# taz.de -- Kita-Ausbau schöngeredet: Zoff um Kita-Studie | |
> In Berichten über eine Studie zum Kita-Ausbau nimmt Bremen den letzten | |
> Platz ein - nicht, wenn Sozialsenatorin Stahmann die Studie | |
> interpretiert. | |
Bild: Jedes Kind hat Recht auf einen Platz. | |
Der Streit zwischen Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) und | |
Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) dürfte sich verschärfen. Nachdem | |
Stahmann Berichte über eine Studie zum Krippen-Ausbau angezweifelt hatte, | |
laut denen in Bremen ein Fünftel der Kinder keinen Krippenplatz bekäme, | |
steht das Familienministerium zu den Zahlen. Die aber seien in dem | |
Arbeitspapier zur Studie überhaupt nicht zu finden, heißt es auch aus | |
anderen Ländern, die vermuten, das Schröder-Ministerium hätte diese unter | |
der Hand samt Deutung lanciert. | |
Von einer „ernsten Lage in Bremen“ schrieb am Sonntag Spiegel Online und | |
berief sich auf ein Arbeitspapier zu einer bundesweiten Studie des | |
Deutschen Jugendinstituts aus München. „Danach finden in Bremen 21,8 | |
Prozent der Familien keinen Kita-Platz, weil das Angebot fehlt“, heißt es | |
in dem Artikel. „Diese Angabe ist falsch“, erklärte Anja Stahmann noch am | |
Sonntag, in dem zitierten Zusammenhang seien nicht alle Eltern befragt | |
worden, sondern nur die, die keinen Platz haben. Und: Seit den Zahlen, auf | |
die sich die Studie bezieht, seien 1.200 neue Plätze in Bremen entstanden. | |
Reine Ablenkung aus Bremen? Immerhin gibt es ab dem 1. August 2013 einen | |
Rechtsanspruch für die Betreuung, auch für unter Dreijährige. Gehen Eltern | |
leer aus, können sie die Kommune verklagen – und die müsste im Zweifel das | |
Geld für eine private Betreuung überweisen: eine teure Angelegenheit. | |
Wie viele Kinder womöglich nicht versorgt sind, wäre daher nicht unwichtig. | |
Nur: „Die Zahl 21,8 Prozent findet man in der ganzen Studie nicht“, so | |
David Lukassen, Sprecher des Sozialressorts. Aussage gegen Aussage. Denn: | |
Katja Angeli, Pressesprecherin im Bundesfamilienministerium, sagt ebenfalls | |
eindeutig: „Ich kann ihnen die Zahlen bestätigen, die vom Spiegel | |
veröffentlicht wurden.“ Es sei eine repräsentative Stichprobe unter allen | |
Eltern von Kinder gewesen, die zwischen dem 1. April 2009 und dem 31. März | |
2012 geboren wurden. Eine Studie, die im Auftrag des | |
Bundesfamilienministeriums angefertigt wurde und die zeige, „wie wichtig | |
Transparenz sei.“ Gestern sollte sie in einem Arbeitstreffen den Ländern | |
vorgestellt werden. Aus Bremen war niemand dabei, zu kurzfristig sei die | |
Einladung gekommen, so Lukassen. | |
Kurzfristig an die Länder verschickt wurde anscheinend auch das | |
Studien-Arbeitspapier selbst, am Freitagabend um kurz vor sechs. In den | |
meisten Behörde ist da schon Nachtruhe und ein Zeitpunkt, von dem man auch | |
beim Deutschen Jugendinstitut überrascht war. Denn die Endergebnisse der | |
Studie sollen erst Mitte November veröffentlicht werden, erst dann also, | |
wenn sie mit aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes abgeglichen | |
wurden, die für Anfang November erwartet werden. | |
Dass das Papier aus Berlin gleich auch an den Spiegel ging, vermutet man | |
auch in anderen Ministerien. Und, dass die Interpretation gleich | |
mitgeliefert worden sei. Von „interessengeleiteten Interpretationen im | |
Sinne der schwarz-gelben Bundesregierung“, spricht NRW-Familienministerin | |
Ute Schäfer (SPD) und stärkt damit Anja Stahmann den Rücken. Aus dem | |
Familienministerium in Nordrhein-Westfalen heißt es weiter, weder NRW noch | |
Bremen würden nach den Zahlen in der Studie auf den letzten Plätzen stehen. | |
Tabellarisch aufgeführt sind auf Seite 25 Zahlen, die die „Gründe für den | |
Verzicht“ auf eine Betreuung in der Kita angeben. Neben Öffnungszeiten, die | |
nicht passen, der Entfernung zum Wohnort oder einer chronischen Erkrankung | |
des Kindes gaben für Bremen 19,1 Prozent der Eltern an, dass sie keinen | |
Platz bekommen haben – das wäre demnach nicht ein Fünftel aller Kinder, | |
sondern ein Fünftel der Kinder, die nicht in der Kita sind – ein großer | |
Unterschied. Bremen läge damit im Mittelfeld, hinter Berlin (24,8 Prozent), | |
Hessen (21,6), Rheinland-Pfalz (21,4). | |
„Mich interessiert, woher die anderen Angaben kommen“, so | |
Sozialressort-Sprecher Lukassen. Er verteidigt den Stand des Kita-Ausbaus | |
in Bremen. Bis Mitte 2013 entstünden 125 neue Kita-Plätze. Bis der | |
Rechtsanspruch am 1. August wirksam wird, kämen weiter 353 Plätze dazu, zum | |
1. Januar 2014 noch einmal 50 Plätze. „Dann sind wir bei einer | |
Versorgungsquote von 42 Prozent aller Kinder von null bis drei Jahren“, so | |
Lukassen. Eine Quote, bei der man zudem bedenken müsse, dass viele Eltern | |
ihre Kinder erst betreuen lassen wollen, wenn sie schon älter sind. Sobald | |
im Frühjahr 2013 die Kinder angemeldet werden, würde nachgebessert. | |
Vom Bund hat das Land Bremen seit 2008 16 Millionen Euro Unterstützung für | |
den Kita-Ausbau bekommen. Um den Zuschuss von weiteren 4,7 Millionen Euro | |
streitet sich Anja Stahmann, wie andere Länder, mit | |
Bundesfamilienministerin Schröder, die an die Zahlungen zu bürokratische | |
Bedingungen knüpfe. | |
22 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
## TAGS | |
Kindergarten | |
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