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# taz.de -- Pharma-Lobbyistin wird Senatorin: Placebo für die Wirtschaft
> CDU-Frau Cornelia Yzer, die 15 Jahre für die Pharmaindustrie kämpfte,
> wird neue Wirtschaftssenatorin. Parteichef Henkel freut sich.
Bild: Die Pille muss Berlin schlucken: Neu-Senatorin Cornelia Yzer (CDU).
„Frau von wer?“, war die Frage, als die CDU Sybille von Obernitz vor neun
Monaten als neue Wirtschaftssenatorin vorstellte. „Ah, die“, lautete jetzt
die Reaktion, als Parteichef Frank Henkel am Mittwoch ihre Nachfolgerin
präsentierte: Cornelia Yzer, 51, einst eine der mächtigsten Lobbyistinnen
Deutschlands. In zwei Wochen soll sie ernannt werden.
Berlins künftige Wirtschaftssenatorin war bis 2011 gut 15 Jahre lang
Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller. Für
wen diese Pharmalobby – für die auch der Grünen-Kreischef von
Steglitz-Zehlendorf arbeitet – die dunkle Seite der Macht ist, für den war
Yzer eine Art Darth Vader des Politikbetriebs.
Diesen Betrieb kennt Yzer allerdings auch ausgiebig von Regierungsseite
her. Schon vor über zwei Jahrzehnten wurde sie mit erst 30 Jahren
Staatssekretärin unter Helmut Kohl. Ihre damalige Chefin im
Frauenministerium: Angela Merkel.
Wer so lange dabei ist, kennt fast alles und jeden und hat vor allem
Handynummern. Dennoch schien Yzer in einem Karriereloch. Denn seit ihrem
angeblich nicht freiwilligen Ausstieg beim Pharma-Verband 2011 war sie
nicht mehr in herausragender Position in Erscheinung getreten.
Da trafen sich offenbar zwei Interessen, als CDU-Chef Henkel bei ihr anrief
und den Job anbot. Was er nach eigenen Worten am Samstag tat – an jenem
Tag, an dem von Obernitz um Entlassung bat. Henkel ließ allerdings
erkennen, dass er Yzer als Nachfolgerin schon länger im Blick hatte. „Ich
gehe an bestimmte Situationen ungern unvorbereitet heran.“
Die parteilose von Obernitz hatte um ihre Entlassung gebeten, nachdem sie
wegen einer fehlerhaften Ausschreibung unter Druck geraten war. Offenbar
kam sie einem Rauswurf zuvor: Ihr Verhältnis zur Wirtschaft und zu
Mitarbeitern ihrer eigenen Senatsverwaltung galt als belastet. Anders als
Yzer, die mit 17 der CDU-Vorfeldorganisation Junge Union beitrat, war von
Obernitz parteilos. Zudem war sie nie in einer Spitzenfunktion tätig.
An familiären Gründen soll es gelegen haben, dass Yzer erst zu Wochenbeginn
zusagte: Sie habe als alleinerziehende Mutter ihre 13-jährige Tochter im
Blick haben müssen, mit der sie in Schmargendorf lebt. Nach Berlin kam Yzer
im Jahr 2000, als sie den Pharma-Verband in die Hauptstadt verlagerte. Ihre
politische Heimat ist Nordrhein-Westfalen, wo sie in den 90ern acht Jahre
lang Bundestagsabgeordnete war. Wegen dieses Mandats war Yzer bei ihrem
Wechsel zum Pharma-Verband 1997 als Absahnerin verschrien: Sie gab es nicht
sofort, sondern erst zum Ende der Wahlperiode 1998 ab. „Zwei Herren dienen,
doppelt kassieren“, schrieb die Welt.
Wie es denn angehe, dass die Exlobbyistin nun Senatorin werden könne,
fragten Journalisten am Mittwoch. „Für mich ist das nicht problematisch“,
sagte Henkel. „Ich bin ehrlich gesagt sehr froh, dass wir jetzt eine
Lobbyistin für Berlin gefunden haben.“
Für die wirtschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jutta
Matuschek, sieht das ganz anders aus. „Sie hat 15 Jahre lang die
Einzelinteressen einer Branche vertreten. Sie hat maßgeblich Anteil daran,
dass Arzneimittelpreise völlig überhöht und intransparent sind“, kritisiert
sie. „Dass sie nun für das Gemeinwohl eintreten kann, das muss sie erst
unter Beweis stellen. Ich bin da sehr skeptisch.“
Wärmer fällt die Reaktion bei den Grünen aus. „Ich freue mich erst mal,
dass es wieder eine Frau ist“, sagte Fraktionsvize Nicole Ludwig. Die
Lobby-Vergangenheit stört sie nicht – Yzer habe ja auch Erfahrungen
außerhalb dieses Bereichs gemacht: „Ich gehe da ohne Vorbehalte ran.“
12 Sep 2012
## AUTOREN
Stefan Alberti
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machen. Mit Selbstregulierung sollen Gesetze verhindert werden.
Pro: Die richtige Wahl
Sollte eine Lobbyistin mit besten Kontakten in die Wirtschaft Senatorin
werden? Ja.
Kontra: Die falsche Wahl
Sollte jemand, der wie Yzer so leichtfüßig zwischen Lobbyismus und Politik
wandelt, Senatorin werden? Nein.
Berliner Senat: Pharma-Lobbyistin wird Senatorin
Die Berliner CDU hat beschlossen, dass Cornelia Yzer die neue
Wirtschaftssenatorin wird. Bis 2011 war sie beim Verband forschender
Arzneimittelhersteller.
Senat: Männerwirtschaft ohne Wirtin
Nachdem Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz zurückgetreten ist, sucht
die CDU wieder eine Frau für den Job. In der Partei findet sich wohl keine
überzeugende Nachfolgerin.
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