Beschneidungen mehr durchgeführt worden. „Wir sind sehr zufrieden mit der
Lösung und dankbar, dass so kurzfristig eine Regelung gefunden wurde“,
sagte nun der Leiter der Inneren Medizin des Krankenhauses, Kristof Graf.
Auch Süleyman Küçük, Dialogbeauftagter der Türkisch Islamischen Union der
Anstalt für Religionen in Berlin (DITIB), zeigte sich erfreut über die
Vorgabe der Senatsverwaltung für Justiz: „Wir sind froh, dass es jetzt
einen rechtlichen Rahmen gibt und keine illegalen Räume entstehen.“
Sowohl Küçük als auch Graf wiesen außerdem darauf hin, dass auch bisher
bereits die große Mehrheit der Beschneidungen von niedergelassenen Ärzten
oder in Krankenhäusern durchgeführt wurde. In der Praxis ändere sich durch
die Vorgabe also wenig.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) kritisierte die Berliner
Regelung am Mittwochnachmittag jedoch scharf. Der geforderte Nachweis der
religiösen Motivation widerspreche der im Grundgesetz festgeschriebenen
Bekenntnisfreiheit.
5 Sep 2012
## AUTOREN
Magdalena Schmude
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