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# taz.de -- 50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil: „Nicht der Papst ist das P…
> 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil fordert „Wir sind Kirche“,
> nicht dem konservativen Zeitgeist zu folgen, sondern dem Geist des
> Aufbruchs von damals.
Bild: „Kontrolle ist der Kirche sehr wichtig.“
taz: Herr Weisner, vor 50 Jahren eröffnete Papst Johannes XXIII. das Zweite
Vatikanische Konzil, mit dem sich die katholische Kirche der Welt zuwenden
wollte. Kann es sein, dass dieses Konzil bis heute nicht zu Ende ist?
Christian Weisner: Wer die Konzilszeit miterlebt hat, weiß, dass es damals
einen echten Aufbruch gegeben hat, den wir uns heute nur schwer vorstellen
können. Die katholische Kirche hat sich selbst erstmals als Weltkirche
erlebt. Die progressiven Bischöfe waren eindeutig in der Mehrheit. Nur
wurde davon viel zu wenig im Kirchenrecht umgesetzt. Vor allem ist es bis
heute nicht gelungen, das Machtzentrum, die römische Kurie, zu reformieren.
Was ist passiert?
Benedikt XVI. verweist immer wieder auf die Konzilsbeschlüsse. Aber das
waren Kompromisstexte, um auch die konservative Minderheit einzubeziehen.
Der Geist des Konzils war damals eindeutig ein anderer. Die restaurativen
Kräfte betonen immer wieder, die Kirche dürfe nicht dem Zeitgeist
hinterherlaufen. Dabei läuft die katholische Kirche derzeit genau dem
konservativen Trend von Politik und Kultur hinterher. Bei der wieder
erlaubten vorkonziliaren Messe, um nur ein Beispiel für den Rollback zu
nennen, geht es um viel mehr als nur die lateinische Sprache.
Als junger Professor war auch Joseph Ratzinger selbst vom Aufbruch des
Konzils angesteckt. Die Erfahrungen von 1968 haben ihn dann vor Reformen
zurückschrecken lassen.
Die Studentenunruhen haben bei Ratzinger wohl eine tiefe Angst ausgelöst.
Veränderung bedeutet Unruhe, Unruhe ist nicht kontrollierbar. Und Kontrolle
ist der Kirche sehr wichtig.
Die Kirchenvolksbewegung ist das progressive Gegenstück zu reaktionären
Strömungen wie der Pius-Bruderschaft. Warum definiert sie sich nur als
innerkirchliche Reformbewegung?
Wir stehen da in einer sehr guten Tradition, bis hin zum Apostel Paulus.
Seit der frühesten Kirchengeschichte gab und gibt es Reformströmungen, die
aber nie aus Rom kamen, sondern immer „von unten“…
… wie die Befreiungstheologie als „Stimme der Armen“ in Lateinamerika.
Schon für Johannes Paul II. waren die vom Konzil beeinflussten
Befreiungstheologen zu marxistisch und damit ein rotes Tuch. Die Liste der
Kleriker, die Joseph Ratzinger damals noch als Leiter der
Glaubenskongregation verbannt hat, ist sehr lang. Die katholische Kirche
hat das schier unlösbare Problem, dass sie auf zwei sehr unterschiedlichen
historischen Säulen ruht: Erstens die „Jesus-Bewegung“ als Reformbewegung
im Judentum. Die zweite Säule, das sind leider die Strukturen des römischen
Imperiums, dessen Erbe die katholische Kirche angetreten hat.
Leider?
Ja, leider. Weil auf diese Weise eine hierarchische Pyramidenstruktur
übernommen wurde, die weder ihr selbst gut bekommt noch der Welt. Vor allem
passt sie nicht zur Botschaft Jesu.
Das Papsttum ist die älteste absolute Wahlmonarchie der Welt. Die Kirche
ist keine Demokratie. Da muss doch jemand das letzte Wort haben, oder?
Kirche braucht Autoritäten, darf aber kein autoritäres System sein. Mehr
als eine Milliarde Christen auf der Welt, das kann nicht mehr alles von Rom
aus gesteuert werden. Als echter Global Player hat die katholische Kirche
eine Verantwortung nicht nur für das Heil ihrer Mitglieder, sondern für den
ganzen Planeten. Sie müsste eine gewaltige Friedensinitiative sein.
Auf Ihrer „Konziliaren Versammlung“ in Frankfurt geht es auch um die
„Verdunstung des Glaubens“ …
Verdunsten ist nicht Verschwinden. Es wird weiterhin geglaubt, außerhalb
der Kirchen und eben an andere Dinge: von Geld über Ayurveda bis zum
Horoskop. Wir wollen die Botschaft Jesu wieder verständlicher machen, indem
wir die Sorgen der Menschen in ihrem Alltag ernst nehmen – wie es das
Konzil verlangte.
Wäre ein neuer Papst hilfreich?
Das Problem ist die Kurie im Vatikan, nicht der Papst selbst. Es hat keinen
Zweck, auf einen Johannes XXIV. zu warten. Aber zum Glück gibt es Aufbrüche
weltweit an der Basis, wie „Wir sind Kirche“ oder die Pfarrer-Initiative
mit ihrem „Aufruf zum Ungehorsam“. Auch die Bischöfe sollten sich endlich
zu einer Initiative zusammenschließen. Das wäre im Sinne des Konzils.
14 Oct 2012
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Papst Benedikt XVI.
Papst
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