| # taz.de -- „Wetten, dass..?“: Mitgeklatscht wird auf 1 und 3 | |
| > Markus Lanz arbeitet sich durch seine erste „Wetten, dass | |
| > ..?“-Moderation. Ein Abend voller Moderationskärtchen, Hundehaare und | |
| > Spießbürgerhumor. | |
| Bild: Die illustren Gäste: Jennifer Lopez, Karl Lagerfeld und die holländisch… | |
| DÜSSELDORF taz | Erst ist da nur diese Stimme, und dann ist da ein Mann mit | |
| orangefarbener Krawatte. Die Krawatte soll ihn wohl als ZDF-Mitarbeiter | |
| ausweisen, damit ihn niemand versehentlich von der Bühne jagt. Vor so einer | |
| „Wetten, dass ..?“-Show stehen ja jede Menge Leute auf der Bühne herum, von | |
| denen niemand genau weiß, was sie da machen. Sie selbst wahrscheinlich auch | |
| nicht. | |
| Es geht wohl vor allem darum, da rumzustehen. Wie früher in der Schule in | |
| der Raucherecke – auch wenn man gar nicht raucht. Dabei sein ist alles. | |
| Der Krawattenmann ist der Warm-Upper. „Sensationelle Gäste, hervorragende | |
| Wetten“, verspricht er mit Kirmesstimme. Und dann übt er mit den 1.500 | |
| Zuschauern im ISS Dome – klatschen. Beim ZDF überlässt man eben nichts dem | |
| Zufall – nicht am Abend der „Wetten, dass ..?“-Premiere von Markus Lanz. | |
| Auch für den Krawattenmann ist es ein großer Tag. Warm-Upper von Europas | |
| größter Unterhaltungsshow. | |
| Das ist schon was. Auch er ist neu hier, Thomas Gottschalk – ein Name, der | |
| an diesem Abend kein einziges Mal fallen wird – hat sein Publikum immer | |
| selbst aufgewärmt. Aufrechte Körperhaltung hat er dabei nie eingefordert, | |
| wie jetzt der Krawattenmann, „ist ja ZDF hier, öffentlich-rechtlich“. Das | |
| Publikum gehorcht, applaudiert, als gäbe es Freibier, und drückt den Rücken | |
| durch, so gut das noch geht im fortgeschrittenen ZDF-Alter. | |
| ## Ganz leger | |
| Und dann kommt Markus Lanz kurz raus – Applaus, Applaus, Applaus – noch | |
| ohne Sakko, ganz leger. Applaus, Applaus, Applaus. „Vielen Dank, ist gut.“ | |
| Das Publikum klatscht weiter. Gelernt ist gelernt. Der Krawattenmann guckt | |
| zufrieden. Lanz schüttelt ihm die Hand wie einem alten Kumpel. So | |
| jugendlich-ungestüm, wie es ihm mit 43 noch möglich ist, stürmt Lanz in die | |
| erste Reihe und umarmt „Wetten, dass ..?“-Erfinder Frank Elstner. | |
| Dabei flüstert er ihm etwas Unverständliches ins Ohr. Was, das ist egal. | |
| Hauptsache, es wirkt vertraut. Das Signal ist klar: Elstner hat Lanz als | |
| legitimen Enkel in die „Wetten, dass ..?“-Familie aufgenommen. | |
| Die Show beginnt. In einem Einspieler kommt Lanz zu spät an der Halle an, | |
| wird von einem der Klitschko-Brüder fast nicht reingelassen, überrascht | |
| Andrea Kiewel, die merkwürdigerweise später gar nicht zu Gast ist, wie sie | |
| in ihrer Garderobe „Let’s Get Loud“ von Jennifer Lopez schmettert, und h�… | |
| ein „Recall“-Schild hoch, bis Comedian Cindy aus Marzahn ihm ins Sakko | |
| hilft. | |
| Und dann: Auftritt Lanz. Sein erster Gang führt ihn wieder in die erste | |
| Reihe, zu Frank Elstner. Handshake. Das erste Mal war fürs Saalpublikum, | |
| das hier ist für Fernsehdeutschland. | |
| ## Der einstudierte Witz | |
| Als Eisbrecher begrüßt Lanz in Düsseldorf („der einzige Ort, wo die | |
| Pelzdichte noch höher ist als in Grönland, wo ich gern hinfahre“) | |
| Tote-Hosen-Sänger Campino. Local-Hero-Superapplaus. In den zwei, drei | |
| Sätzen, die Lanz zu jedem Gast von seinen Moderationskärtchen abliest, | |
| erwähnt er, dass die Toten Hosen bei ihrem ersten Auftritt als die „Toten | |
| Hasen“ angekündigt wurden. Was man mit so ein bisschen Googeln nicht alles | |
| rausfinden kann. Verblüffend. | |
| Markus Lanz wurde übrigens laut Wikipedia am 16. März 1969 in Bruneck | |
| (Südtirol) geboren und ist italienischer Staatsbürger. „Ich bin Moderator | |
| mit Migrationshintergrund“, sagt er später irgendwann, „manchmal auch mit | |
| Migränehintergrund.“ Und das Schlimmste daran: Das müde Witzchen ist ihm | |
| wohl nicht spontan eingefallen, wirkt einstudiert. | |
| In der Stadtwette, deren Pate Campino ist, sollen 500 „nackerte Menschen“, | |
| wie Lanz sich ausdrückt, rot und weiß angemalt das Logo des | |
| Fußballbundesligisten Fortuna Düsseldorf formen. Wenn das nicht klappt, | |
| will Campino aufs Oktoberfest gehen – nicht nackert, sondern in Lederhose. | |
| Und wenn es klappt, muss Lanz im Fortuna-Trikot nach Köln laufen. Ja, meine | |
| Damen und Herren, wir haben es hier mit echten Teufelskerlen zu tun, die | |
| kein Abenteuer scheuen. | |
| Als die holländischen Beckhams, Rafael und Sylvie van der Vaart, ihre Wette | |
| verlieren – einem jungen Mann ist es nicht gelungen, auf einem | |
| Slacklinegurt stehend vier Fallrückzieher in ein Tor zu schießen, ohne den | |
| Boden zu berühren –, müssen sie mit einem Tandem durch die Halle fahren, an | |
| dem ein kleiner Wohnwagen hängt. Holländer – klingelt’s? Aus dem Caravan | |
| befreit Lanz die gegen die Tür hämmernde Cindy aus Marzahn, die ihm fortan | |
| assistieren darf. | |
| ## Der unterhaltsame Karl | |
| In ihrer überzogen-ranschmeißerischen Art stellt sich Cindy aus Marzahn | |
| Karl Lagerfeld aus Paris mit „Ich bin Ihre Muse, Ihre Pampelmuse“ vor. „E… | |
| bisschen wie Beth Ditto“ findet der die stattliche Komikerin. Es wird nicht | |
| der letzte Szenenapplaus für Lagerfeld bleiben, den unterhaltsamsten | |
| Menschen auf der runden, fahrbaren „Wetten, dass ..?“-Couchinsel, die ein | |
| bisschen an diese Roboterstaubsauger erinnert. | |
| Als Lanz Lagerfeld entlocken will, dass der sich für den Größten hält, | |
| blockt er ab: „Nicht, dass ich mich gut finde. Aber es könnte schlimmer | |
| sein.“ Ein bisschen Sorgen um Lagerfeld macht man sich dennoch. Weil der | |
| offenbar trotz dieser Zumutungen gern Gast im deutschen Fernsehen ist. So | |
| gern, dass er sogar bei „Gottschalk Live“ war. | |
| Vor der Sendung hat Lanz angekündigt, „journalistischer“ fragen zu wollen | |
| als sein Vorgänger, sich mehr für die Wettkandidaten zu interessieren. | |
| Davon ist wenig zu merken. Seine Fragen sind allenfalls eitler: Seht her, | |
| wie toll ich mich vorbereitet habe! Die Antworten sind ihm genauso egal, | |
| wie sie Thomas Gottschalk egal waren. | |
| Wenn er nachhakt, etwa bei Jennifer Lopez, wie es denn war mit ihrer | |
| vierjährigen Tochter bei der Chanel-Modenschau, dann steckt dahinter kein | |
| aufrichtiges Interesse (hofft man zumindest für Lanz), sondern ein | |
| Moderatorenreflex. Keep on talking. Worüber? Nebensächlich! | |
| Für den einsamen Höhepunkt des Abends sorgen Schauspieler Wotan Wilke | |
| Möhring und „seine“ Wettkandidatin Monika Thaler. Die mobile Hundefriseurin | |
| aus Neuhaus an der Inn verlangt „ab 35 Euro aufwärts“ für einen Schnitt | |
| plus Anfahrt und kann ein Büschel Haare durch Erfühlen der jeweiligen Rasse | |
| zuordnen. Das Problem ist nur: Es dauert. „Darf ich noch ein bisschen | |
| fühlen?“, bittet Thaler. Sie fühlt und fühlt und fühlt. | |
| Lanz versucht einen Witz: „Wenn Sie zu Hause gerade erst einschalten: Es | |
| handelt sich nicht um eine Maus, die zur besten Sendezeit wiederbelebt | |
| wird.“ Und als Thaler endlich fertig gefühlt hat, sagt Möhring spürbar | |
| genervt: „Es ist ein schöner Schmetterling geworden.“ Klar ist das gaga, | |
| wirkt aber irgendwie ungezwungener als die zurechtgelegt wirkenden Sprüche | |
| von Lanz. | |
| ## Hihihi, ein Waldorfschüler | |
| Weil die Hundefriseurin ihre Wette gewinnt, bleibt es dem ehemaligen | |
| Waldorfschüler Möhring erspart, seinen Namen tanzen zu müssen. In dieser | |
| „Idee“ steckt der ganze piefige, kleingeistige Mitklatschhumor, der diesen | |
| Abend zu einem knapp dreieinhalbstündigen Survivaltraining macht: | |
| Hihi, Waldorfschüler. Haha, dicke Frau im roten Paillettenkleid. Hoho, ein | |
| Förster, der mit seinen wackelnden Ohren Morsezeichen sendet. Da lacht der | |
| Spießbürger. Da erlebt er keine bösen Überraschungen, wie auch bei den | |
| musikalischen „Wetten, dass ..?“-Gästen, deren Lieder er mechanisch auf 1 | |
| und 3 durchklatschen kann. Und das ganz ohne Order vom Krawattenmann, | |
| einfach so, weil es ihm im Blut liegt. | |
| Nach dem Abspann kommt der Krawattenmann noch mal. „Sie haben das ganz, | |
| ganz toll gemacht“, lobt er. „Vielen, vielen Dank noch mal hier nach | |
| Düsseldorf.“ Markus Lanz sagt nichts mehr, steht nur auf der Bühne rum und | |
| schüttelt Kindern die Hand. Ein Dankeschön aus seinem Mund wäre angebracht. | |
| Die meisten Zuschauer haben 50 Euro für ihre Karte bezahlt. Es gibt | |
| billigere Möglichkeiten, sich einen Samstagabend zu verderben. | |
| 7 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| David Denk | |
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