# taz.de -- Die U17-Mannschaft bei Leverkusen: Der junge Profi und seine Jungs | |
> Stefan Reinartz spielt für Leverkusen in der Bundesliga und der Europa | |
> League. Nebenbei trainiert er die U17-Mannschaft des Clubs. | |
Bild: Nicht das größte Talent seines Jahrgangs, hat es aber doch geschafft: S… | |
LEVERKUSEN taz | Eigentlich sollte Stefan Reinartz an dieser Stelle einen | |
Jogginganzug tragen. Er sollte auf dem Platz des Jugendleistungszentrums | |
Kurtekotten in Leverkusen stehen, einen Jugendlichen zu sich rufen, ihm | |
dann vielleicht einen Ball an den Fuß spielen und die nächste | |
Trainingsübung erklären. Doch Reinartz, Defensivspieler von Bayer 04 | |
Leverkusen, sitzt in Jeans auf einer Couch in den Katakomben der | |
Leverkusener Arena und breitet seine Arme lässig auf der Rückenlehne aus. | |
Ein Interview beim Training hat er abgelehnt. „Ich möchte die Jungs einfach | |
von der medialen Beobachtung fernhalten“, sagt er. | |
„Die Jungs“, die Reinartz beschützen möchte, bilden die U17-Mannschaft von | |
Bayer 04 Leverkusen. 23 junge Männer zwischen Pubertät und Leistungssport, | |
derzeit Tabellenvierte der Bundesliga West. Seit Saisonbeginn ist Reinartz | |
ihr Co-Trainer, bastelt mit ihnen an Taktik und Technik und bereitet die | |
Trainingseinheiten vor. Der Bundesligaprofi als Jugendcoach, das ist eine | |
Konstellation, die im deutschen Profifußball – ganz anders als in den | |
Amateurklassen – ungewöhnlich ist. | |
Als Bayers U17-Cheftrainer Tom Cichon am Ende der vergangenen Saison | |
Verstärkung für sein Trainerteam suchte, kam er auf die Idee, bei der | |
Bundesligamannschaft des Werksclubs nachzufragen. „Ein Profi kann die Jungs | |
ohne die Distanz erreichen, die sie zu Trainern oder Lehrern haben“, sagt | |
Cichon. Er erinnerte er sich an Stefan Reinartz, den beim Werksclub | |
ausgebildeten Verteidiger, den er vor vielen Jahren als Trainerpraktikant | |
bei Bayers C-Jugend kennengelernt hatte. | |
Ein Spieler, der nicht das größte Talent seines Jahrgangs war, es aber | |
aufgrund seiner Einstellung doch in die Bundesliga schaffte. Kurzum: für | |
Cichon die perfekte Leitfigur für Nachwuchskicker im Spannungsfeld der | |
Erwartungen von Lehrern, Eltern und Beratern. Cichon rief Reinartz an; der | |
tauchte eine Woche später beim Training auf, klatschte die erstaunten | |
Nachwuchskicker zur Begrüßung ab und stellte sich als „der Stefan“ vor. | |
Seit vier Monaten beteiligt sich Reinartz mittlerweile ein- bis zweimal | |
wöchentlich an der Trainingsarbeit. Er lässt sich mit Fragen zum Leben | |
eines Profis löchern, übernimmt Übungsformen und arbeitet an der taktischen | |
Ausbildung mit. „Stefan kann uns mit seiner Erfahrung helfen, weil er genau | |
den Weg mit all den Widerständen gegangen ist, den wir auch vor uns haben“, | |
sagt U17-Kapitän Jannik Schneider. | |
## Eine Win-win-win-Situation | |
Reinartz selbst sieht die Arbeit als weitsichtige Chance, Erfahrungen als | |
Trainer zu sammeln; sein Chefcoach Sascha Lewandowski freut sich, dass | |
Reinartz seinen Horizont für Sport und Taktik um den Blick von außerhalb | |
des Spielfeldes erweitert. Es ist eine Win-win-win-Situation. | |
Die Erfahrung hat auch Thomas Schaaf gemacht, das vielleicht prominenteste | |
Beispiel für den Zwitter aus Profi und Jugendtrainer. Als 26-Jähriger | |
übernahm er die Bremer B-Jugend, trainierte später auch die A-Junioren und | |
machte seinen Trainerschein und die Fußballlehrerlizenz. „Es ist schon als | |
Spieler ein enormer Vorteil, Dinge auf diese andere Art und Weise | |
aufzunehmen, sich einmal die Hintergründe der Trainingsarbeit zu | |
verdeutlichen“, sagt der Urwerderaner. Er nutzte die Chance, frühzeitig für | |
die Karriere nach der Karriere zu planen, übernahm bald auch als | |
Gesamtkoordinator die Umstrukturierung des Bremer Jugendbereichs. Und er | |
blieb im Job: Mittlerweile arbeitet Schaaf seit 13 Jahren als | |
Bundesligatrainer. | |
Aktuell ist Stefan Reinartz mit seiner Arbeit im Jugendbereich ein Exot. | |
Warum? Fehlendes Engagement möchte der 23-Jährige den Kollegen zwar nicht | |
vorwerfen, doch er sagt auch: „Zeit hätten wir definitiv alle genug.“ | |
Letztlich, so glaubt Reinartz, fehle bei den meisten Spielern schlicht und | |
ergreifend der Kontakt zum Jugendbereich. „Wenn ich nicht gefragt worden | |
wäre, würde ich das hier schließlich auch nicht machen“, sagt er. Noch | |
witzeln die Kollegen fleißig über Reinartz’ Einsatz für den Nachwuchs. | |
Als er gerade von der Trainingsarbeit erzählt, steht plötzlich Verteidiger | |
Manuel Friedrich neben ihm und äfft seinen Mitspieler lachend nach. | |
Reinartz kann darüber nur schmunzeln. „Bisher kamen weder so viele blöde | |
Kommentare, wie ich erwartet hätte, noch war ein wirklich guter Spruch | |
dabei“, sagt er. „Vermutlich ist es also doch gar nicht so verkehrt, was | |
ich da mache.“ | |
27 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Jannis Carmesin | |
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