# taz.de -- Bremen gewinnt gegen Gladbach: Sieg mit flacher Hierarchie | |
> Ersatzkapitän Aaron Hunt führt Werder Bremen zu einem überzeugenden 4:0 | |
> über Borussia Mönchengladbach. Und die bremischen Fans lassen sich von | |
> Negativ-Schlagzeilen nicht kirre machen. | |
Bild: Danach gab Gladbach auf: Werders Niclas Füllkrug (l) erzielt gegen Marc-… | |
BREMEN taz | Die Werder-Fans in der Ostkurve erlebten am Samstagnachmittag | |
ein Wechselbad der Gefühle. Ausnahmsweise aber nicht während des Spiels, | |
wie so oft in dieser Saison. Zwei Stunden vor Spielbeginn enthüllten Sie | |
gemeinsam mit Werder-Offiziellen im Umlauf der Kurve eine Gedenktafel für | |
den vor 30 Jahren im Hamburger Volkspark gewaltsam zu Tode gekommenen | |
Adrian Maleika. Anschließend widmeten sie sich aktuellen Herausforderungen | |
ihres Fanseins und kritisierten mit Spruchbändern das repressive | |
Sicherheitskonzept von DFB und DFL, das demnächst gegen ihren Widerstand | |
verabschiedet werden soll. | |
Da tat es gut, dass ihre Mannschaft ihnen anschließend 90 Minuten reine | |
Freude schenkte. Dafür bereiteten die Bremer Zuschauer allerdings | |
stimmungsmäßig den Boden, in dem sie Kevin de Bruyne, der sich während der | |
Länderspielpause distanziert über die Mentalität der Deutschen geäußert | |
hatte, eben nicht auspfiffen, wie es die Boulevard-Presse provozieren | |
wollte. Der Belgier machte in der Folge sein bislang bestes Spiel im | |
Werder-Trikot. Das 1:0 durch Nils Petersen bereitete er mit einem | |
filigranen Eckball vor und packte des Öfteren seine Spezialität aus: den | |
öffnenden Diagonalpass. | |
Auf eine andere medial aufgeblasene Frage lieferte die Mannschaft selbst | |
die beste Antwort. Während der deutsche Fußball angeblich am Fehlen von | |
Führungsspielern krankt, glänzte Werder gegen Mönchengladbach mit der wohl | |
flachsten Hierarchie seit dem Wiederaufstieg 1981. Nach dem Ausfall von | |
Kapitän Clemens Fritz trug erstmals der Aron Hunt die Kapitänsbinde, der | |
mit seinen 26 Jahren plötzlich der älteste Bremer auf dem Platz war. | |
„Aaron nimmt die Herausforderung endlich an“, hatte Trainer Thomas Schaaf | |
schon vor dem Spiel über Hunt gesagt, der früher in entscheidenden | |
Situationen oft abtauchte. Am Samstag war er überall auf dem Platz zu | |
finden, lenkte gemeinsam mit de Bruyne und Zlatko Junuzovic klug das Spiel | |
und krönte seine Leistung mit einem Traumpass zum 2:0 durch Marko | |
Arnautovic unmittelbar vor der Pause. | |
Auch der Österreicher wächst mit der gestiegenen Verantwortung. Zu Hause | |
wartet ein kleines Baby und auf dem Platz hat er keinen Übervater Pizarro | |
mehr, hinter dem er sich verstecken kann und gegen den er sich spätpubertär | |
abgrenzen muss. In seiner neuen Rolle als Rechtsaußen spielt Arnautovic | |
sachlich, effektiv und Samstag endlich auch erfolgreich. Zum 3:0 durch den | |
kurz zuvor eingewechselten Niklas Füllkrug gab er nach feiner | |
Einzelleistung die Vorlage. | |
Dass die Werder-Offensive zu solchen Leistungen fähig ist, war vorher | |
bekannt. „Ich bin viel glücklicher über die Defensive“, sagte Schaaf nach | |
dem Spiel. „Wir haben den Gegner nonstop bedrängt.“ Mit einer enormen | |
Laufleistung schafften es die Bremer, den ballführenden Gegner meist zu | |
dritt zu attackieren. Hinterher war dann von „harmlosen“ Gladbachern die | |
Rede. Die hatten allerdings über eine halbe Stunde gut mitgehalten und | |
ergaben sich erst nach dem 0:3 in ihr Schicksal. Den Testspielcharakter der | |
letzten Viertelstunde nutzte dann Junuzovic für eine artistische Einlage | |
zum 4:0. | |
Von der Euphorie nach dem Spiel ließ sich Thomas Schaaf, dessen Arbeit von | |
Teilen der Medien massiv infrage gestellt worden war, nicht anstecken: „Die | |
Einschätzung ,Vorher war alles schlecht und seit heute Abend ist alles gut‘ | |
machen wir nicht mit. Ich sage immer noch, dass diese Mannschaft noch Zeit | |
brauchen wird.“ Die sportliche Leitung in Bremen hat in den letzten Jahren | |
sicher den Fehler gemacht, zu lange alte Erfolge konservieren zu wollen. | |
Jetzt, wo der Umbruch mit mutigem Konzept und überzeugendem Personal | |
eingeleitet worden ist, sollte nicht gleich jeder Rückschlag zur | |
Trainer-Frage und jedes gute Spiel zu Champions League-Ambitionen führen. | |
Das Bremer Publikum hat Samstag jedenfalls bewiesen, sich vom eigenen Kopf | |
und nicht von Schlagzeilen leiten zu lassen. | |
Davon kann in Mönchengladbach keine Rede sein. Aufgebrachte Fans wollten | |
Sportdirektor Max Eberl, den sie vor Kurzem noch für den Borussen-Höhenflug | |
gefeiert haben, nicht nach Hause fahren lassen. | |
21 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Ralf Lorenzen | |
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Fußball | |
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