# taz.de -- Kolumne Männer: American Psycho | |
> Frauen übernehmen Männerklischees und sind stolz darauf. Ein Glück, dass | |
> Männer das nicht nachmachen. | |
Bild: Viel rosa, viel blondiertes Haar: Christina Aguilera. | |
Christina Aguilera ist superaufgeregt. Neulich erschien ihre neue Single | |
„Your Body“, und sie ist stolz auf den dazu gehörigen Clip. „Darin spiele | |
ich diesen Charakter. Sie ist vielleicht etwas Bad Ass“, erklärt die | |
31-Jährige. „Sie ist sehr selbstsicher, selbstbewusst, aber sie ist | |
superspielerisch und superironisch. Sie lacht das ganze Video hindurch.“ Es | |
ist ein wirklich heiteres Video geworden: viel Rosa, viel blondiertes Haar, | |
viel Kaugummigekaue. Und drei hingeschlachtete Männer. | |
Während Aguilera von One-Night-Stands singt, tötet sie binnen vier Minuten | |
drei Kerle. Zunächst lässt sie sich von einem hübschen Autofahrer | |
mitnehmen, um ihn nach dem Sex in die Luft zu sprengen. Die Explosionswolke | |
ist rosa. Als die Sängerin einen Kerl in eine Toilettenkabine zerrt, | |
spritzt hinter der Tür bald sein pastellblaues Blut. Und dem Mann, mit dem | |
Aguilera im Motelzimmer landet, zerschmettert sie den schönen Kopf mit | |
einem Baseballschläger. Durch die Luft wirbelt rosa Konfetti. | |
Nun ist ja nichts langweiliger, als sich über Populärkultur aufzuregen. Und | |
nichts erfüllt den Werbezweck solcher Aktionen perfekter als ihre | |
Skandalisierung. Vielleicht also ist es ein Zeichen gewachsener | |
gesellschaftlicher Klugheit, dass seit der Clipveröffentlichung die große | |
Aufregung ausgeblieben ist. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob es | |
sonderlich gut ankäme, gäbe ich eine Art männliche Christina Aguilera. | |
## Mord als Comebackstrategie? | |
Nehmen wir mal an, ich wäre ein aus der Form geratener Popstar, dessen | |
Karriere schwächelt. Wäre es da eine kluge Comebackstrategie, einen Clip zu | |
drehen, in dem ich Sex mit drei Frauen simuliere, um sie danach zu | |
ermorden? Käme ich dazu, in Interviews freudig Sätze zu sagen wie: „Ich | |
glaube, ich habe nie zuvor ein Video gemacht mit so viel Farbe, Freiheit | |
und Freude.“ Der Arbeitsagenturberater, der meinem Popstar-Ich einen | |
Existenzgründungszuschuss gewährt hat, müsste seinem Chef sicher ein paar | |
Fragen beantworten. | |
Klar, dieses Messen mit zweierlei Maß hat mit Kurzsichtigkeit zu tun und | |
mangelnder Empathie für Männer. In der Popkultur wird noch immer das Bild | |
vom tumben, gefühlsarmen Kerl gepflegt. Aber in Aguileras Fall spielt noch | |
etwas eine Rolle: Männliche Rollenklischees sind einfach cooler als | |
weibliche. | |
Rohe Gewalt, Reuelosigkeit, emotionsloser Sex – das ist doch was! Wenn | |
Frauen in Filmen diese männlich besetzten Eigenschaften zeigen, gelten sie | |
als gefährliche, faszinierende Vamps. Beispielsweise Sharon Stone in „Basic | |
Instinct“. Und umgekehrt? | |
Tanzen Männer etwa durch Pop-Videos, in denen die Musik perlt wie ein | |
kleiner, erfrischender Wasserfall? Streifen sie lächelnd durch sommerliche | |
Felder? Verstecken sie sich dabei neckisch hinter Sonnenblumenblüten? | |
Liegen sie kichernd auf dem Rücken, einen Finger zwischen den Zähnen? | |
Gucken sie lasziv in die Kamera, um schließlich über so viel erotische | |
Verspieltheit lachend den Kopf zu schütteln? Und wuscheln sie sich beim | |
Refrain dramatisch durchs Haar? | |
Nee, das machen Kerle nicht. Weil’s unoriginell ist und blöd wirkt. Wir | |
Männer spüren so was. | |
6 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Matthias Lohre | |
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Glück | |
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