# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Spiele und Terror | |
> London und München, Israelis und Araber: Sicherheit und symbolische | |
> Aufgeladenheit waren beim Besuch im israelischen Quartier stets präsent. | |
Bild: In Gedenken an 1972: Kränze vor dem damaligen israelischen Mannschaftsqu… | |
Wer zum Haus der israelischen Athleten im paralympischen Dorf will, muss | |
erst mal zwei generelle Kontrollen und Durchsuchungen – vergleichbar mit | |
denen am Flughafen – über sich ergehen lassen. Die Details des Besuchs muss | |
man einen Tag vorher schon angeben. Nur dann und nur in Begleitung eines | |
Sportlers darf man ins Innere des paralympischen Dorfes. | |
Wer nun in das israelische Athletenhaus will, muss seine Sachen noch mal | |
durchsuchen lassen. Vor dem Gebäude haben sich mehrere israelische und | |
britische Sicherheitskräfte aufgebaut. Ein polizeiliches Spezialfahrzeug | |
steht in einer Garage nebenan, in ihm sitzen Beamte mit scharfen Waffen. | |
Eine Woche zuvor, zu den 40-Jahr-Feiern der Olympischen Spiele von 1972, | |
war ich in der Conollystraße im Münchner Olympiadorf vor dem Haus, in dem | |
die israelische Mannschaft damals wohnte. Als ehemaliger Münchner war ich | |
schon oft dort, aber diesmal war es anders. Vor dem Gedenkstein sah ich ein | |
absurdes Schauspiel. | |
## Emotional geladen | |
Zwei Männer, etwa 30 Jahre alt, die arabisch miteinander redeten, standen | |
vor der Gedenktafel. Während der eine eine Kamera hält, grinst der andere | |
in diese hinein. Vielleicht bin ich auch nur selbst schon von all dem | |
Gerede über 1972, das geworden, was die Bayern narrisch nennen. Die beiden | |
machen das Gleiche noch einmal – der eine lacht, der andere knipst. | |
Ich habe drei Jahre für die Aufarbeitung des palästinensisch-jüdischen | |
Verhältnisses gearbeitet. Daher weiß ich: Geschichte und Symbole sind | |
subjektiv und emotional geladen. Ein Gegenstand oder Bild kann verschiedene | |
Bedeutungen haben. München, Conollystraße: Ort des palästinensischen | |
Terrors, Ort der Eliteathleten. | |
Endlich darf ich in das Gebäude im paralympischen Dorf. Ich fahre ein paar | |
Stockwerke rauf, dort warten zwei Sportlerinnen und die Physiotherapeutin | |
des israelischen Teams auf mich. Ich bekomme Kaffee und rede mit der | |
paralympische Eliteschwimmerin Erel Halevi. „Der Sport ist ein Weg, mehr im | |
Einklang mit meinem Körper zu stehen und das zu akzeptieren, was ich habe, | |
und das was ich nicht habe, ist keineswegs das Ende der Welt!,“ erklärt | |
sie. Teamkollegin Inbal Ganapol-Schwartz fügt die Worte „herausfordernd“ | |
und „Spaß“ hinzu. Sie findet das Londoner paralympische Dorf, es ist das | |
dritte, das sie erlebt, verrückt. „Wir haben viel Spaß in dieser Stadt der | |
Behinderten“, lacht sie. | |
Ich frage, warum es im Team so wenig nicht-jüdische Israelis gibt. Immerhin | |
sind das über 20 Prozent der Bevölkerung. Sie erzählen von arabischen | |
Behindertensportlern aus der Gegend um Haifa, die sie kennen, und sind sich | |
nicht ganz einig, ob arabische Israelis den gleichen Zugang zu Sportstätten | |
haben. Barrieren im Sport gebe es aber auch bei religiösen Juden – dabei | |
gehe es vor allen um die Bedeckung des weiblichen Körpers. | |
## Bessere Rollstühle für Soldaten | |
Ob Behinderte in Israel gut behandelt werden, frage ich Davidah Koseff, | |
eine Physiotherapeutin des Teams. Die Antwort ist feurig: „Behinderte | |
sollten am besten Armeeversehrte sein, das ist die Wahrheit!“ Nur im | |
Verteidigungsbudget seien für Behinderte größere Summen vorgesehen. Die | |
versehrten Soldaten bekommen höhere Zuzahlungen und qualitativ bessere | |
Rollstühle und Prothesen. Der tapfere, verwundete Soldat ist wohl für | |
manche immer noch heroischer als die Schwimmerinnen, die ich gerade | |
getroffen habe. Die eine hatte Krebs, die andere Zerebralparese, ein | |
Schädigung des Nerven- und Muskelsystems. | |
Einer der Kriegsverwundeten im israelischen paralympischen Team ist Noam | |
Gerschony, der Paralympics-Champion im Rollstuhltennis, der im Doppel auch | |
noch Bronze gewonnen hat. Der ehemalige Hubschrauberpilot gibt sozial | |
schwachen Kindern in der Nähe von Tel Aviv Nachhilfe in Mathematik – | |
jüdischen und arabischen, betont er. Ich verabschiede mich nachdenklich. | |
Bei den paralympischen Spielen hat Israel acht Medaillen erreicht. Eine | |
davon hat Doron Shaziri gewonnen – die Silbermedaille im Dreistellungskampf | |
mit dem Gewehr. Es war am 5. September, genau 40 Jahre nach dem Debakel der | |
Polizeischarfschützen in Fürstenfeldbruck – mit Grüßen an den ehemaligen | |
Münchner Polizeichef Manfred Schreiber, der immer noch glaubt, er hätte | |
seinerzeit nichts falsch gemacht. | |
10 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
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