| # taz.de -- Kommentar Bologna-Reform: Kreditpunkte absurd | |
| > Länder wie Berlin verkomplizieren die unübersichtlichen Kreditpunkte im | |
| > Studium weiter. Das liegt nicht zuletzt an Leer-Veranstaltungen. | |
| Bild: Das Studium ist heute bürokratischer und verschulter als vor zehn Jahren… | |
| Die Leistungspunkte aus dem ECTS sollen allein „den studentischen | |
| Arbeitsaufwand, der in der Regel notwendig ist, um die jeweiligen | |
| Anforderungen zu erfüllen und Lernziele zu erreichen“, bemessen. So | |
| formulieren es das auch die zentralen Satzungen in Prüfungsangelegenheiten | |
| und die Rahmenprüfungsordnungen der Berliner Unis. | |
| Schon das führt in vielen Bereichen zu einem fachlich kaum zu vertretenden | |
| Bürokratismus. Doch die Berliner Unis gehen von sich aus einen Schritt | |
| weiter. Ohne dass dies irgendwo in den ECTS-Handbüchern vorgeschrieben oder | |
| vorgeschlagen wäre, werden an den Berliner Unis die ECTS-Leistungspunkte | |
| zum Maß der akademischen Bedeutung eines Moduls gemacht. | |
| Bei der Bildung der „Gesamtnote für alle Prüfungsteile werden die | |
| jeweiligen Noten (…) mit der Zahl der zugehörigen Leistungspunkte | |
| multipliziert, dann addiert und durch die Summe der einbezogenen | |
| Leistungspunkte dividiert“. (So § 13 Abs. 7 der Satzung der FU – wortgleich | |
| in den Satzungen der TU und HU.) Je mehr Leistungspunkte ein Fach hat, | |
| desto mehr wiegt sein Anteil an der Gesamtnote. | |
| Das hat absurde Konsequenzen. Weil das Fachpraktikum etwa der | |
| Wirtschaftsingenieure an der TU mit neun Wochen nach den ECTS-Richtlinien | |
| eigentlich eine ganze Menge Leistungspunkte haben müsste, würde es | |
| natürlich viel zu schwer ins akademische Gewicht fallen und wird darum | |
| einfach weder benotet noch mit Leistungspunkten versehen – es wird zur | |
| Leerveranstaltung. Damit ist der Sinn des ECTS verfehlt: die Studierbarkeit | |
| eines Studienganges zu gewährleisten. | |
| Man kann nach dieser Logik unbegrenzt Zeiten hineinpacken, die einfach | |
| nicht gezählt werden. Dazu kommt: Mit dieser ECTS-widrigen Gewichtung der | |
| Fachnoten mit den ECTS-Punkten werden für die Lehrenden Anreize gesetzt, | |
| möglichst viele Leistungspunkte für ihr Fach zu holen. So zeigt sich an | |
| diesem Beispiel, wie vieles, was zu Recht an ECTS kritiert wird, nicht am | |
| ECTS liegt, sondern an der Art und Weise, wie es bei uns umgesetzt wird. | |
| 17 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Wolf Wagner | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Soziologe über Bologna-Reform: „Eine irrsinnige Planungsfantasie“ | |
| Durch die Bologna-Reform ist das Studium komplizierter geworden, sagt der | |
| Organisationssoziologe Stefan Kühl. Vor allem die Kreditpunkte seien | |
| schuld. | |
| Semesterbeginn der Hochschulen: Die hohe Kunst des Schwachsinns | |
| Wer heute zu studieren beginnt, muss prahlen, plustern, tarnen und täuschen | |
| lernen. Nirgendwo wird so viel geblufft wie an den Unis, sagt Professor | |
| Wolf Wagner. |