# taz.de -- Disput über Schulessen: Nudeln à la Papp | |
> Das Schulessen ist zu billig, um gut zu sein. Mit ein paar Cent mehr | |
> ließe sich das ändern, sagt der Landeselternausschuss und lädt zum | |
> Testkochen. | |
Bild: Sorgt für Gesprächsbedarf: Berliner Schulessen. | |
Weiße Tischdecken, Blumengestecke und Weingläser: Mit dem | |
durchschnittlichen Speisesaal an Berliner Schulen hat dieser Raum nicht | |
viel zu tun. Trotzdem geht es um Schulessen – und damit um viele Probleme. | |
Denn das Bauchgefühl unzähliger SchülerInnen und Eltern wurde kürzlich | |
durch eine vom Senat veröffentlichte Studie bestätigt: Das Essen an | |
hiesigen Schulen ist zu billig, um wirklich gut zu sein. | |
Dass schon ein wenig Geld zusätzlich einen großen Unterschied macht, will | |
der Landeselternausschuss (LEA) zeigen. Er hat deshalb in „Das Restaurant“ | |
in Wilmersdorf eingeladen. Im Rahmen der „Qualitätsoffensive Schulessen | |
2.0“ kochen am Freitag zwei Berliner Spitzenköche, Markus Semmler und Gerd | |
Hammes, zwei Gerichte. Das erste kostet so viel wie momentan vorgegeben, | |
das zweite die vom LEA geforderten 50 Cent mehr. Derzeit liegt die | |
Preisgrenze je nach Bezirk bei 1,90 bis 2,30 Euro pro Portion. Nach Abzug | |
von Personal- und Fixkosten und der Mehrwertsteuer bleiben dem | |
Essenslieferanten nur 50 Cent für den Einkauf der Ware. Damit könne man die | |
vorgegeben Qualitätsstandards kaum einhalten, so Klaus Kühn vom Verband der | |
Berliner Schulcaterer. | |
## Testesser aus der 3a | |
Das wollen auch die Köche beweisen, die bei der Aktion deshalb mitmachen, | |
„weil Kinder die Kunden von morgen sind“, wie Semmler sagt. Zwei dieser | |
zukünftigen Kunden aus der Waldgrundschule in Westend sind ebenfalls | |
eingeladen. Sie sind vom Schulessen auch nicht gerade begeistert: „Die | |
Nudeln sind pappig, und das ist einfach komisch“, sagt Maike aus der 3a. | |
Die Spaghetti Bolognese, die von Semmler und Hammes mit den zurzeit | |
geltenden 50 Cent Einkaufskosten gekocht werden, beurteilen die beiden | |
SchülerInnen mit „geht so“, die 50 Cent teureren „Putenpiccata auf | |
Spaghetti, frischen Tomaten und Basilikum“ mit „richtig lecker und | |
perfekt“. Die Köche freuen sich. | |
Aber so ganz entspannt ist die Stimmung trotzdem nicht: Herr Kühn vom | |
Catererverband fragt genau nach, wie viel Gramm Spaghetti denn in der | |
Portion stecken, was die genau gekostet haben – und überhaupt, die | |
Bedingungen seien hier ja völlig anders: „Wenn wir dieses Essen durch halb | |
Berlin fahren und das dann in den Schulen noch drei Stunden steht, würde | |
das auch ganz anders aussehen.“ | |
Laut Cornelia Partmann von der AG Schulessen des LEA ist nicht allein der | |
Preis das Problem: „Die Vergabe regelt jeder Bezirk für sich. Das ist viel | |
teurer und aufwändiger als eine einheitliche Regelung“. Dem stimmt Elfi | |
Jantzen zu, die zuständige Bezirksstadträtin aus | |
Charlottenburg-Wilmersdorf: Es brauche mehr Unterstützung vom Senat und | |
eine landesweite Zertifizierung von Caterern, wie es sie zum Beispiel in | |
Hamburg gibt. | |
So ließe sich Geld für besseres Essen sparen, ohne die Eltern zu sehr zu | |
belasten, sagt Partmann. „Wir fordern auch ein Zahlungsmodell mit | |
Einkommensstaffelung, das sozial verträglich ist.“ Vorbild ist wieder | |
Hamburg: Hier zahlen Geringverdiener nur 70 Cent pro Portion – in Berlin | |
gilt ein Pauschalpreis von 1,45 Euro. Für Kinder, deren Familien das | |
Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes empfangen, ist das Essen in Hamburg | |
sogar umsonst, in Berlin kostet es 1 Euro. | |
Es geht also gar nicht um Putenpiccata für alle, wie auch eine anwesende | |
Mutter sagt: „Kinder meckern eh immer, von mir aus kann es ruhig | |
Linseneintopf oder so etwas geben. Hauptsache, das Essen ist gesund“. Aus | |
Sicht der Schüler sind das nun wieder eher schlechte Nachrichten: Am | |
liebsten, sagen die beiden, würde sie jeden Tag „Schnitzel mit Pommes und | |
Ketchup“ essen. | |
21 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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