# taz.de -- Fortbildungen für Imame: Neue Aufgaben im Krankenhaus | |
> In der Asklepios-Klinik in Hamburg-St. Georg können sich Imame zu | |
> Krankenhausseelsorgern ausbilden lassen. | |
Bild: Haben Kontakt im Seelsorgerkurs für Imame geknüpft: Judith Nyass (links… | |
HAMBURG taz | Eigentlich sollte Imam Zulhajrat Fejzulahi jetzt beim | |
Landeskriminalamt (LKA) in Hamburg sein. Aber den Termin hat er abgesagt, | |
sitzt stattdessen bei Tee und Keksen im Büro von Pastorin Christina Kayales | |
und erzählt über ihren Krankenhausseelsorgekurs für Imame. „Dass ich alter | |
Mann da noch mal was dazulernen kann, hätte ich nicht gedacht“, sagt der | |
Imam und lacht bei der Frage nach seinem Alter, über 60 sei er schon. | |
Fejzulahi ist beim Rat der islamischen Gemeinschaft, der Schura Hamburg, | |
für den innerislamischen Dialog zuständig und hätte mit den LKA-Leuten über | |
das Mohammed-Schmähvideo und die Reaktion darauf sprechen wollen. Aber er | |
hat eine Vertretung geschickt und ist zu Kayales ins Büro gekommen, das in | |
einem Türmchen am Ende eines langgezogenen Backsteinbaus auf dem Gelände | |
der Asklepios-Klinik in Hamburg-St. Georg untergebracht ist. Zweiter Stock, | |
Dachschrägen, Bücherregal, kleine Küchenzeile. | |
Die Fortbildung von Hamburger Imamen zum Krankenhausseelsorger war Kayales | |
Idee. Gemeinsam mit einer Islamwissenschaftlerin setzte sie ein Schreiben | |
auf und schickte es an die Schura. „Ich wollte einen Seelsorgekurs für | |
Frauen anbieten, die sich ehrenamtlich in den muslimischen Gemeinden | |
engagieren“, sagt Kayales. Dass 14 Hamburger Imame dann gleich selbst | |
mitmachten, hätte sie nicht gedacht. Und eine Frau war dann ja auch noch | |
dabei, Judith Nyass kam für ihren Mann und es sei schon in Ordnung gewesen, | |
so allein unter Imamen, sagt Nyass, die vor 30 Jahren aus Ghana nach | |
Deutschland kam. Aber das nächste Mal würde sie in einen Kurs für Frauen | |
gehen, da rede es sich doch ungezwungener. | |
Der erste Kurs für Frauen ist gerade gestartet und die Nachfrage war größer | |
als die Zahl der Plätze, neun Frauen stehen noch auf der Warteliste. Eine | |
der ersten Fragen, die die Frauen Kayales stellten, war: „Und, hast du in | |
dem Kurs für die Imame Kopftuch getragen?“ Hat sie nicht. | |
Sie wurde schon so oft gefragt, wieso sie denn als Frau und Pastorin Imame | |
unterrichten könne. „Wir glauben immer, dass müsste doch ein Problem sein, | |
aber die Imame wissen ja, dass unsere Kultur eine andere ist und | |
akzeptieren natürlich eine Frau als Lehrerin“, sagt Kayales. | |
Es sei einfach alles eine Frage des gegenseitigen Rücksichtnehmens. „Ich | |
bin zum Beispiel nicht beleidigt, wenn mir der Imam zur Begrüßung nicht die | |
Hand gibt, das ist eben so, ich kann darauf achten, was er stattdessen | |
macht.“ Fejzulahi macht da Ausnahmen und schüttelt schon mal zur Begrüßung | |
die Hand. | |
Bevor Kayales als Seelsorgerin und interkulturelle Beraterin am Klinikum in | |
St. Georg zu arbeiten begann, war sie Gemeindepastorin, lebte lange Jahre | |
auf den Philippinen und arbeitete in Hannover im Kirchenamt. Manchmal | |
schleicht sich noch ein Tonfall ein, an dem man die Gemeindepastorin | |
erkennt. Es sind diese langgezogenen Silben mitten im Satz, die absinkende | |
Stimme. | |
Kurse wie den von Kayales gab es zwar auch schon in Lurse in der Pfalz und | |
in Frankfurt, aber ihrer ist der erste in Norddeutschland und bei ihr | |
mussten die Teilnehmer nicht fließend Deutsch sprechen. Sie unterrichtet | |
zwar auf Deutsch, spricht aber langsam und die Männer helfen sich dann | |
einfach gegenseitig, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Auf diese | |
Weise, sagt Kayales, sei ein guter Dialog zustande gekommen, gerade bei | |
schwierigen Themen wie Gewalt in der Familie oder Suizid haben sie sich die | |
Imame erst mal untereinander ausgetauscht, sich eine Position erarbeitet | |
und die dann mit ihr besprochen. | |
„Die Seelsorge, wie ihr sie kennt, gehört nicht zu den Aufgaben eines | |
Imams“, sagt Fejzulahi, sondern ist eigentlich Sache von Familie und | |
Verwandten. Und der Koran sehe klare Regeln vor, wie man sich beim | |
Krankenbesuch zu verhalten habe. „Wir sprechen zum Beispiel nicht über den | |
Tod, sondern über das Leben. Denn sterben müssen wir sowieso alle“, sagt | |
Fejzulahi, da helfen nur gute Worte und ein Gebet. | |
Er kommt aus Mazedonien und ist albanischer Abstammung, am 5. Oktober ist | |
er auf den Tag genau 30 Jahre in Deutschland. Einen Kurs, in dem | |
seelsorgerische Gesprächsführung, Angst vor dem Tod, Patientenverfügung | |
oder Organspende geht, hat er noch nie zuvor besucht. | |
„Aber hier in der Diaspora spielt die Seelsorge eine viel größere Rolle“, | |
sagt er, denn weit weg von der Heimat lebten viele oft isoliert, hätten | |
keine Verwandten und manchmal hätten sie auch den Bezug zu ihrem Glauben | |
und seinen Ritualen verloren. „Da können wir Imame schon helfen“, sagt er. | |
Es sind eher die kulturellen Unterschiede, die es so sinnvoll machen, dass | |
Imame und Pastorin zusammenarbeiten. Denn gerade wenn man krank sei, sehne | |
man sich noch viel mehr nach etwas Vertrautem, nach Zuhause. Neulich habe | |
Kayales zum Beispiel eine türkische Frau beraten, deren achtmonatiges Kind | |
mit einem Hirntumor im Krankenhaus lag. „Es war Ramadan und sie wollte | |
natürlich fasten, aber sie war mit ihren Kräften völlig am Ende und ich | |
konnte ihr nicht sagen, los, iss doch einfach“, sagt Kayales. | |
Sie hatten aber eine Imam-Notfallliste für die Hamburger Kliniken | |
aufgestellt, sie rief einen der Imame an, der konnte die türkische Frau | |
beruhigen, ihr sagen, dass sie jetzt ruhig essen und das Fasten dann | |
nachholen könne. „So etwas hilft uns im Krankenhausalltag ungemein“, sagt | |
Kayales. | |
In der Klinik in St. Georg wurden in 20 Jahren Krankenhausseelsorge rund 60 | |
ehrenamtliche Seelsorger ausgebildet – und jetzt kommen die muslimischen | |
Seelsorger dazu. „In diesem Kontext muss ich niemanden davon überzeugen, | |
dass religiöse Rituale Halt geben können und muss nicht erklären, wie diese | |
Rituale denn aussehen“, sagt Kayales. | |
„Bei uns gibt es Menschen, die geben 800 Euro für ein Heilungswochenende | |
aus, liegen dort auf der Matte und versuchen, sich auf sich zu besinnen“, | |
sagt Kayales. Das Geschäft mit der Sinnsuche sei hier sehr groß und da sei | |
viel Geld zu verdienen. Aber sie versuche die Menschen in ihrer Arbeit zu | |
erklären, dass wir bereits Rituale haben, die Halt geben, und dass man | |
dafür nicht Hunderte Euro ausgeben muss. Den Imamen aus ihrem Kurs habe sie | |
das nicht erklären müssen. | |
21 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
## TAGS | |
Muslime in Deutschland | |
Asklepios | |
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