| # taz.de -- 50 Jahre James Bond: Die Weltherrschaft, der alte Traum | |
| > Die Figur des James Bond hat enorme Fortschritte gemacht. Seine Gegner | |
| > aber sind stets irre, wirr und im Extremfall bösartig blondiert. | |
| Bild: Legendär maligner Gebißträger: Beißer (Richard Kiel) rückt Bond (Rog… | |
| BERLIN taz | Noch wissen wir nicht, welche Art der von Javier Bardem | |
| gespielte Bösewicht im neuen Bond-Film „Skyfall“ verkörpern wird. Der | |
| Trailer gibt in dieser Hinsicht nur wenige Aufschlüsse. Dort ist zu sehen, | |
| wie Bardem eine lichtdurchflutete Halle betritt, an deren Ende Bond | |
| gefesselt auf einen Stuhl sitzt. | |
| Die Art, wie er sich über den Agenten ihrer Majestät beugt, und seine auf | |
| bizarre Weise goldblond gefärbten Haare legen jedenfalls die Vermutung | |
| nahe, dass es sich bei Bardems Silva eher nicht um einen | |
| Gentleman-Verbrecher handelt. Sein Bösewicht scheint vielmehr in der langen | |
| Tradition der Bond-Gegner mit labiler Psyche und einer fixen Idee im Kopf | |
| zu stehen. Wie Sean Connery es im ersten Bond-Film „Dr. No“ von 1962 schon | |
| auf den Punkt bringt: „Die Weltherrschaft, immer wieder der alte Traum. | |
| Unsere Kliniken sind voll von Menschen, die glauben, sie wären Napoleon | |
| oder Gott.“ | |
| Diesen Größenwahn wieder und wieder in seine Schranken zu verweisen, ist im | |
| Grunde die eigentliche, die wahre Bestimmung von Mr. Bond, James Bond. | |
| Trotz gleichbleibender Überaufgabe hat die Bond-Figur in den letzten 50 | |
| Jahren eine deutliche Entwicklung durchgemacht. | |
| Von Sean Connerys sexistischem Zynismus bis zu Daniel Craigs neuer | |
| Ernsthaftigkeit gab es zahlreiche Varianten: Roger Moores slapstickhafte | |
| Selbstparodie wurde von Timothy Daltons Bemühung um mehr Realismus | |
| abgelöst, und Pierce Brosnan rettetemit genderbewusster Selbstironie das | |
| Franchise über das Ende des Kalten Krieges hinaus. | |
| ## Galerie der Fratzen | |
| Seine Gegenspieler dagegen haben sich auf den ersten Blick kaum verändert. | |
| Betrachtet man diese Schurken in einer Reihe, hat man eine regelrechte | |
| Freakshow vor sich, eine Galerie der Fratzen, Verstümmelungen und | |
| Mutationen – angefangen von Dr. No mit seinen Händen aus Metall über Largos | |
| Augenklappe bis zu Le Chiffres Blut absondernder Tränendrüse. | |
| Dabei kennt man nur von wenigen die tragische Hintergrundgeschichte: Der | |
| von Christopher Walken verkörperte Max Zorin in „Im Angesicht des Todes“ | |
| (1985), ähnlich bizarr blond gefärbt wie Bardem, war das Produkt eines | |
| genetischen KZ-Experiments, womit die mangelnde Empathie erklärt wäre, mit | |
| der er hohnlachend die eigenen Angestellten niedermäht. Robert Carlyles | |
| Renard aus „Die Welt ist nicht genug“ (1999) kann wegen einer in seinem | |
| Kopf steckengebliebenen Kugel nichts mehr fühlen, ein Zustand, dessen Vor- | |
| und Nachteile der Film mit dramatischen Effekten demonstriert. | |
| Unvergessen sind aber auch Lotte Lenyas russische Doppelspionin Rosa Klebb | |
| mit ihren ausklappbaren Bajonetten an den Schuhspitzen und vor allem der | |
| „Beißer“, Richard Kiels 2,17-Meter-Mann mit dem Gebiss aus Stahl, der | |
| gleich in zwei Filmen auftreten durfte und sich in „Moonraker“ tatsächlich | |
| zum Seitenwechsel überreden lässt – was ihm das für Schergen sehr seltene | |
| Überleben sichert. | |
| Wo die Oberschurken oft wie verwunschene Prinzen entlegene Paläste | |
| bewohnen, in denen sie in Isolation ihren Groll hegen, bilden sie zusammen | |
| mit ihren meist schnell sterbenden Schergen eine Gemeinschaft der | |
| Erniedrigten und Beleidigten. | |
| ## Verzweifelte Rache an der Smartness | |
| Die Weltherrschaft, die sie anstreben, entpuppt sich bei genauer | |
| Betrachtung stets als verzweifelter Racheversuch an der Smartness, der | |
| Überlegenheit, der letztlich grausamen Arroganz von 007 und dem, wofür er | |
| steht. Bond und seine feinen englischen Tugenden der Zurückhaltung, Ironie | |
| und tadelloser Kleidung gegen die Barbarei der gekränkten Egomanen, die | |
| keinen Spaß mehr verstehen und deren Lachen deshalb stets hohl klingt. | |
| Gert Fröbe als geradezu rührend um Humor bemühter Goldfinger war in dieser | |
| Hinsicht besonders einprägsam. Von allen Bondbösewichtern kam er dem Ideal, | |
| dass man es liebte, ihn zu hassen, vielleicht am nächsten. Sein | |
| Weltherrschaftsplan zeichnet sich durch seltene Klarheit aus: Er wollte | |
| Fort Knox atomar verseuchen, um den Preis seines eigenen Goldes | |
| hochzutreiben. | |
| Andere Bond-Schurkenprojekte sind wirrer und selbstzerstörerischer: New | |
| York und Moskau in Schutt und Asche legen, den dritten Weltkrieg auslösen, | |
| die Erde auslöschen, um die Menschheit neu zu züchten und immer wieder | |
| natürlich: irgendeine Art von Super- oder Atomwaffe klauen, entwickeln oder | |
| monopolisieren. | |
| ## Das Gnomhafte | |
| Der Blick auf das Gnomhafte der Bösewichte verdeutlicht auch, dass es der | |
| Bond-Serie mit der Kopplung an die Realität nie besonders ernst war. Die an | |
| Medienmogule wie Hearst und Murdoch angelegte Figur des Elliot Carver | |
| (Jonathan Pryce) in „Der Morgen stirbt nie“ (1997) schien hier eine neue | |
| Tradition zu begründen. Doch letztlich outete sich auch Carver als Irrer, | |
| der den Aufwand seines Projekts größenwahnsinnig falsch kalkuliert hat. Dem | |
| realen Murdoch traut man durchaus zu, ohne Atombombe sein Imperium nach | |
| China ausdehnen zu können. | |
| Der bisher letzte Bond-Film, „Ein Quantum Trost“ (2008), zeigte mit Mathieu | |
| Amalrics Dominique Greene den vielleicht „normalsten“ Bösewicht der | |
| gesamten Serie und mit dem Plot um eine Corporation, die das Grundwasser | |
| eines lateinamerikanischen Landes privatisieren will, ein erschreckend | |
| reales Weltherrschaftsprojekt. | |
| Bardem und seine bizarr-blonden Haare deuten aber darauf hin, dass der neue | |
| Bond, „Skyfall“, in puncto Schurke wieder alte pathologische Wege geht. Was | |
| schade wäre, denn eigentlich wäre nach 50 Jahren der Augenblick gekommen, | |
| um Bond einen Schurken gegenüberzustellen, den man ernst nehmen könnte. | |
| 4 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Schweizerhof | |
| ## TAGS | |
| Sean Connery | |
| James Bond | |
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