Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kinderliteraturtage: Liest du mir was vor?
> Immer öfter bringen Literaturfestivals die jüngste Lesergruppe ans Buch.
> Sie weiten die Leseorte weit über die Buchhandlungen aus.
Bild: Pssst! Hier wird gelesen! Kinderliteraturhaus in Lübeck.
Aus allen Richtungen stromern Kleinkindergruppen mit ihren ErzieherInnen
zum Kindertheater im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg. Eigentlich hat das
Theater o. N. noch Sommerpause. Doch für die Kinderliteraturtage „Ottos
Mops liest!“ öffnet man hier gerne früher. Auf der Bühne steht die
Kinderbuchautorin und Illustratorin Sibylle Hein. Die hat nicht nur
Bilderbücher, für das jetzt die Reihen füllende Publikum der Zwei- bis
Vierjährigen in petto, sondern ist auch eine erfahrene Bühnenkünstlerin.
Wenn es gilt, sich wie die Figuren der Fritzi Mauseohr-Bücher klein und
groß zu machen, mitzuzählen oder mal ganz leise und dann ganz laut zu sein,
hat sie die volle Aufmerksamkeit der Kleinen, die begeistert mitmachen. Als
die 41-Jährige auf einem Stuhl über die Bühne hoppelt, um den Radau der
Mäusebrüder Rumpel und Pumpel hörbar zu machen, fragt ein 3-Jähriger
hingerissen: „Bist du auch ein Kind?“
Schon zum dritten Mal finden die Kinderliteraturtage in Prenzlauer Berg
statt. Initiiert hat sie der Büchner-Buchladen im Bezirk. „Die Resonanz auf
das Literaturfest vor fünf Jahren war so groß, dass wir ein gesondertes
Kinderliteraturfest zur Einrichtung gemacht haben“, berichtet Buchhändlerin
Sabeth Vilmar.
Dass Buchhandlungen Lesungen veranstalten, hat Tradition, dass sie
Workshops und Experimentier-Shows rund um die Kinderliteratur ein Forum
bieten, ist eine jüngere Entwicklung. „Erste Kinderbuch-Inszenierungen habe
ich erst mit dem Potter-Wahn wahrgenommen: nächtliche Auslieferung im
Hexen-Ornat und Kürbissuppe im Kessel neben Potter-Paletten köcheln, das
kam damals auf“, erinnert sich der Buchhändler Jürgen Hees aus der
Buchhandlung Herwig in Schwäbisch Gmünd.
Dass die Kinder- und Jugendliteratur überhaupt eine breite Öffentlichkeit
gefunden hat, ist mit Sicherheit Joanne K. Rowlings Erfolgsromanen um den
verrückten Potter-Zauber geschuldet.
## Pisaschock brachte Sprach- und Leseförderung in Gang
Ob auch der Schock, den die erste Pisa- und ihre Nachfolgestudien
auslösten, als sie die dürftigen Lesekompetenzen deutscher Schülerinnen und
Schüler ans Licht und so die Diskussion um Sprach- und Leseförderung in
Gang brachten, zur Eventkultur im Buchhandel beigetragen hat, bezweifelt
Hees. „Letztendlich“, so meint er, „lösen eigentlich nur die zu erwarten…
Umsatzschübe Aktionen und Inszenierungen aus.“
Betrachtet man die Homepages einiger großer Kinder- und Jugendbuch-Verlage,
will man ihm recht geben. Hier werden dem Buchhandel nicht nur
Autorenlesungen, sondern auch Mitmach-Shows, Kostüme von beliebten
Kinderbuchfiguren und kleine Geschenke für Kinderbuchveranstaltungen
angeboten.
Die Kinderliteraturtage „Ottos Mops liest!“ beginnen mit der Verleihung des
„Kinderliteraturpreises Prenzlauer Berg“. Gekürt werden die drei besten
Einsendungen zum Schreibwettbewerb, der in diesem Jahr unter dem Motto „An
einem Sonntag im August“ lief. Dabei sollten die Kinder selbst Geschichten
schreiben. Die Gewinner bekamen Bücher und Gutscheine als Preise. Mit
Verlagen wie Thienemann wird bei solchen Aktionen oft zusammengearbeitet.
So auch mit dem Berliner Tulipan Verlag, der seinen fünften Geburtstag mit
einer Veranstaltung rund um den Erstlesebuch-Superstar Cowboy Klaus im
Georg-Büchner-Buchladen feiern wird. Der Sauerländer Verlag hat seinen
Schriftsteller Andy Stanton aus England geschickt, um die Buchpremiere des
sechsten Bandes der von Harry Rowohlt übersetzten Kinderbuch-Reihe für
Leser ab 8 Jahren vorzutragen.
## Boomender Kinderbuchmarkt
Der Kinderbuchmarkt boomt. Die Anzahl der jährlich produzierten Kinder- und
Jugendbücher nimmt stetig zu, die Anzahl der Erstauflagen ist auch in
diesem Jahr wieder gestiegen. Waren es 2011 bereits 8.082, so sind es in
diesem Jahr 8.225 Neuerscheinungen im Kinderbuchsektor. Zugleich wächst der
Umsatzanteil der Warengruppe Kinder- und Jugendbuch von 16,8 auf 17,4
Prozent am Gesamtbuchmarkt.
„Klar ist das Kinderbuch auch ein Markt, aber wir möchten gerne gute Titel
vermitteln, nicht nur Modetitel“, erklärt Sabeth Vilmar. Während die
Buchhandelskette Thalia Regalflächen leerräumt, um sie mit Spielwaren des
Kooperationspartners Toys’r’us zu befüllen, setzen viele kleine und
mittelgroße Buchhandlungen auf die Zusammenarbeit mit Schulen, Kitas und
Bibliotheken und biete die buchhändlerische Kompetenz an, die Spreu vom
Weizen zu trennen.
Viele Schulen und Kitas lassen sich von Buchhandlungen beraten, wenn es
darum geht Bücherecken oder Schulbibliotheken zu bestücken. Auch was
Autorenlesungen angeht, arbeiten Buchhandlungen und Bibliotheken mit
Schulen und Kitas zusammen.
Um das Engagement umtriebiger Buchhandlungen anzuerkennen, verleiht der
Berlin-Brandenburger Landesverband des Börsenvereins des deutschen
Buchhandels seit 2008 ein Gütesiegel für Leseförderung. Wer nachweist, dass
ein sorgfältig ausgewähltes Sortiment an Kinder- und Jugendliteratur
vorhanden ist, eine kompetente Beratung stattfindet, sowie Autorenlesungen
und andere Arten der Leseförderung sowie Kooperationen mit Kitas, Schulen
und Bibliotheken veranstaltet werden, erhält die Auszeichnung. Auch der
Georg-Büchner-Buchladen bekommt das Siegel jährlich.
## Zertifikat „Lese- und Literaturpädagoge“
Der Begriff Leseförderung selbst wird inzwischen für viele Angebote und
Maßnahmen verwendet. Zahllose Menschen betätigen sich unter diesem Label.
Sicher mit ein Grund dafür, warum das Institut für Lese- und
Medienforschung der Stiftung Lesen in diesem Jahr in einer Studie Maßnahmen
und Angebote außerschulischer Leseförderung in Deutschland untersucht hat.
Das breite und freiwuchernde Betätigungsfeld der außerschulischen
Leseförderung hat die AutorInnen der Studie dazu veranlasst, eine
standardisierte und zertifizierte Ausbildung für ehrenamtlich Tätige zu
empfehlen. An einer solchen qualifizierende Weiterbildung tüftelt derzeit
der Bundesverband für Leseförderung e. V.
Das Zertifikat „Lese- und Literaturpädagoge“ bekommt, wer ein umfassendes
Unterrichtsprogramm von 600 Stunden, sowie 400 Praxisstunden in den
Bereichen der Kinder- und Jugendliteratur, des Vorlesens und Schreibens,
sowie der Lesedidaktik, der Pädagogik und der Entwicklungspsychologie
absolviert hat. Ob auch Kinderbuchhändeler/innen das Zertifikat bekommen?
Da die fundierte Kenntnis der Kinder- und Jugendliteratur nicht unbedingt
zur Allgemeinbildung gehört, ist die Beratung durch eine erfahrene
Kinderbuchhändlerin Gold wert, eine Aufwertung dieser Kompetenz könnte also
nicht schaden.
Das Literaturfest am Prenzlauer Berg hat indes die Buchhandlung längst
verlassen. Es bespielt ganz verschiedene Bühnen. Das Kindertheater, eine
Bibliothek oder auch ein Kino. Am 18. September findet dort eine Lesung und
ein Gespräch mit Klaus Kordon zu seinem neuen Jugendbuch „Das Karussell“
statt. Allerdings kehrt das Kinderfestival dann wieder zurück zu seinen
Anfängen. Denn wenn Kordon seine historischen Jugendbücher vorstellt,
kommen neben den Jugendlichen auch viele erwachsene Bücher-Fans.
11 Sep 2012
## AUTOREN
Sarah Wildeisen
## TAGS
Kinderbuch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue Kinderbücher: „Du blöder Haufen Wolle“
Eine Vogel-Kroko-Freundschaft und eine Schaffamilie unter Schweinen: In
neuen Kinderbüchern aus Großbritannien, Frankreich und dem Iran geht es um
Toleranz.
Literaturfestival: Lieder übers Furzen
Der lange Abend der Kinderliteratur auf dem Internationalen
Literaturfestival ist eher öde. Bis der Barde Gerald Jatzek seine
unflätigen Witze macht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.